Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verteidigt die Sondereinheit und kritisiert die Landesdirektion
Dresden. Die Landesdirektion hat bei der eiligen Anmietung von
Asylbewerberunterkünften Fehler gemacht - allerdings in guter Absicht
gehandelt. Das sagt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (50, CDU). Im
Interview spricht er zudem über das Leipziger Demo-Verbot, kriminelle
Asylbewerber und Neueinstellungen bei der Polizei.
Der Asyllenkungsausschuss ist schleppend angelaufen. Hinzu kommen
Fehlinformationen der Landesdirektion in Böhlen und in Leipzig. Welche
Änderungen wollen Sie als übergeordnete Behörde vornehmen?
Deswegen ist die Kommunikation jetzt geändert worden. Die
Landesdirektion hat in der guten Absicht gehandelt, den Druck auf die
Kommunen nicht zu groß werden zu lassen. Es wurden teilweise falsche
Versprechungen gemacht und Eigentore geschossen. In Böhlen zum Beispiel
damit, dass die Asylbewerber nur übers Wochenende einquartiert werden
sollten. Jetzt wird einiges anders geregelt: Wir gehen mit der
angemieteten maximalen Kapazität und Zeitdauer zu Bürgermeistern und
Landräten - und auch in die Öffentlichkeit.
Sie sprechen immer wieder von Vertrauen und Akzeptanz: Wie konnte es
passieren, dass in Böhlen ein Ex-Republikaner den Zuschlag für das
Ausweichquartier erhielt?
Das ist ein Sonderfall. Der Vertrag läuft bis Ende April, dann sehen
wir weiter.Wir können nicht in jeden Kopf der Betreiber von
Asylbewerber-Unterkünften hineinschauen. Die Landesdirektion wird
momentan von den unerwartet hohen Flüchtlingszahlen getrieben. Nach
einigen Schwierigkeiten sind wir auf einem guten Weg. Im Juli wird in
der Leipziger Friederikenstraße eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 350
Plätzen geöffnet, das wird noch mal Entlastung bringen. Dann folgen
weitere Unterkünfte 2017 in Dresden und Leipzig.
Bis dahin sind es zwei Jahre. Werden also weitere Interimslösungen nötig sein?
Darüber werden wir gegebenenfalls reden müssen. Ich möchte in Sachsen
jedenfalls nicht die Situation wie aktuell in anderen Bundesländern, wo
Zelte aufgestellt beziehungsweise Gebäude beschlagnahmt werden mussten.
Die Flüchtlinge sollen bei uns menschenwürdig untergebracht werden, auch
wenn es momentan einen großen Zustrom gibt. Auf der anderen Seite, und
das gehört auch zur Wahrheit, müssen wir denjenigen Asylbewerbern auf
die Finger klopfen, die sich nicht an Recht und Ordnung halten.
Wenn man sich die realen Kriminalitätszahlen bei Asylbewerbern
anschaut, könnte in der Öffentlichkeit leicht ein falsches Bild
entstehen - die Straftaten sind längst nicht überdurchschnittlich
gegenüber Deutschen.
Ich sehe es genau andersherum. Es gibt in der Bevölkerung einen großen
Irrglauben: Die gefühlte Kriminalität von Asylbewerbern ist weit höher,
als es die realen Zahlen wiedergeben, da steigt der geschätzte Anteil
von tatsächlichen drei Prozent schon mal auf 30 bis 40 Prozent. Es geht
bei der Arbeitsgruppe zu den Mehrfachtätern auch nur um diejenigen
Asylbewerber, die innerhalb eines Jahres mehr als fünf Mal straffällig
geworden sind. Insgesamt wollen wir mit dieser konsequenten
Strafverfolgung die Akzeptanz von Migranten in der Bevölkerung erhöhen.
Momentan ist doch eher die Meinung weit verbreitet, dass Asylbewerber
machen können, was sie wollen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen
werden. Um es klar zu sagen: Die Mehrzahl der Asylbewerber hält sich an
Recht und Ordnung. Und im Übrigen: Wir schauen uns auch sehr genau
Übergriffe auf Asylbewerber und Flüchtlingsheime an. Das wird im
Operativen Abwehrzentrum in Leipzig konzentriert.
Stichwort Leipzig: Wegen der Absage einer Legida-Demonstration hat
es zwischen Ihnen und Polizeipräsident Merbitz hörbar geknirscht.
Herrschte tatsächlich kein polizeilicher Notstand?
In solchen Situationen gibt es immer mal Spannungen. Natürlich gab es
keinen polizeilichen Notstand, es hätte nur ein anderes Konzept zur
Absicherung gebraucht. Es kann doch nicht sein, dass die
Versammlungsfreiheit nur mit 3000 oder 4000 Polizisten zu gewährleisten
ist. Die Stadt Leipzig hat Spielräume, die sie ausnutzen muss. Außerdem
kann sie entsprechende Beschränkungen für beide Seiten erlassen. Die
Besonderheit von Leipzig ist, dass es auch eine starke linksautonome
Szene gibt. Der Oberbürgermeister hat sich mit der Absage einen
Bärendienst erwiesen - es hätte nicht eine Seite bevorzugt werden
dürfen. Das Bild, das vermittelt wurde, war verheerend.
Beim Blick auf die künftigen Altersabgänge bei der Polizei fällt
auf, dass möglicherweise die 400 Neueinstellungen pro Jahr nicht
ausreichen werden. Wollen Sie hier noch mal nachlegen?
Bis 2018 wird diese Größenordnung ausreichen, hinzu kommen in diesem
und im nächsten Jahr jeweils 50 Spezialisten, darunter auch
IT-Fachleute. Das Geld dafür wurde in den neuen Haushalt eingestellt,
der gerade vom Landtag beraten wird. Dank einer großen Werbekampagne
können wir den Einstellungskorridor jetzt quantitativ und qualitativ
ausschöpfen, die Bewerberzahlen haben sich im vergangenen Jahr auf 8000
verdoppelt. Doch wir wissen schon heute: Ab 2019 werden mehr als 500
Beamte pro Jahr in den Ruhestand gehen - diesen großen Schnitt haben wir
im Blick.
2019, wenn der große Schnitt droht, wollen Sie längst
Oberbürgermeister in Dresden sein. Für die Wahl am 7. Juni soll es auch
einen Pegida-Kandidaten geben. Wie werden Sie sich abgrenzen?
Bei Wahlen gilt immer: Personen und Programme entscheiden. Da wollen
wir bei Pegida mal sehen, was kommt. Mit Pegida habe ich eigene
Erfahrungen gesammelt und auch eigene Entscheidungen getroffen, zu denen
ich heute noch stehe. Die Bürger sollen entscheiden, wen sie als OBM
haben wollen.
Sie stehen als Innenminister deutlich stärker im Fokus als Ihre
Mitbewerber. Denken Sie, dass ein Wahlkampf nebenbei möglich sein wird?
Ich bin viel und schwere Arbeit gewohnt, und das wird auch der Anspruch
in den kommenden vier Monaten sein. Das Amt werde ich deswegen nicht
ruhen lassen. In den letzten Wochen des Wahlkampfs, im Mai, werde ich
aber Urlaub nehmen und mich aus dem Ministerium komplett rausnehmen.
Interview: Jürgen Kochinke, Andreas Debski
Was Innenminister Ulbig weiter zu den Themen Asyl und Polizeireform sagt, lesen Sie unter: www.lvz-online.de/download