Erneute Pegida-Demo in Dresden: die 0,2 Prozent-Bewegung

Erstveröffentlicht: 
04.11.2014

Dresden. Etwa 1000 Menschen beteiligten sich laut Polizei am Montagabend an einer Demonstration gegen die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“. Ab 18.30 Uhr zogen sie vom Postplatz aus durch das Zentrum in Richtung Neumarkt. Aufgerufen hatte das Bündnis „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“, kurz Pegida, um gegen „Glaubenskriege auf deutschem Boden“ zu demonstrieren.

 

Der jetzigen Politik müsse „Einhalt geboten werden“, wetterten die Organisatoren, die sich für eine Verschärfung des Asylrechtes und mehr Abschiebung aussprachen. Mit „Wir sind das Volk“ reklamierten rund 0,2 Prozent der Dresdner Bevölkerung die Deutungshoheit für sich. Ansonsten blieben Veranstalter wie Teilnehmer wortkarg. Die Organisatoren hatten den Teilnehmern eingeschärft, weder Parolen zu äußern, noch mit der Presse zu sprechen. So lief der Demo-Zug dunkel und schweigend durch die Stadt.

 

Fakten oder Antworten blieben die Pegida-Demonstranten dabei schuldig. Stattdessen regierten Stammtischparolen oder Vorurteile. „Jede Nacht“ gebe es in Dresden „Ausländerkriminalität“. In „der Neustadt, Pieschen und Friedrichstadt“ wähnte ein älterer Demo-Teilnehmer allein in der Nacht zu Montag Gewaltakte von Muslimen. „Jede Minute“ gebe es in Deutschland Gewalttaten durch Ausländer, war er, der zugab, nicht einen einzigen Muslim zu kennen, sich sicher.

 

Mit Fakten unterlegen lassen sich solche Anschuldigungen nicht. Zum einen wird von der Stadt nicht einmal erhoben, wie viele Dresdner muslimischen Glaubens es gibt. Erfasst ist nur, dass in Dresden etwa 18.000 Menschen mit Migrationshintergrund sowie 25.000 Ausländer und rund 2000 Asylbewerber leben. Wie viele davon Muslime sind, ist unklar. Sachsenweit schätzte Innenminister Markus Ulbig (CDU) vor vier Jahren den Anteil der Muslime im Freistaat auf 0,1 Prozent. Drei Moscheen im Vergleich zu mehr als 80 christlichen Kirchen lassen die Behauptung einer drohenden Islamisierung zumindest fragwürdig wirken.

 

Auch der Vorwurf der steigenden Ausländerkriminalität lässt sich nicht bestätigen. In ganz Sachsen gab es im vergangenen Jahr rund 15.000 „Nichtdeutsche Tatverdächtige“. Davon geht ein Drittel auf „ausländerrechtliche Verstöße“ zurück, also vor allem Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz. Diebstahl und Körperverletzung, die gern Migranten zugeschrieben werden, seien dabei sogar rückläufig. Auch in Dresden zeigt die Kriminalstatistik keinen Anstieg von Taten durch Ausländer.

 

Gegen diese Diskrepanz zwischen Fakten und Vorurteilen gingen am Montag auch rund 200 Gegendemonstranten auf die Straße. Der Tross zog vom Goldenen Reiter an der Altmarktgalerie vorbei in Richtung Postplatz –um in die Nähe der Pegida-Anhänger zu gelangen. Die Polizei trennte beide Gruppen jedoch, bevor die Gegendemonstranten in Hör- und Sichtweite gelangten. Lediglich am Neumarkt gelang es einigen Gegendemonstranten, lautstark und in direkter Nähe ihre Meinung kund zu tun.

 

Rund 100 Polizisten sicherten einen friedlichen Ablauf beider Demos. Die Dresdner Polizei musste ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung einleiten. Ein unbekannter Teilnehmer der Gegendemo hatte einen Passanten geschlagen. Bei dem Opfer handelte es sich um einen Teilnehmer des Pegida-Aufzuges der bereits auf dem Weg nach Hause war. Bis auf ein paar Zwischenrufe von Seiten der Gegendemonstranten hatte es während der Veranstaltungen keine Feindseligkeiten gegeben, teilte ein Polizeisprecher mit.

 

Stephan Lohse