Jede Menge Sortierbedarf Zwischen Jubel und Personalquerelen: Landesparteitag in Oberwiesenthal
Von Romy Richter
Oberwiesenthal. Die Anreise in den landschaftlich idyllisch
gelegenen Wintersportort Oberwiesenthal im Erzgebirge war für manches
Parteimitglied lang und beschwerlich. Es war früh und der Weg in
Richtung tschechische Grenze mit einigen Umleitungen gepflastert. Die
Alternative für Deutschland AfD feierte dort am Sonnabend im
Panoramahotel in schönster Hanglage ihren beachtlichen Erfolg bei der
Landtagswahl in Sachsen und ihren Einzug ins Parlament.
Neben der Auswertung der Landtagswahl standen Nachwahlen für den
Landesvorstand und die politischen Schwerpunkte der Landtagsarbeit auf
dem Programm. Größeren Raum nahmen allerdings erneute Personalquerelen,
Diskussionen um die Tagesordnung, das elektronische Stimmsystem und die
Positionierung der Partei im Ukraine-Konflikt ein.
AfD-Landeschefin Frauke Petry schwor die Delegierten - mehr als 170
rückten in dem kleinen Hüttenbergsaal eng zusammen - auf die
bevorstehende Arbeit und den Zusammenhalt der Partei ein: "Wir sind
keine Protestpartei." Die AfD sei "wegen der Inhalte gewählt" worden.
Die Wahlanalyse belegt aus ihrer Sicht den Anspruch einer "kleinen
Volkspartei". Petry sagte: "Wenn die CDU die AfD als rückwärtsgewandt
und Angstmacher-Partei bezeichnet, zeigt das nur, dass sie mit ihren
Sachargumenten am Ende ist." Die AfD mache aber nicht den Bürgern Angst,
sondern den anderen Parteien. Die 39-Jährige rief den Delegierten zu:
"Wir sind gekommen, um zu bleiben."
Die AfD wolle für "frischen Wind" im Landtag sorgen. Petry sprach von "einem Signal des Aufbruchs". Begeisterte Zustimmung an den gepflegt eingedeckten Tischen. Für gedrücktere Stimmung und Unmut sorgte dann jedoch der Fall Arvid Samtleben, dem "parteischädigendes Verhalten" vorgeworfen wurde. Er ging und geht juristisch gegen seine Partei vor, nachdem diese ihn aufgrund eines Zerwürfnisses von der Kandidatenliste zur Landtagswahl gestrichen hatte. Samtleben wurde dann am Sonnabend mit ziemlich großer Mehrheit offiziell aus dem Vorstand abgewählt. Weil sich die AfD zuletzt auch immer wieder mit der rechten Vergangenheit einiger ihrer Mitglieder konfrontiert sah, will man jetzt genauer hinschauen.
Die Vorstandswahlen auf dem Parteitag wirkten jedoch etwas unbeholfen. Neu gewählt wurde als Landesschatzmeister der Unternehmensberater Martin Schöpf, der in der Vergangenheit für die Linke im Zwickauer Stadtrat saß. Die Wahl eines Stellvertreters entfiel nach einigem Hin und Her, weil es "keinen ordentlichen Bewerber" gab. Der einzige Kandidat verwirrte die Anwesenden mit einem vermeintlichen Widerspruch zwischen seinem Wohnort und seiner Mitgliedschaft in einem anderen Kreisverband, der ihn wiederum "noch nie gesehen" hatte.
Neu im Vorstand: Handwerksmeister Uwe Schuffenhauer, der seine
politische Heimat schon in der Schill Partei, Freier Union und Die
Freiheit suchte, wird sich künftig um die Mitgliederbetreuung in der AfD
kümmern. Zudem wurde Unternehmer Sven Simon in den Vorstand gewählt,
zuständig für Kontaktpflege und Mittelstand. Das ehemalige CDU-Mitglied
bezeichnet seine politische Einstellung als "streng konservativ".
Im Schlusswort ging Petry dann noch einmal auf die künftige Arbeit im
Parlament in Dresden ein. Es komme jetzt darauf an, das Wahlprogramm in
parlamentarische Arbeit zu übersetzen. Schwerpunkte bleiben die Themen
innere Sicherheit, Familie, Bildungspolitik. Es geht der AfD um "mehr
Lehrer, mehr Polizei und weniger Abgeordnete" sowie "mehr direkte
Demokratie". Eine der ersten Initiativen der neuen Fraktion zielt auf
eine Verkleinerung des Parlaments und die Abschaffung des dritten
Landtagsvizepräsidenten, wie Petry ankündigte. "Das ist dringend
notwendig."
Mit stolzen 9,7 Prozent hatte die AfD bei der Landtagswahl am 31. August
den Sprung ins sächsische Parlament geschafft und stellt dort künftig
14 Abgeordnete - "ein Riesenerfolg", so Petry. 291000 Euro betrug das
Budget für den Landtagswahlkampf in Sachsen. Die Mitgliederzahlen,
aktuell sind es etwa 730, sind laut Petry steigend. "Wir werden bald die
Tausender-Marke überschreiten." Mit diesen Aussichten ging der
Parteitag einig zum letzten Tagesordnungspunkt, dem Singen der
Nationalhymne, über.
Kommentar
Mit unglaublichem Schwung und durchaus populistischen Themen hat sich die AfD nach dem Europaparlament auch den Einzug in die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gesichert. Die Euphorie darüber ist noch längst nicht verklungen, wie der sächsische AfD-Landesparteitag in Oberwiesenthal gezeigt hat. Es gab viel Beifall, Lob, Danksagungen und eine selbstbewusste Verortung in der Parteienlandschaft.
Dass man ein ähnliches Schicksal wie die Piraten-Partei erleiden und der Hype schnell wieder vorbei sein könnte, mag die sächsische AfD nicht glauben. Schließlich will die Partei mit Inhalten und Sachargumenten punkten. Dabei überschatten schon jetzt Personalquerelen und offene Abgrenzungsprobleme zum Rechtsextremismus das Geschehen. Dass Wähler von der NPD zur AfD gewandert sind, gibt man unumwunden zu, weitere klare Positionierungen blieben aber aus. Für die Diskussion der politischen Schwerpunkte im Parlament blieb in Oberwiesenthal irritierend wenig Zeit.
Frauke Petry will zunächst auf eine Verkleinerung des Landtages drängen: keine neue Idee, und wohl nicht unbedingt das Thema, das die AfD-Wähler an die Wahlurnen getrieben hat. Immerhin ist gerade frisch gewählt. Inhaltlich und personell: Die Partei hat noch ziemlich mit sich selbst zu kämpfen. Es gibt noch eine Menge Sortierbedarf. Und sich in der Rolle als kleine Oppositionsfraktion einzurichten wird wahrscheinlich nicht so einfach zu bewerkstelligen sein wie die Wählermobilisierung. r.richter@lvz.de