Mehr als Paragrafen

Erstveröffentlicht: 
19.02.2015

Beim Projekt Leipziger Refugee-Law-Clinic werden Flüchtlinge von Studenten in Rechtsfragen beraten

Von Josephine Heinze


Syrien, Ukraine, Mali - weltweit gibt es viele Orte, an denen gewaltsame Konflikte wüten. Die Folge sind eine Vielzahl von Menschen, die in einem anderen Land nach Sicherheit und Stabilität suchen. Auch in Leipzig kommen immer mehr Asylbewerber an. Dabei wird oft über Zahlen gesprochen, selten jedoch über den einzelnen Menschen. Um Abhilfe zu schaffen, haben Leipziger Studenten eine Flüchtlingsberatung gegründet.


"Wir sind durch einen Zeitungsartikel auf die Refugee-Law-Clinic in Köln aufmerksam geworden. Damals war gleich der Gedanke da, das wir das auch in Leipzig brauchen", erzählt Laura Thimm-Braun. Die 22-jährige Jurastudentin ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins. "Allerdings haben wir ganz flache Hierarchien, sind an sich alle gleichberechtigt", erklärt Thimm-Braun. Gemeinsam mit etwa fünf anderen Studenten hat sie den Leipziger Ableger der Refugee-Law-Clinic gegründet.


Das Konzept dahinter ist einfach: Freiwillige - in erster Linie Studenten - beraten kostenlos Flüchtlinge in Rechtsfragen. Dazu lernen die zukünftigen Berater zunächst die wichtigsten Grundlagen des Asyl- und Aufenthaltsrechts, bereiten sich mit Fallbesprechungen und Lösungskizzen auf reale Fälle vor und hospitieren bei bereits bestehenden Flüchtlingsberatungen.


Die Vorbereitungen für das Projekt und die Ausbildung zu Flüchtlingsberatern haben einiges an Zeit beansprucht. Von der Idee des Vereins im Frühjahr 2013 bis zur Gründung im April 2014 mussten die Teilnehmer viel organisieren. "Im April wollen wir nun endlich mit den Beratungen beginnen", freut sich Katharina Ullherr. Die 20-jährige Politikstudentin hat sich bereits zur Beraterin ausbilden lassen. Wie genau allerdings der Kontakt zu den Flüchtlingen entsteht, klärt der Verein momentan mit der Stadt. "Wir werden versuchen, einen regelmäßigen Termin zu bekommen, an dem wir in die Heime fahren. So können die Asylbewerber Vertrauen aufbauen und wissen, dass wir da sind."


Beraten wird dann auf Deutsch, mit Hilfe von Übersetzern. Auch sie sind meist Studenten und oftmals zweisprachig aufgewachsen. "Es ist besser, in der Muttersprache beraten zu werden. Man kann so ein ganz anderes Verhältnis zu den Flüchtlingen aufbauen und sie erzählen auch mal etwas, das für den Fall vielleicht nicht so entscheidend ist. Aber es ist wichtig, dass ihnen jemand zuhört", weiß Ullherr, die schon bei Beratungsstellen hospitierte - beispielsweise im Asylbewerberheim in der Torgauer Straße.


Um den Bezug zum Menschen nicht zu verlieren, geht es in den Vorlesungen und Tutorien nicht nur um Paragrafen. "Wir lernen wirklich die ganze Lage zu erfassen, uns auf die Situation einzulassen", so Thimm-Braun. Fachliche Unterstützung bekommt die Law-Clinic von einer auf Asylrecht spezialisierten Anwältin, zwei Bundesverwaltungsrichtern und dem Schirmherren des Vereins, dem Juraprofessor Christoph Enders.


Die Mitglieder der Refugee-Law-Clinic kommen aus allen Fachrichtungen - von Afrikanistik über Wirtschaft hin zu Ethnologie. Wer selbst nicht beraten möchte, kann das Team bei der Organisation unterstützen. "Wir sind auch kein reines Uni-Projekt - das interdisziplinäre Arbeiten ist gerade das Schöne", findet Ullherr und Thimm-Braun ergänzt: "So machen wir das eben nicht nur für die Uni, weil es vielleicht Creditpoints darauf gibt - sondern für die Flüchtlinge."