In der Abgeschiedenheit der bayerischen Bergwelt kommen im Juni die Mächtigen der Welt zum G-7-Treffen zusammen. Im luxuriösen Schlosshotel Elmau bereitet man sich auf alle Eventualitäten vor. Nur für die Gipfelgegner findet sich partout kein Platz.
Von Patrick Guyton
Elmau. Das macht was her: Da reist Steffen Seibert, Regierungssprecher in Berlin und einstiger ZDF-Moderator, eigens nach Garmisch, steht im knallvollen Kongresshaus am Mikrofon und sagt: "Welches Stück Deutschland wollen wir der Welt zeigen? Dies hier ist das beste, was man überhaupt anbieten kann." Das Publikum, alles Einheimische, applaudiert.
Natürlich gibt's auch die anderen. Die, die dagegen sind, wenn sich
irgendwo auf der Welt die Regierungschefs der sieben größten
Industrienationen zum G-7-Gipfel treffen. In diesem Sommer kommen sie am
7. und 8. Juni in einem bayerischen Hochtal zusammen. Am Valentinstag
hat sich schon mal probehalber eine kleine Gruppe mit dem Schlachtruf
"Gegen Militarisierung und Krieg" vor dem Gipfelhotel Schloss Elmau
aufgebaut. Im nahen Mittenwald sucht "Stop G7 Elmau" noch Mitstreiter.
Das Problem ist nur: Es gibt keinen Platz für sie im Elmauer Tal.
Schloss Elmau liegt, von Bergen umgeben, sechs Kilometer Luftlinie von
Garmisch-Partenkirchen entfernt. Die Bundesregierung hat diesen
abgeschiedenen Ort ausgesucht, weil er sich komplett abriegeln lässt.
Auch außerhalb des Tals scheint niemand die Protestler aufnehmen zu
wollen. Seit Monaten sucht "Stop G7 Elmau" nach Flächen für ein
Zeltlager, in dem 1000 bis 2000 Leute nächtigen können. Aber kein Bauer,
keine Kommune will ihnen Flächen vermieten.
Die Einheimischen sind's zufrieden, dass "die Großkopferten" bei ihnen
zu Gast sind. Die Charmeoffensive der Bundesregierung hat gegriffen. Die
Garmischer und ihre Nachbarn, bekannt durch ihren Widerstand gegen
Olympische Winterspiele, geben sich zahm. Vielleicht liegt es auch an
der Aussicht auf ein schnelles Geschäft: 170 Zimmer gibt es in Elmau,
es können also nur die Staats- und Regierungschefs, engste Berater und
Dolmetscher dort nächtigen - alle anderen müssen Platz in den Hotels der
Umgebung finden.
Mindestens 15000 Polizisten werden vor Ort sein, 3000 bis 4000
Journalisten, sowie die riesigen Delegationen aus den verschiedenen
Ländern. 2007 war das letzte Treffen der Gruppe in Deutschland, damals
noch mit dem jetzt ausgeschlossenen Russland als G8. Man versammelte
sich im Seebad Heiligendamm an der Ostsee. Heiligendamm war geprägt von
massiven Sicherheitsvorkehrungen - und lautem Protest.
Nun also bietet die oberbayerische Alpenwelt die Kulisse. Das
Schlosshotel Elmau liegt auf 1008 Meter Höhe. Um von Garmisch aus
hinzukommen, fährt man einen Bogen um den Berg herum. Für die Straße vom
Örtchen Klais rauf nach Elmau ist eine Mautgebühr fällig: 4 Euro für 5
Kilometer. Die Piste ist neu geteert wegen des Gipfels - aber nicht
verbreitert, wie Seibert betont: "Der Naturschutz wird in jeder Facette
ernst genommen." Diejenigen, die mit ihm zusammenarbeiten, meinen, dass
dies aufrichtig ist. Andere sind empört, dass im Tal ein
Hubschrauberlandeplatz angelegt wurde.
Von der Straße aus sieht man die mächtige Schlossanlage, ursprünglich
erbaut in den Jahren 1914 bis 1916. Es ist ein Luxushotel, wie es
luxuriöser kaum sein kann. Im Teesaal prasselt das Kaminfeuer, während
Dalia Banerjee von dem verheerenden Brand erzählt, der im Jahr 2005 zwei
Drittel der denkmalgeschützten Anlage zerstörte. Frau Banerjee ist
ausgebildete Konzertpianistin. Jetzt arbeitet sie als PR-Referentin für
das Schlosshotel.
"Das Bundespresseamt hat erstmals 2013 bei uns nachgefragt", erinnert
sie sich. "Die Leute sagten, es gehe um eine Konferenz der
Bundesregierung." Auf Elmau sei man nicht sonderlich begeistert gewesen,
das Haus sei kein Konferenzhotel, sondern auf Urlaub und Erholung
ausgerichtet. Nach zwei, drei Besuchen der Berliner sei klar geworden,
dass hier der G-7-Gipfel stattfinden solle. Jetzt sagt die Pressefrau:
"Das ist natürlich eine große Auszeichnung für uns." Und eine
unschätzbare Werbung, wenn die Bilder aus der Alpenoase rund um die Welt
gehen. Das Haus nennt sich "Luxury Spa & Cultural Hideaway" -
Luxusbad und kulturelles Refugium.
Im Teesaal sitzt ein junger Mann mit Sweatshirt, Jeans und
Baseballmütze, liest ein Buch. Andere Gäste kommen im Bademantel aus der
Sauna. Eine Mutter hat ihren Säugling auf dem Arm und lässt sich einen
Babybrei warm machen. Man dachte, dass es hier viel vornehmer, steifer
zugeht. "Nein", sagt Dalia Banerjee. "Gerade diese Freiheit, so zu sein,
wie man sein will, ist unser Luxus."
Das Haus hat mehrere Bäder und Saunen, bietet Yoga und Pilates an. Die
Spa-Direktorin ist Ärztin, gerade ist ein Yogalehrer aus New York
eingeflogen, der eine Woche lang Kurse für die Gäste gibt. Der große
Konzertsaal ist eine Art Mittelpunkt der Anlage: gediegenes Holz an
Boden und Wänden, auf einer Bühne erhöht steht ein Flügel. An der
Mehrzahl der Abende gibt es hier hochwertige Klassik- und Jazzkonzerte
oder Lesungen. "Ich bin mir sicher", sagt Banerjee, "dass der Saal für
den Gipfel wichtig wird."
Es gibt sechs Restaurants auf Elmau, vom Kaminstüberl bis zum
Gourmettempel. Werden die G-7-Teilnehmer hier speisen? Werden sie die
Bäder benutzen? Wird es Musik geben? "Das wird alles sehr kurzfristig
festgelegt werden", sagt Banerjee. Die 230-köpfige Hotelcrew wird
flexibel sein müssen, wenn der US-Präsident ein Steak wünscht oder die
Kanzlerin sich zum Vieraugengespräch in einen stillen Raum zurückziehen
will.
Auf jeden Fall wird es Raum genug geben: Rechtzeitig wird ein Neubau mit
sieben exakt gleichen Suiten fertig. Und das Hotel - Standardpreis 250
bis 1500 Euro für das Doppelzimmer pro Nacht - ist von der
Bundesregierung nicht nur für die eine Gipfelnacht, sondern gleich für
14 Tage komplett gemietet worden.
"Das Vorurteil lautet ja, dass es bei solchen Treffen nur ein großes
Palaver gibt", sagt Steffen Seibert. Er aber sage, dass diese Art der
Veranstaltung einen "politischen Mehrwert" habe, wenn Politiker intensiv
und persönlich ins Gespräch kämen. Es gibt viele Themen, die drängen:
Ukraine-Krieg, islamistischer Terror, EU-Krise. Es wird aber auch um
nachhaltiges Wachstum gehen und den Kampf gegen Armut.
Mit am wichtigsten bei der Vorbereitung ist die Sicherheit. Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann preist da sich selbst an: "Sicherheit ist
ein Markenzeichen Bayerns." Es soll kein Zaun um Elmau gebaut werden,
doch die Wälder werden lückenlos überwacht. Scharfschützen werden
postiert, über dem Schloss herrscht Flugverbot.
Alles in allem wird der Gipfel auf Schloss Elmau gute 130 Millionen Euro
kosten - 45 Millionen trägt der Freistaat, den Rest der Bund. Das
Digitalfunknetz und das Straßennetz rund um Elmau wurden massiv
ausgebaut. Das Fünf-Sterne-Hotel selbst ist auf Staatskosten doppelt
abgesichert: zweite Wasserleitung, zweite Gasleitung, zweite
Internetleitung. Der Gipfel 2007 in Heiligendamm kostete rund 104
Millionen Euro. Das Tagungshotel Kempinski ist wenige Jahre später in
Insolvenz gegangen.
Über einen kleinen Weg vom Schloss und über eine Brücke geht es zum
Wanderparkplatz. Der war in schlechtem Zustand. Jetzt ist die riesige
Fläche geteert, beim Gipfel landen hier die Hubschrauber. Steffen
Seibert verspricht, dass der Platz danach richtig schön gestaltet wird.
Es wird einer der geringsten Kostenpunkte sein fürs Gipfelspektakel.
14 Tage ist Schloss Elmau für G7 reserviert - nur eine Nacht schlafen die Gäste dort
15000 Polizisten sichern Gelände und Zufahrten zu dem Hochtal im Wettersteingebirge
45 Mio.Euro zahlt der Freistaat Bayern für neue Funknetze und Versorgungsleitungen
Die Tagungsorte der Mächtigen
Genua, Italien (2001): Bei schweren Ausschreitungen während des G-8-Gipfels von Genua wurden Hunderte Menschen verletzt, Autos und Gebäude zerstört - und ein Demonstrant von der Polizei erschossen. Diese Ereignisse waren ausschlaggebend für die Entscheidung, G-8-Treffen fortan an abgelegenen Orten zu veranstalten.
Gleneagles, Schottland (2005): Das Hotel Gleneagles nördlich von
Edinburgh genießt bis heute den Ruf, eines der besten Golfhotels der
Welt zu sein. Ein Schatten senkte sich 2005 über den G-8-Gipfel, der
hier ausgetragen wurde: Während die Staats- und Regierungschefs in
Schottland tagten, zündeten Attentäter in London mehrere Bomben.
Heiligendamm, Deutschland (2007): Das edle Grandhotel (Bild) im
ältesten Seebad Deutschlands erlebte seit seiner Wiedereröffnung 2003
eine wechselvolle Geschichte: 2007 gingen die Bilder der G-8-Teilnehmer
um die Welt. Schon zwei Jahre später stieg Betreiber Kempinski aus, 2012
meldete das Grandhotel Insolvenz an. 2013 fand sich ein neuer Inhaber.
L'Aquila, Italien (2009): Keine Zäune, keine Straßensperren - und
vor allem keine Demonstranten. Italiens Premier Berlusconi lud die
Regierungschefs 2009 auf das Kreuzfahrtschiff "MSC Fantasia" ein. In
letzter Minute wurde umgebucht: Man traf sich in L'Aquila, um der vom
Erdbeben zerstörten Region ein Zeichen der Hoffnung zu geben.
Toyako, Japan (2008): Ein 10000- Seelen-Ort inmitten
idyllischer Natur - das war Toyako (Bild) im hohen Norden Japans. Dann
igelten sich die G-8-Staatenlenker im hochgesicherten Windsor-Hotel ein,
Tausende Mitarbeiter und Journalisten im Tross - und verschwanden
wieder. Aus dem erhofften Tourismusschub für das Windsor ist nie etwas
geworden.
Lough Erne, Nordirland (2013): Man ist in Nordirland sehr stolz
darauf, Ausrichter des G-8-Treffens gewesen zu sein: Besuchern der
Internetseite des Lough Erne Resorts winken die Staats- und
Regierungschefs noch auf einem Foto entgegen. Das Hotel gilt als bestes
in Nordirland - leidet jedoch an seiner Lage: Die ist zwar wunderschön,
aber extrem abgelegen.