»Wir wollen ein lebendiges Netzwerk bilden«

Erstveröffentlicht: 
03.06.2008

In Freiburg wurde jetzt »Indymedia linksunten« als regionale Internet-Organisation für den Südwesten gegründet. Ein Gespräch mit Paula Bruss

Interview: Ralf Wurzbacher

Paula Bruss ist eine Medienaktivistin aus Baden-Württemberg. Sie nahm am Gründungstreffen von »Indymedia linksunten« in Freiburg teil.

Jüngst hat sich in Freiburg ein neues Independent Media Center (IMC) für Südwestdeutschland namens »Indymedia linksunten« gegründet. Wozu braucht es einen regionalen Ableger des bundesweiten Indymedia-Netzwerkes?

Unser Ziel ist es, Bewegungen im Südwesten zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre lokalen Kämpfe in einen globalen Zusammenhang zu setzen. Wir wollen eine lokale Verankerung erreichen und direkten Kontakt zu Indymedia ermöglichen. Ein regionales IMC bietet zudem einen leichteren Zugang zu lokalen Informationen als ein deutschlandweites IMC.

Wer steht hinter dem Projekt?

Auf dem Gründungstreffen waren 30 Leute aus verschiedenen Städten Südwestdeutschlands anwesend, einige weitere wollen zu den nächsten Treffen kommen. Wir sind Linksradikale aus libertären und antikapitalistischen Bewegungen und zum Teil in autonomen Gruppen organisiert. Indymedia ist ein offenes Medium, das von der aktiven Beteiligung seiner Nutzerinnen und Nutzer lebt. Wir wollen dazu beitragen, ein lebendiges Netzwerk zu bilden und durch den Austausch von Fähigkeiten Medienaktivismus von links unten zu fördern. Wir freuen uns über weitere Beteiligung.

Es gab Spekulationen, wonach linksunten eine Abspaltung von de.indymedia.org ist, weil ihnen deren Kurs nicht passe. Was hat es damit auf sich?

Indymedia versteht sich als Netzwerk mit möglichst vielen Knotenpunkten. In diesem Sinne wollen wir auch keine Konkurrenz zu bestehenden IMCs sein, sondern freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den anderen über 180 Projekten weltweit. Der politische Kurs von linksunten wird von denjenigen bestimmt werden, die Artikel schreiben. Das Moderationskollektiv stellt lediglich die Plattform für die sozialen Gruppen zur Verfügung: von den Bewegungen für die Bewegungen.

Aber ausgerechnet das Freiburger Moderationskollektiv von Indymedia Deutschland ist im Frühjahr aus dem bundesweiten Zusammenhang ausgeschlossen worden. Ist das kein Hinweis darauf, daß es zwischen linksunten und dem großen Bruder kriselt?

Der große Bruder ist noch immer der Staat — de.indymedia.org aber ist ein befreundetes Projekt auf Augenhöhe. Die Differenzen der letzten Monate und der Ausschluß stehen einer konstruktiven Zusammenarbeit der beiden Projekte aus unserer Sicht nicht im Weg, und auch de.indymedia.org hat unser Gründungstreffen wochenlang auf der Startseite angekündigt. Abgesehen davon ist etwa Berlin weiter von linksunten entfernt als beispielsweise die Schweiz. Mit dem dortigen Indykollektiv arbeiten wir bereits zusammen.

Eine »Spaltung auf Schwäbisch«, wie unlängst Neues Deutschland schrieb, steht also nicht an?

Wieso betonen bisher alle kommerziellen Medien so sehr die Differenzen? In den Grundsätzen des Indymedia-Netzwerks heißt es: Indymedia »basiert auf den Prinzipien der Egalität, der Dezentralisierung und der lokalen Selbstbestimmung«. Wir wollen diese Prinzipien umsetzen und eine Alternative zu dem sein, was Noam Chomsky »massenmediale Konsensfabrik« nennt. Wir wollen eine Möglichkeit bieten, Informationen von links unten zu verbreiten: direkt und unkontrolliert.

Die tageszeitung mutmaßte, Ihnen gingen die inhaltlichen Eingriffe der Moderatoren bei Indymedia zu weit …

Auch bei linksunten wird es Modera­tionskriterien geben, die jedoch im Moment noch diskutiert werden. Aber wir werden nicht nur moderieren, sondern auch zensieren, denn Nazis wollen wir zum Beispiel keine Plattform bieten. Aber uns ist es sehr wichtig, daß transparent und nachvollziehbar moderiert wird.

Wird linksunten mit einer eigenen Internetpräsenz auftreten?

Wir haben den Organisationsprozeß begonnen und wollen unter linksunten.indymedia.org eine eigene Website aufbauen. Wir basteln gerade an einer Testseite und diskutieren inhaltlich auf regelmäßigen Treffen an verschiedenen Orten im Südwesten sowie über Mailinglisten und Chats. Die Ergebnisse fassen wir in einem öffentlichen Wiki unter autonome-antifa.org/imc zusammen. Die Zukunft des deutschsprachigen Indymedias liegt in der Syndication — wie synde.indymedia.org — also der Zusammenfassung aller Inhalte auf einer Website.

autonome-antifa.org/imc
de.indymedia.org

Quelle: junge Welt vom Freitag, 3. Juni 2008