Kommunen drängen auf mehr Informationen über Asylbewerber

Erstveröffentlicht: 
17.01.2015

Welches Land, welche Religion? Bürgermeister und Landräte wollen zügiger als bisher über Flüchtlinge Bescheid wissen

Von Winfried Mahr


Nossen. Die Kleinstadt im südlichen Kreis Meißen platzte gestern aus allen Nähten. Drohende Überfremdung oder Islamisierung, wie manch desorientierter Freizeit-Patriot reflexartig argwöhnen könnte, war in Nossen mitnichten der Grund. Das Zentrum der 10800 Einwohner zählenden Stadt war zugeparkt von Hunderten mehr oder minder bescheidenen Karossen aus ganz Sachsen und Berlin, weil sich über 200 Bürgermeister, Landräte und Minister im Ballhaus "Sachsenhof" ein Stelldichein gaben.


Deren Diskurse drehten sich um die bestmögliche Asylbewerber-Unterbringung. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen "geht es nicht um das Ob, sondern das Wie", betonte Innenminister Markus Ulbig (CDU) im Anschluss. Die Konferenz habe das klare Signal gegeben, "den eingeschlagenen Weg zu gehen." Es müsse deutlich schneller als bisher geklärt werden, wer Anspruch auf Asyl habe, um die Menschen dann menschenwürdig integrieren zu können. Die zweite Seite der Medaille sei: "Wer keinen Anspruch hat und unter keinerlei Schutzgebot fällt, ist ausreisepflichtig", so Ulbig. "Und wenn dieser Ausreisepflicht nicht nachgekommen wird, muss sie gegebenenfalls mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden."


Von Natur aus deutlich moderatere Töne schlug Sachsens Integrationsministerin Petra Kipping (SPD) an, die die Hilfe für Flüchtlinge als "unsere gemeinsame Aufgabe" beschrieb, die durchaus lösbar ist". Dabei lasse der Freistaat die Kommunen nicht allein. Aufgrund vereinbarter Aufteilungsschlüssel in den Landkreisen könne sich aber auch "keiner mehr einfach wegducken".


Die Bürgermeister hätten ihre Probleme bei der Unterbringung der Asylbewerber deutlich gemacht, sagte Christian Schramm (CDU), Oberbürgermeister von Bautzen und Präsident des sächsischen Städte- und Gemeindetages. Dabei nannte er vor allem die bisher zu kurze Zeitspanne zwischen der Ankündigung, dass Asylbewerber untergebracht werden müssten, und deren Eintreffen. Auch sei bei der Verteilung eine bessere Mischung von Flüchtlingsfamilien und alleinstehenden Männern wünschenswert. Zudem seien finanzielle Hilfen für die Gemeinden nötig, die bisher nicht von der Investitionspauschale des Freistaates profitierten, sagte Schramm. Landkreise und kreisfreie Städte erhalten in diesem Jahr 18 Millionen Euro für Investitionen in die Unterbringung.


Der Vize-Chef des Landkreistages und Meißener Landrat Arndt Steinbach (CDU) sagte, dass die Gemeinden früher und detaillierter über die ankommenden Flüchtlinge informiert werden sollen. Allzu oft sei kurz vor Ankunft der Flüchtlinge nur deren Namen übermittelt worden. "Wir wussten nicht, ob es sich um Mann, Frau oder Kind handelt. Und schon gar nicht, welcher Religion die Asylbewerber angehörten", beklagte er.


2014 wurden in Sachsens Erstaufnahmeeinrichtung 11786 neue Asylbewerber registriert. Laut dem Innenministerium Ende November 14015 Asylbewerber in Sachsen. Angesichts der bei Demonstrationen in Dresden und Leipzig zutage getretenen Kritik und Verunsicherung bat Ministerin Köpping die Oberhäupter der Kreise, Städte und Gemeinden, "dass Kommunen offensiver in die Diskussion mit der Bevölkerung eintreten." Die Bürger wollten klipp und klar wissen, was auf sie zukomme.


An der gestrigen Asylkonferenz nahmen auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (beide CDU) und der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, teil. Und als die mit ihren schwarzen Dienstwagen nach drei Stunden mit Blaulicht aus der Stadt rollten, zog endlich wieder die gewohnte Ruhe und Ordnung ein in den Gassen rings um das beschauliche Nossener Schloss. Vorerst zumindest.

 


 

Ulbig will mit Spitzen von Pegida reden


Innenminister Markus Ulbig (CDU) will mit den Pegida-Organisatoren reden. Er sei zum Dialog bereit auf allen Ebenen, sagte er gestern in Nossen. Bisher hatte Ulbig dies nur mit Teilnehmern der wöchentlichen Demonstrationen der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes gesucht. "Ich habe mich entschieden, die Vorbehalte beiseite zu stellen." Die Antwort zeige, "dass ich nicht mehr zwischen Anhängern und Organisatoren unterscheide".

 


 

Flüchtlinge sollen in Ex-KZ-Außenlager


Schwerte im Ruhrgebiet will Flüchtlinge auf dem Gelände einer ehemaligen Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald unterbringen. 21 Asylbewerber sollen in einer alten Baracke unterkommen, die vor Jahren schon Flüchtlingen und zuletzt Künstlern als Domizil diente. Die Baracke sei aber erst in den fünfziger Jahren entstanden, erklärte gestern die Stadt. Das habe die Auswertung von Luftbildaufnahmen ergeben. Die Lagergebäude wurden zuvor abgerissen.