Ein Gipfel für 130 Millionen

Erstveröffentlicht: 
10.03.2015

In der Abgeschiedenheit der bayerischen Bergwelt kommen im Juni die Mächtigen der Welt zum G-7-Treffen zusammen. Im luxuriösen Schlosshotel Elmau bereitet man sich auf alle Eventualitäten vor. Nur für die Gipfelgegner findet sich partout kein Platz.

 

Von Patrick Guyton

 

Elmau. Das macht was her: Da reist Steffen Seibert, Regierungssprecher in Berlin und einstiger ZDF-Moderator, eigens nach Garmisch, steht im knallvollen Kongresshaus am Mikrofon und sagt: "Welches Stück Deutschland wollen wir der Welt zeigen? Dies hier ist das beste, was man überhaupt anbieten kann." Das Publikum, alles Einheimische, applaudiert.


Natürlich gibt's auch die anderen. Die, die dagegen sind, wenn sich irgendwo auf der Welt die Regierungschefs der sieben größten Industrienationen zum G-7-Gipfel treffen. In diesem Sommer kommen sie am 7. und 8. Juni in einem bayerischen Hochtal zusammen. Am Valentinstag hat sich schon mal probehalber eine kleine Gruppe mit dem Schlachtruf "Gegen Militarisierung und Krieg" vor dem Gipfelhotel Schloss Elmau aufgebaut. Im nahen Mittenwald sucht "Stop G7 Elmau" noch Mitstreiter.


Das Problem ist nur: Es gibt keinen Platz für sie im Elmauer Tal. Schloss Elmau liegt, von Bergen umgeben, sechs Kilometer Luftlinie von Garmisch-Partenkirchen entfernt. Die Bundesregierung hat diesen abgeschiedenen Ort ausgesucht, weil er sich komplett abriegeln lässt.
Auch außerhalb des Tals scheint niemand die Protestler aufnehmen zu wollen. Seit Monaten sucht "Stop G7 Elmau" nach Flächen für ein Zeltlager, in dem 1000 bis 2000 Leute nächtigen können. Aber kein Bauer, keine Kommune will ihnen Flächen vermieten.


Die Einheimischen sind's zufrieden, dass "die Großkopferten" bei ihnen zu Gast sind. Die Charmeoffensive der Bundesregierung hat gegriffen. Die Garmischer und ihre Nachbarn, bekannt durch ihren Widerstand gegen Olympische Winterspiele, geben sich zahm. Vielleicht liegt es auch an der Aussicht auf ein schnelles Geschäft: 170 Zimmer gibt es in Elmau, es können also nur die Staats- und Regierungschefs, engste ­Berater und Dolmetscher dort nächtigen - alle anderen müssen Platz in den Hotels der Umgebung finden.


Mindestens 15000 Polizisten werden vor Ort sein, 3000 bis 4000 Journalisten, sowie die riesigen Delegationen aus den verschiedenen Ländern. 2007 war das letzte Treffen der Gruppe in Deutschland, damals noch mit dem jetzt ausgeschlossenen Russland als G8. Man versammelte sich im Seebad Heiligendamm an der Ostsee. Heiligendamm war geprägt von massiven Sicherheitsvorkehrungen - und lautem Protest.


Nun also bietet die oberbayerische Alpenwelt die Kulisse. Das Schlosshotel Elmau liegt auf 1008 Meter Höhe. Um von Garmisch aus hinzukommen, fährt man einen Bogen um den Berg herum. Für die Straße vom Örtchen Klais rauf nach Elmau ist eine Mautgebühr fällig: ­ 4 Euro für 5 Kilometer. Die Piste ist neu geteert wegen des Gipfels - aber nicht verbreitert, wie Seibert betont: "Der Naturschutz wird in jeder Facette ernst genommen." Diejenigen, die mit ihm zusammenarbeiten, meinen, dass dies aufrichtig ist. Andere sind empört, dass im Tal ein Hubschrauberlandeplatz angelegt wurde.


Von der Straße aus sieht man die mächtige Schlossanlage, ursprünglich erbaut in den Jahren 1914 bis 1916. Es ist ein Luxushotel, wie es luxuriöser kaum sein kann. Im Teesaal prasselt das Kaminfeuer, während Dalia Banerjee von dem verheerenden Brand erzählt, der im Jahr 2005 zwei Drittel der denkmalgeschützten Anlage zerstörte. Frau Banerjee ist ausgebildete Konzertpianistin. Jetzt arbeitet sie als PR-Referentin für das Schlosshotel.


"Das Bundespresseamt hat erstmals 2013 bei uns nachgefragt", erinnert sie sich. "Die Leute sagten, es gehe um eine Konferenz der Bundesregierung." Auf Elmau sei man nicht sonderlich begeistert gewesen, das Haus sei kein Konferenzhotel, sondern auf Urlaub und Erholung ausgerichtet. Nach zwei, drei Besuchen der Berliner sei klar geworden, dass hier der G-7-Gipfel stattfinden solle. Jetzt sagt die Pressefrau: "Das ist natürlich eine große Auszeichnung für uns." Und eine unschätzbare Werbung, wenn die Bilder aus der Alpenoase rund um die Welt gehen. Das Haus nennt sich "Luxury Spa & Cultural Hideaway" - Luxusbad und kulturelles Refugium.


Im Teesaal sitzt ein junger Mann mit Sweatshirt, Jeans und Baseballmütze, liest ein Buch. Andere Gäste kommen im Bademantel aus der Sauna. Eine Mutter hat ihren Säugling auf dem Arm und lässt sich einen Babybrei warm machen. Man dachte, dass es hier viel vornehmer, steifer zugeht. "Nein", sagt Dalia Banerjee. "Gerade diese Freiheit, so zu sein, wie man sein will, ist unser Luxus."


Das Haus hat mehrere Bäder und Saunen, bietet Yoga und Pilates an. Die Spa-Direktorin ist Ärztin, gerade ist ein Yogalehrer aus New York eingeflogen, der eine Woche lang Kurse für die Gäste gibt. Der große Konzertsaal ist eine Art Mittelpunkt der Anlage: gediegenes Holz an Boden und Wänden, auf einer Bühne erhöht steht ein Flügel. An der Mehrzahl der Abende gibt es hier hochwertige Klassik- und Jazzkonzerte oder Lesungen. "Ich bin mir sicher", sagt Banerjee, "dass der Saal für den Gipfel wichtig wird."


Es gibt sechs Restaurants auf Elmau, vom Kaminstüberl bis zum Gourmettempel. Werden die G-7-Teilnehmer hier speisen? Werden sie die Bäder benutzen? Wird es Musik geben? "Das wird alles sehr kurzfristig festgelegt werden", sagt Banerjee. Die 230-köpfige Hotelcrew wird flexibel sein müssen, wenn der US-Präsident ein Steak wünscht oder die Kanzlerin sich zum Vieraugengespräch in einen stillen Raum zurückziehen will.


Auf jeden Fall wird es Raum genug geben: Rechtzeitig wird ein Neubau mit sieben exakt gleichen Suiten fertig. Und das Hotel - Standardpreis 250 bis 1500 Euro für das Doppelzimmer pro Nacht - ist von der Bundesregierung nicht nur für die eine Gipfelnacht, sondern gleich für 14 Tage komplett gemietet worden.
"Das Vorurteil lautet ja, dass es bei solchen Treffen nur ein großes Palaver gibt", sagt Steffen Seibert. Er aber sage, dass diese Art der Veranstaltung einen "politischen Mehrwert" habe, wenn Politiker intensiv und persönlich ins Gespräch kämen. Es gibt viele Themen, die drängen: Ukraine-Krieg, islamistischer Terror, EU-Krise. Es wird aber auch um nachhaltiges Wachstum gehen und den Kampf gegen Armut.


Mit am wichtigsten bei der Vorbereitung ist die Sicherheit. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann preist da sich selbst an: "Sicherheit ist ein Markenzeichen Bayerns." Es soll kein Zaun um Elmau gebaut werden, doch die Wälder werden lückenlos überwacht. Scharfschützen werden postiert, über dem Schloss herrscht Flugverbot.


Alles in allem wird der Gipfel auf Schloss Elmau gute 130 Millionen Euro kosten - 45 Millionen trägt der Freistaat, den Rest der Bund. Das Digitalfunknetz und das Straßennetz rund um Elmau wurden massiv ausgebaut. Das Fünf-Sterne-Hotel selbst ist auf Staatskosten doppelt abgesichert: zweite Wasserleitung, zweite Gasleitung, zweite Internetleitung. Der Gipfel 2007 in Heiligendamm kostete rund 104 Millionen Euro. Das Tagungshotel Kempinski ist wenige Jahre später in Insolvenz gegangen.


Über einen kleinen Weg vom Schloss und über eine Brücke geht es zum Wanderparkplatz. Der war in schlechtem Zustand. Jetzt ist die riesige Fläche geteert, beim Gipfel landen hier die Hubschrauber. Steffen Seibert verspricht, dass der Platz danach richtig schön gestaltet wird. Es wird einer der geringsten Kostenpunkte sein fürs Gipfelspektakel.

 

14 Tage ist Schloss Elmau für G7 reserviert - nur eine Nacht schlafen die Gäste dort


15000 Polizisten sichern Gelände und Zufahrten zu dem Hochtal im Wettersteingebirge


45 Mio.Euro zahlt der Freistaat Bayern für neue Funknetze und Versorgungsleitungen

 


 

Die Tagungsorte der Mächtigen


Genua, Italien (2001): Bei schweren Ausschreitungen während des G-8-Gipfels von Genua wurden Hunderte Menschen verletzt, Autos und Gebäude zerstört - und ein Demonstrant von der Polizei erschossen. Diese Ereignisse waren ausschlaggebend für die Entscheidung, G-8-Treffen fortan an abgelegenen Orten zu veranstalten.


Gleneagles, Schottland (2005): Das Hotel Gleneagles nördlich von Edinburgh genießt bis heute den Ruf, eines der besten Golfhotels der Welt zu sein. Ein Schatten senkte sich 2005 über den G-8-Gipfel, der hier ausgetragen wurde: Während die Staats- und Regierungschefs in Schottland tagten, zündeten Attentäter in London mehrere Bomben.


Heiligendamm, Deutschland (2007): Das edle Grandhotel (Bild) im ältesten Seebad Deutschlands erlebte seit seiner Wiedereröffnung 2003 eine wechselvolle Geschichte: 2007 gingen die Bilder der G-8-Teilnehmer um die Welt. Schon zwei Jahre später stieg Betreiber Kempinski aus, 2012 meldete das Grandhotel Insolvenz an. 2013 fand sich ein neuer Inhaber.


L'Aquila, Italien (2009): Keine Zäune, keine Straßensperren - und vor allem keine Demonstranten. Italiens Premier Berlusconi lud die Regierungschefs 2009 auf das Kreuzfahrtschiff "MSC Fantasia" ein. In letzter Minute wurde umgebucht: Man traf sich in L'Aquila, um der vom Erdbeben zerstörten Region ein Zeichen der Hoffnung zu geben.


Toyako, Japan (2008): Ein 10000-­ Seelen-­Ort inmitten idyllischer Natur - das war Toyako (Bild) im hohen Norden Japans. Dann igelten sich die G-8-Staatenlenker im hochgesicherten Windsor-Hotel ein, Tausende Mitarbeiter und Journalisten im Tross - und verschwanden wieder. Aus dem erhofften Tourismusschub für das Windsor ist nie etwas geworden.


Lough Erne, Nordirland (2013): Man ist in Nordirland sehr stolz darauf, Ausrichter des G-8-Treffens gewesen zu sein: Besuchern der Internetseite des Lough Erne Resorts winken die Staats- und Regierungschefs noch auf einem Foto entgegen. Das Hotel gilt als bestes in Nordirland - leidet jedoch an seiner Lage: Die ist zwar wunderschön, aber extrem abgelegen.