Aufruf gegen die Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes

Asylgesetz

Flucht ist kein Verbrechen - neuen Gesetzentwurf stoppen!
Die rassistischen Zustände spitzen sich zu. Während es seit Jahren selbstorganisierte Kämpfe von Geflüchteten und Unterstützer*innen gibt, formieren sich in verschiedenen Städten rassistische Bürgerinitiativen. Angriffe auf Unterkünfte von Geflüchteten nehmen zu. In der öffentlichen Debatte wird ein "Flüchtlingsproblem" heraufbeschworen. Das Bundesinnenministerium trägt seinen Teil dazu bei und will nun die rechte Hetze in Gesetzesform gießen. In den nächsten vier Wochen soll die gravierendste Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes seit der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl Anfang der 90er Jahre verabschiedet werden. Und kaum jemand spricht darüber!


Durch die geplanten Gesetzesänderungen werden Menschen ohne deutschen Pass weiter kriminalisiert und stigmatisiert. Die willkürliche, schon in der heutigen Praxis fest verankerte Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Fluchtgründen soll ausgebaut werden. Konkrete solidarische Hilfe würde nahezu unmöglich gemacht. Für die Betroffenen hieße das: Massenhafte Inhaftierungen, Ausweitung von Arbeitsverboten und Leistungskürzungen sowie ausweglose Kettenduldungen anstatt eines dauerhaften Bleiberechts.


Noch ist es möglich, dass eine breite Bewegung das rassistische Vorhaben zu Fall bringen kann. Am 4. Dezember soll das Gesetz vom Kabinett verabschiedet werden; Anfang Januar 2015 soll es vom Bundestag beschlossen werden. Wir wollen mit diesem Aufruf die fatalen Konsequenzen dieses Gesetzesentwurfs bekannt machen und rufen zu einem breiten Widerstand auf. Werdet jetzt aktiv!


Das sind die schwerwiegendsten Auswirkungen:


1. Kriminalisierung und Massen-Inhaftierung von Asylsuchenden


Das geplante Gesetz soll definieren, was eine "erhebliche Fluchtgefahr" ist. Dabei wird diese sehr breit definiert. Im Ergebnis fallen dann alle Personen darunter, die auf ihrem Weg in die BRD in einem anderen EU-Staat offiziell registriert wurden. Da es fast nicht möglich ist, in die BRD zu flüchten, ohne einen anderen EU Staat zu durchqueren, trifft dies derzeit auf 2/3 aller Asylsuchenden zu. Zusammen genommen mit den bisherigen Haftgründen, können de facto alle Geflüchteten inhaftiert werden. Mit dem Gesetzesvorhaben wird Flucht zu einem Verbrechen gemacht und Inhaftierung zur Regel.


2. Generelle Unterstellung des Sozialhilfebetrugs für abgelehnte Asylsuchende


Nach dem Gesetzesentwurf wird Geflüchteten, deren Asylanträge als "offensichtlich unbegründet", "unbeachtlich" oder "unzulässig" abgelehnt wurden, pauschal Sozialhilfebetrug vorgeworfen. Dabei wird ein Asylantrag beispielsweise schon dann als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, wenn er nicht fristgerecht gestellt wurde. Welche Personengruppen aus welchen Staaten im Asylverfahren anerkannt werden und welche nicht, unterliegt ohnehin weitgehend politischen Entscheidungen. Das wurde zuletzt mehr als deutlich bei der Vorgabe des BMI, die Asylanträge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, den neuen „sicheren“ Herkunftsstaaten, generell abzulehnen. Dies geschah, obwohl eine Verfolgung von Roma in Südosteuropa erwiesen ist. Hier setzt das Ministerium fest, wer erwünscht ist und wer nicht. Dabei muss klar sein: Ein abgelehnter Asylantrag bedeutet nicht, dass die Betroffenen gefahrlos in ihre Heimatländer zurückkehren können. Die Ablehnung eines Asylantrags bedeutet lediglich, dass der deutsche Staat die Fluchtgründe der Betroffenen nicht anerkennt.


Mit der Unterstellung des Sozialleistungsbetrugs rechtfertigt das BMI weitere Beschränkungen. So sollen Arbeitsverbote, Leistungskürzungen, Einreise- und Aufenthaltsverbote damit einhergehen.


3. Mehr Kettenduldung - weniger Bleiberecht


Eine Duldung ist kein Aufenthaltsstatus. Sie verschließt den Zugang zu grundlegenden Menschenrechten wie Arbeit und normale Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen die Betroffenen dauerhaft in der Angst leben, bald abgeschoben zu werden. Das betrifft Personen, die keinen Pass haben oder bei denen eine Abschiebung nach Ablehnung ihres Asylantrages faktisch nicht möglich ist, etwa weil sie unter einer schweren Erkrankung leiden und dies von deutschen Gerichten anerkannt wurde. Bisherige Möglichkeiten, nach einer gewissen Zeit einen Aufenthaltsstatus zu erwerben, entfallen. Diese Personen würden auch nicht von der geplanten Bleiberechtsregelung profitieren. Mit den Plänen des BMI werden geduldete Personen, selbst wenn sie langfristig in der BRD leben, dauerhaft entrechtet. Durch die Erweiterung des Aufenthaltsverbotes werden Menschen wieder langfristig in der Duldung gefangen gehalten.


4. Bei der Ausweisung: Menschenrechte werden zum Privatinteresse degradiert


Der Gesetzentwurf ist Ausdruck eines gravierenden Rechtsrucks auch in der Debatte um Menschen ohne deutschen Pass und macht einmal mehr deutlich, dass vor dem Gesetz in der BRD eben nicht alle gleich sind. Schon jetzt werden Menschen ohne deutschen Pass juristisch doppelt bestraft: Neben den für alle geltenden strafrechtlichen Maßnahmen droht ihnen zusätzlich die Ausweisung. Bei der Frage ob Menschen nach einer Verurteilung abgeschoben werden, führt das BMI die Abschiebung stets als das "öffentliche Interesse" an, während das Verbleiben der Betroffenen in Deutschland zum "Privatinteresse" herabgestuft wird. Damit setzt das BMI zum einen voraus, dass die deutsche Öffentlichkeit kein anderes Interesse hat als möglichst viele Personen auszuweisen und rückt eine rassistische Haltung als "öffentliches Interesse" in die Mitte der Gesellschaft. Zum anderen werden völkerrechtlich geschützte Menschenrechte wie der Schutz der Familie, sozialer Bindungen oder die körperliche Unversehrtheit zum Privatinteresse degradiert. Der Schutz dieser grundlegenden Rechte muss von öffentlichem Interesse sein und verteidigt werden!


Flucht ist und bleibt kein Verbrechen!


Mit den geplanten Änderungen werden die wenigen Lücken und Freiräume des Asyl- und Aufenthaltsrechtes weiter geschlossen. Während die EU sich nach außen militärisch immer weiter abschottet, soll nun auch die Abschottung nach innen perfektioniert werden. Bestehende Möglichkeiten der Solidarität in Form von Kirchenasyl, rechtlicher Beratung und konkreter Unterstützung sowie selbstorganisierte Kämpfe werden fast unmöglich, wenn Betroffene sofort inhaftiert werden.


Der Gesetzentwurf soll in den nächsten Wochen beschlossen werden. Deswegen fordern wir Alle auf, breiten und vielfältigen Widerstand gegen die geplanten Änderungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts zu organisieren. Aktivitäten können festgehalten und unter http://migrationsgesetze.info/, einer Kampagne der Karawane München, veröffentlicht werden um breiten Widerstand zu dokumentieren!


AG Flucht ist kein Verbrechen Bremen