Jetzt will HoGeSa Deutschlands Osten erobern

Erstveröffentlicht: 
15.11.2014

Wenig Teilnehmer, Zwischenfälle bei der Gegendemonstration, 5000 eingesetzte Polizisten – die HoGeSa-Veranstaltung in Hannover kannte nur Verlierer. Nun verfolgen die Organisatoren einen neuen Plan.

 

Hannovers Innenstadt glich einer Festung: 5000 Polizisten riegelten das Gebiet um den Hauptbahnhof weiträumig ab. Auf den Zufahrtswegen wurden die Fahrzeuge kontrolliert, Hubschrauber kreisten über der Stadt, und an strategischen Punkten waren Wasserwerfer und Räumfahrzeuge postiert. Das alles wegen einer Demonstration, die einen neuen Höhepunkt der antisalafistischen HoGeSa-Gruppierung (Hooligans gegen Salafisten) bedeuten sollte. Für die Veranstalter endete das Treffen in Hannover jedoch enttäuschend.

 

Nach Schätzungen der Polizei sollen sich höchstens 3000 Menschen an dem Protest beteiligt haben – und damit weit weniger als bei einem ähnlichen Treffen vor wenigen Wochen in Köln. Offenbar hatten die durch die Polizei verhängten strengen Versammlungsauflagen viele HoGeSa-Sympathisanten von einer Reise nach Hannover abgehalten.

 

HoGeSa als heterogene Gruppe

 

Nichtsdestotrotz versuchten die Veranstalter die Demonstranten – Alt-Hooligans, Neonazis, rechte Krawallmacher und erstaunlich viele Teilnehmer aus dem bürgerlichen Spektrum –, mit Hass-Parolen aufzuputschen. Per Megafon brüllten sie ihre Weltsicht in die Menge: "Die Bedrohung in Deutschland hat einen Namen: Salafisten." Die Zuhörer jubelten, stimmten "Deutschland, Deutschland"-Sprechchöre an. "Das werden wir nicht mehr zulassen, dass die unsere Kirchen und Schulen ausrauben und unsere tausendjährige Kultur zerstören."

 

Viele der Demonstranten trugen "Thor Steinar"- oder "Lonsdale"-Jacken, bei Rechten beliebte Marken. T-Shirts mit der Aufschrift "HoGeSa" oder "Streitsucher" waren zu sehen, auch Vereinskleidung etwa von Fortuna Düsseldorf, dem Karlsruher SC oder Hannover 96. "Wir haben es hier mit einer sehr gemischten Gruppe zu tun, da ist alles dabei", sagte ein Polizeisprecher. Die Stimmung unter den Teilnehmern war zum Teil aggressiv, Journalisten wurden angepöbelt und bedroht. Weil die Polizei für deren Sicherheit nicht mehr garantieren konnte, wurden Pressevertreter ab dem frühen Nachmittag nicht mehr auf das abgesperrte Gelände hinter dem Hauptbahnhof gelassen.

 

Einige Geschäfte blieben geschlossen

 

Auf einer Gegendemonstration am Morgen, zu der linke Bündnisse, aber auch Parteien und der Deutsche Gewerkschaftsbund geladen hatten, wurde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover kritisiert, die Veranstaltung zuzulassen. "Wir sehen unsere demokratischen Werte in Gefahr, wenn Neonazis und Rechtsradikale solche Treffen durchführen dürfen", sagte eine Vertreterin des jüdischen Landesverbands Niedersachsen. Viele Einzelhändler waren hingegen frustriert, weil sie um ihren Umsatz fürchteten oder ihre Geschäfte lieber gleich schlossen. "Die Leute haben Angst, dass die Lage eskaliert", sagte etwa Cengiz Kutlucan, der einen Zeitungsladen am Hauptbahnhof betreibt.

Nur einmal drohte die Situation außer Kontrolle zu geraten, als eine größere Gruppe von HoGeSa-Demonstranten den Veranstaltungsort verlassen wollte, von den Sicherheitskräften aber nicht aus dem abgesperrten Bereich gelassen wurde. Viele Teilnehmer empörten sich über die Strategie der Polizei. "Das ist Freiheitsberaubung, die Polizei will hier ganz klar provozieren", sagte Thomas Noack, der aus Berlin angereist war, um an der Demo teilzunehmen. "Sie wollen Verhältnisse wie in Köln schaffen."

 

Auf der Bühne stachelte ein HoGeSa-Sprecher unterdessen die Menge mit nationalistischen und rassistischen Parolen an, fabulierte von einer neuen Revolution nach dem Vorbild von 1989. "Wir werden die deutschen Städte erobern, Woche für Woche. Bald werden Hunderttausende Patrioten für die Rettung des Abendlandes auf der Straße sein." Dabei fiel immer wieder das Mikrofon aus. Auch das Absingen der heimlichen HoGeSa-Hymne "Keine Salafistenschweine", ein Song der Gruppe Kategorie C, wollte nicht recht gelingen, obwohl die Veranstalter den Text extra noch auf die Rückseite des Demonstrationsflyers gedruckt hatten.

 

Zwischenfälle bei Gegendemonstrationen

 

Zu größeren Zwischenfällen kam es dagegen bei einer linken Gegendemonstration. Knapp 5000 Menschen nahmen daran teil. Einige Demonstranten versuchten, die Barrikaden zu durchbrechen, die Polizei setzte Pfefferspray ein, drohte sogar mit dem Einsatz von Wasserwerfern. Es flogen Flaschen und Böller, auch ein Polizeifahrzeug wurde demoliert.

 

Dennoch zeigte der massive Personalaufwand durch die Einsatzkräfte Wirkung. Schwere Krawalle wie in Köln blieben diesmal aus. "Die Deeskalationsstrategie der Einsatzkräfte ist voll aufgegangen", sagte Rainer Wendt. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) war selber nach Hannover gekommen, um sich ein Bild von der Gruppierung zu machen.

 

"Ich glaube nicht, dass es sich bei diesen Leuten um mehr als ein temporäres Problem handelt", sagte Wendt der "Welt". Weitere Demonstrationen sind dennoch geplant, etwa in Magdeburg oder Chemnitz. Die Aktivitäten sollen verstärkt auf Ostdeutschland ausgeweitet werden, hier erhofft man sich offenbar stärkeren Zulauf aus der rechten Szene. Dietmar Schilff, niedersächsischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nimmt die Gerichte in die Pflicht. Er hält das eingeschränkte Versammlungsrecht für keine gute Lösung. "Wir brauchen in Zukunft eine weniger schwammige Rechtsprechung. Wir sind mit der Situation nicht glücklich", sagte er der "Welt". Er hofft, dass zukünftige HoGeSa-Demos von vornherein verboten werden.