Bundesregierung trifft Pegida-Mittelsmänner

Erstveröffentlicht: 
10.03.2015

Die Gruppe „Dialog 2015“ fühlt eine Unterwanderung der Politik, erwartet von ihr verständliche Antworten.

 

Die Bundesregierung ist bereit, mit Mittelsmännern von Pegida-Chef Lutz Bachmann Gespräche zu führen. „Wir sprechen mit allen Bürgerinnen und Bürgern“, teilte das Entwicklungshilfeministerium gestern mit. Wie die SZ berichtete, trifft sich ein Staatssekretär aus dem Haus von CSU-Minister Gerd Müller Ende des Monats mit einer Gruppe von Bürgern, die sich nach eigener Darstellung als „Scharnier zwischen Pegida und der Politik“ sieht und in direktem Kontakt zu Bachmann steht. Eine Sprecherin von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie habe ein solches Treffen „nicht weiter zu kommentieren“. Pegida-Chef Bachmann hieß die Verabredung gut. Mit ihm selbst wolle ja von den etablierten Parteien niemand reden, weil er medial verbrannt sei.

 

Die Bundesregierung hatte offizielle Gesprächskontakte mit den Dresdner Demonstranten, vor allem aber mit den Organisatoren der „Spaziergänge“ um Bachmann, abgelehnt. Merkel hatte in ihrer Neujahrsansprache vor Pegida gewarnt: „Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen.“ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte erklärt, die „kleine Minderheit“ der Pegida-Demonstranten „schadet Deutschland“. Justizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete es als „Schande für Deutschland“, dass bei den Dresdner Demonstrationen ausländerfeindliche Ressentiments ausgelebt würden. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatte den Besuch einer Gesprächsveranstaltung mit Pegida-Anhängern in Dresden als „privat“ deklariert.

 

26. März – „Tag der Fragen“


Inzwischen ist die Abgrenzung zu den Teilnehmern der Demonstrationen nicht mehr so scharf. Das Entwicklungshilfeministerium erklärte auf SZ-Anfrage, der beamtete Staatssekretär Friedrich Kitschelt komme der Anfrage des Dresdner Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz (CDU) nach und treffe sich mit den Bürgern in dessen Büro. Kitschelt, der seit vielen Jahren in der Bundesregierung in verschiedenen Positionen für Entwicklungspolitik zuständig ist, werde dort die Situation in den Heimatländern von Flüchtlingen darstellen.

 

Die Gruppe der 14 Bürger, die sich im Internet unter dem Titel „Dialog 2015“ präsentiert, verspricht sich offenbar mehr von dem Treffen. Sie proklamiert den 26. März als „Tag der Fragen an die Bundespolitik“. Die Autoren der Seite äußern die Hoffnung, den „zahlreich anwesenden Bundespolitikern“ zunächst zwölf Fragen „kurz und präzise“ stellen zu können, um „umfangreiche und für jedermann verständliche Antworten“ zu erhalten.

 

Die Besucher der Internetseite sind aufgerufen, per Abstimmung eine Rangliste dieser Fragen festzulegen. Gestern rangierte die Frage „Welchen langfristigen Plan hat die Bundespolitik, um die zu erwartenden stetig wachsenden Flüchtlingsströme nach Deutschland in den Griff zu bekommen?“ an erster Stelle.

 

Der Landesvorsitzende der Linken Rico Gebhardt warf der sächsischen CDU vor, „mit ihrer Umarmung eine rassistisch gefärbte außerparlamentarische Politik-,Marke‘ in Sachsen gesellschaftsfähig“ zu machen. Er rief die Bundes-CDU auf, „diesem Treiben Einhalt zu gebieten“. Ähnlich äußerte sich Christin Bahnert, Vorsitzende der Grünen in Sachsen: Die CDU in Sachsen werte durch ihre Gesprächsrunden mit Pegida-Anhängern eine Gruppe auf, „die fremdenfeindliche Stimmung macht und vor Gewalt nicht zurückschreckt“.

 

Der Dresdner CDU-Landtagsabgeordnete Lars Rohwer hatte der SZ anerkennend gesagt, Pegida sei es gelungen, „die Systemfrage wieder auf die Tagesordnung zu setzen“. In der Politik fehle es an Persönlichkeiten, die ihre Entscheidungen verständlich machen könnten, bemängelte der Berufspolitiker, der sich offenbar auch nicht in der Rolle sieht, Regierungsentscheidungen zu vermitteln.

 

Die 14 Bürger des „Dialog 2015“ bedauern diese Schwäche der sächsischen Landespolitiker ausdrücklich. „Wir waren resigniert darüber, dass Landespolitiker nach eigener Aussage nicht in der Lage sind, Antworten zu geben, ausschließlich auf die Bundespolitik verweisen und mitteilen, dass ihnen teilweise selbst Verständnis und Erklärbarkeit für aktuelle politische Handlungen fehlen“, schreiben die Initiatoren auf ihrer Internetseite.

 

Macht, Geld, Lobbyismus


Sie haben sich daher nach eigener Darstellung „an die Bundespolitik gewandt“ und erklärt, dass sie auf ihre Fragen Antworten erwarten, „welche für jedermann verständlich und begreifbar“ sein müssten. „Wir bleiben guten Mutes“, schreiben die Autoren von „Dialog 2015“, „in Berlin zu erfahren, dass unsere Ängste unbegründet sind und unsere Demokratie und die Politik unseres Landes nicht, wie aktuell gefühlt, unterwandert werden von Macht, Geld, Lobbyismus und dem Selbsterhaltungstrieb der ,oberen Zehntausend‘.“ Wenn der CDU-Abgeordnete Vaatz und Staatssekretär Kitschelt diese Unterwanderungsgefühle zerstreuen wollen, haben sie sich einiges vorgenommen.