Ziviler Ungehorsam gegen Strafverfolgung bzgl Residenzpflicht

Anhaltende repressive Strafverfolgung wegen zivilen Ungehorsams gegen die sog. Residenzpflicht in Schwäbisch Gmünd!

http://bambuser.com/v/5321128

Englisch: http://thecaravan.org/files/caravan/Ministerpr%C3%A4sident%20Winfried%20Kretschmann%20de-en.pdf

 

Herr Ministerpräsident…
Wir sind Flüchtlinge und politische Aktivisten aus verschiedenen Ländern (Nigeria, Kamerun, Afghanistan) und werden seit mehreren Jahren genötigt, im Isolationslager Schwäbisch Gmünd zu leben – zumindest so lange unsere Asylverfahren noch beim BAMF Karlsruhe „bearbeitet“ werden.

 

Wir möchten Sie hiermit über unsere bald anzutretenden Haftstrafen informieren. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen (Strafvollstreckungs- und Gnadenabteilung) hat uns diese Erzwingungshaftstrafe – trotz der angeblich nicht mehr geltenden „Residenzpflicht“ – nach Gerichtsentscheid durch das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd auferlegt. Wir fordern eine sofortige Intervention bei den verantwortlichen Verwaltungsbehörden und Strafverfolgungsorganen gemäß Grundgesetz Artikel 17, um eine anhaltende Kriminalisierung sowie weitere Anklagen und Strafverfolgung wegen der abgeschafften Residenzpflicht zu verhindern, indem die Haftstrafen gegen uns und andere Betroffene widerrufen bzw. fallengelassen werden.

 

Am 17. April 2014 reisten wir von Schwäbisch Gmünd mit dem Zug nach Jena, um an einem politischen Workshop zu selbstorganisiertem Widerstand gegen staatliche Menschenrechtsverletzungen teilzunehmen, welcher von 'The VOICE Refugee Forum' organisiert wurde. Auf unserem Weg dorthin wurden wir im Zug von zwei Polizeibeamten der Bundespolizei nach rassischen Kriterien kontrolliert. Diese setzten uns über die Verletzung der sog. „Residenzpflicht“ in Kenntnis, konnten aber keine Angaben zum Strafmaß machen, da dieses in die Verantwortung der Behörden der Stadt Schwäbisch Gmünd fallen würde.

 

Im Juni 2014 erreichten uns Bußgeldbescheide der Stadt Schwäbisch Gmünd. In diesen wurden wir aufgefordert jeweils 103 Euro und 50 Cents (inklusive Gebühren und Auslagen) zu bezahlen. Als Grund wurden jeweils Verstöße gegen die damals exklusiv in Deutschland geltende „Residenzpflicht“ angegeben. Wir weigern uns aus ganz prinzipiellen Gründen, dieser Zahlungsaufforderung Folge zu leisten, da sie eine klare Verletzung unserer Grundrechte auf Selbstbestimmung, Bewegungsfreiheit und politischer Betätigung darstellt, die entsprechend der Artikel 1 (Absätze 2 und 3), 2, 3 (Absätze 1 und 3) und 19 (Absatz 2) des Grundgesetzes verfassungsmäßig festgeschrieben sind und sich darüber hinaus auch durch die Ratifizierungen der Internationalen und Europäischen Menschenrechtskonventionen ergeben.

 

Unsere Beweggründe und eine Forderung die Anklage fallen zu lassen, haben wir in einer öffentlichen Erklärung an die Stadtverwaltung und Behörden in Schwäbisch Gmünd dargelegt (hxxps://de-de.facebook.com/refugeesinitiative/posts/633210956792039 – s. Anlage). Das Verfahren wurde jedoch ohne Antwort weiter fortgeführt und wir weiterhin vor die Wahl gestellt, entweder Strafe für unser Grundrecht auf Bewegungsfreiheit zu bezahlen oder uns genau diese komplett nehmen zu lassen und so lange ins Gefängnis zu gehen, bis wir dann doch bereit sein könnten, zu bezahlen. Das können für uns keine Alternativen sein.

 

Wir haben die konsequente Weiterführung des Verfahrens nun miterlebt: Die konstante Erhöhung der zu leistenden Strafzahlungen bis hin zur Aufforderung uns in Ellwangen zu einer dreitägigen Erzwingungshaftstrafe zu melden, da wir die Strafe nicht gezahlt haben. Diese drei Tage Haft zählen aber nicht zur Begleichung der Strafe!

Wir unterstreichen unseren Standpunkt, dass wir keinem Gesetz Folge leisten werden, dass uns in unseren Grundrechten einschränkt! Darüber hinaus machen wir Sie darauf aufmerksam, dass die entsprechenden, aktuellen Änderungen des Asylverfahrensgesetzes auch nicht etwa durch den „guten Willen“ des Gesetzgebers oder gar „freiwillige“ politische Einsicht zustande kam, sondern vielmehr auf den vielfach geleisteten, konsequenten, zivilen und legalen Ungehorsam von betroffenen Aktivisten auf allen politischen und juristischen Ebenen zurückzuführen ist.

Bereits vor der (ausdrücklich nur teilweisen!) „Abschaffung der Residenzpflicht“ in Deutschland sahen wir eben dieses Gesetz als ein Apartheid-Gesetz zur systematischen Isolierung von geflüchteten Menschen aus der deutschen Zivilgesellschaft an.
Wir haben dazu in der o.g. Erklärung veröffentlicht, dass wir für unser Recht auf Bewegungsfreiheit nicht zahlen werden – und übrigens auch gar nicht können. Wir sind sehr wütend darüber, dass wir uns auch weiterhin einer Strafverfolgung ausgesetzt sehen müssen, nur weil wir von unserem Recht auf Bewegungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.

Gerade Sie, Herr Kretschmann, haben ja Ihre Zustimmung zur – in Ihrer eigenen Partei höchst umstrittenen – „Asylrechtsreform“ u.a. explizit mit der „Abschaffung der Residenzpflicht“ begründet! Speziell vor dem Hintergrund der „substantiellen“ Begründung Ihrer Kompromissbereitschaft bezüglich der bereits im Regierungsprogramm der Großen Koalition angekündigten „Asylrechtsreform“ ist es eine Schande, dass Menschen in Ihrem eigenen Bundesland selbst nach Inkrafttreten der entsprechenden Gesetzesänderungen noch immer mit uneinsichtiger Härte bis hin zur Erzwingungshaft verfolgt und kriminalisiert werden!

Unsere Entscheidung, nicht für unser Recht auf Bewegungsfreiheit, für unsere politischen Überzeugungen und unsere Menschenwürde bezahlen zu wollen, ist eine Gewissensentscheidung, die nicht verhandelbar ist.
Wie stehen Sie zu Ihren Entscheidungen, Herr Kretschmann?

In der Anlage haben wir uns erlaubt, die beteiligten Verantwortungsträger aufzulisten. Den dort gelisteten Behörden und Amtsträgern wird dieses Schreiben in Kopie zugestellt werden.

Mit ungebrochen freiheitsliebenden Grüßen
Paul Akhamiojie
Leke Aremu
Ahmad Haidari
Stanley Inegbenosa
Farooq Khan
Frankline Ndam
James Ogoloma
Efe Omorogbe
Raphael Paul
Ernest Uwaila

Anlagen:
Erklärung vom 21.08.2014: „Die Stadt Schwäbisch Gmünd droht Flüchtlingsaktivisten wegen Residenzpflichtsverletzung mit Haft“



List and contacts of responsible authorities involved
Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Staatsministerium Baden-Württemberg
Villa Reitzenstein
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart

Fax: +49 711 2153-340
Mail: poststelle@stm.bwl.de

Minister Reinhold Gall
Innenministerium Baden-Württemberg
Willy-Brandt-Str. 41
70173 Stuttgart

Telefon: 0711/231-4
Fax: 0711/231-5000
E-Mail: Poststelle@im.bwl.de

Ministerin Bilkay Önay
Ministerium für Integration Baden-Württemberg
Thouretstraße 2
70173 Stuttgart

Telefon: 0711-33503-0
Fax: 0711 - 33503-444
Mail: poststelle@intm.bwl.de

Regierungspräsidium Stuttgart
Ruppmannstraße 21
70565 Stuttgart

Telefon: 0711 904-0
Telefax: 0711 904-11190
Mail: poststelle@rps.bwl.de

Landratsamt Ostalbkreis
Landrat Klaus Pavel
Stuttgarter Straße 41
73430 Aalen

Telefon: 07361 503-1200
Telefax: 07361 503-581200
E-Mail: klaus.pavel@ostalbkreis.de

Landratsamt Ostalbkreis
Dezernat V - Arbeit, Jugend und Soziales
Josef Rettenmaier
Stuttgarter Straße 41
73430 Aalen

Telefon: 07361 503-1464
Telefax: 07361 50358-1464
E-Mail: josef.rettenmaier@ostalbkreis.de

Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd
Oberbürgermeister Richard Arnold
Marktplatz 1
73525 Schwäbisch Gmünd
Telefon: 07171 603-1000
Telefax: 07171 603-1019
Mail direkt: richard.arnold@schwaebisch-gmuend.de
Mail allgemein: stadtverwaltung@schwaebisch-gmuend.de

Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd
Dezernat 3 - Bildung, Finanzen, Sport, Soziales, Rechts- und
Ordnungsverwaltung
Erster Bürgermeister Dr. Joachim Bläse
Marktplatz 37
73525 Schwäbisch Gmünd

Telefon: 07171 603-3000
Telefax: 07171 603-3009
Mail: joachim.blaese@schwaebisch-gmuend.de
Dezernat: dezernat3@schwaebisch-gmuend.de

Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd
Leiter des Rechts- und Ordnungsamtes
Gerd Hägele
Waisenhausgasse 1-3
73525 Schwäbisch Gmünd

Telefon: 07171 603-3210
Telefax: 07171 603-3299
Mail: gerd.haegele@schwaebisch-gmuend.de
Amt: ordnungsamt@schwaebisch-gmuend.de

Staatsanwaltschaft Ellwangen
LOStA Andreas Freyberger
Marktplatz 6
73479 Ellwangen

Telefon: 07961 81-0
Telefax: 07961 81-338
Mail: poststelle@staellwangen.justiz.bwl.de

Amtsgericht Schwäbisch Gmünd
Direktor des Amtsgerichts
Klaus Mayerhöffer
Rektor-Klaus-Strasse 21
73525 Schwäbisch Gmünd

Sekretariat: (07171) 602 - 501
Telefax: (07171) 602 � 571 und 542
Mail: poststelle@AGSchwGmuend.justiz.bwl.de