Der Berliner Senat geht in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Kreuzberg in den letzten Wochen aggressiv gegen Geflüchtete und Sinti und Roma vor. Im April wurde der Oranienplatz geräumt und im Gegenzug einige Versprechen gegeben. Daraufhin folgte im Juli die versuchte Räumung der besetzten Schule und große Proteste. Ende August wurde klar, dass der Senat sich nicht an seine Versprechen hält und allen Geflüchteten des Oranienplatzabkommens die Unterkunft und das Recht auf Asyl verweigern will. Die Besetzung des Daches in der Gürtelstraße wurde mit heftiger Repression beendet. Letzten Freitag wurde dann sowohl im Bundesrat das Asylrecht in Zusammenarbeit mit den Grünen weiter eingeschränkt, als auch in Kreuzberg die von vielen Sinti und Roma bewohnte Cuvrybrache geräumt.
Auf den Dächern Berlins
Der Senat beschloß Anfang September nochmals die Repression zu verstärken. Er fühlt sich davon herausgefordert, dass immer mehr Menschen nach Berlin kommen und Bewegungsfreiheit praktisch werden lassen. Also setzt der Staat auf Abschreckung und versucht die Lebensumstände der Geflüchteten zu verschlechtern.
Der Staat versucht widerständige und unkontrollierte Orte loszuwerden und die Menschen in die Vereinzelung zurückzudrängen. Er brach das Oranienplatzabkommen, was ihm auch Kritik in der bürgerlichen Öffentlichkeit eintrug. Bei der Dachbesetzung in der Gürtelstraße verweigerte er dann Essen, Trinken und Medikamente und setzte extremen psychischen Druck ein. Der Umgang mit den Geflüchteten wird an die Polizei delegiert, die eigenmächtig und unkontrolliert handelt.
Nach den ersten 108 Geflüchteten wurden nochmals 30 Geflüchtete in den letzten Wochen aus ihren Unterkünften geräumt. Danach wurden keine weiteren Räumungen bekannt, es sind also weiterhin noch viele Geflüchteten räumungsbedroht in den Unterkünften.
Nach der Besetzung einer Kirche wurde für 61 Geflüchtete eine Unterkunft für vier Wochen zugesagt. Trotzdem sind weiterhin viele Geflüchtete obdachlos in Berlin und haben im Gegenzug zu der Strategie des Senats die Stadt nicht verlassen.
Während der Dachbesetzung in der Gürtelstraße gab es viele Aktionen und Demonstrationen und auch danach wurde unter anderem die Bundeszentrale der Grünen besetzt und vor dem Bundesrat gegen die Asylrechtsverschärfung demonstriert. Allerdings gelang es im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen um die Ohlauerstraße nicht, tausende Menschen in Solidarität mit den Geflüchteten auf die Straße zu bewegen.
In den kommenden Wochen werden wahrscheinlich weitere Geflüchtete aus ihren Unterkünften geräumt, einerseits kann dies individuell und still und leise durchgeführt werden, andererseits könnte es aber auch nochmal zu einem massenhaften Rausschmiß kommen. Ein Oranienplatzaktivist befindet sich zur Zeit im Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt. Es ist denkbar, dass der Senat in den nächsten Monaten verstärkt versuchen wird, Abschiebungen durchzuführen um einen Abschreckungseffekt zu erzielen.
Außerdem steigt der Druck auf die besetzte Schule. Die Presse druckt schon wieder verleumderische Polizeimeldungen. Die Geflüchteten in der Schule fordern die Einhaltung des Abkommens, welches zur Beendigung der Dachbesetzung geschlossen wurde. Der Bezirk hatte dort ein selbstorganisiertes Geflüchtetenzentrum zugesagt. Gleichzeitig plant der Senat in der Schule ein ganz normales Lager einzurichten. Der Bezirk macht bisher keine Schritte auf die Geflüchteten zu um das Abkommen zu erfüllen. Auch hier droht in den nächsten Wochen eine erneute Zuspitzung, die unsere Solidarität erfordert.
Auch auf Bundesebene sind weitere Asylrechtsverschärfungen im Gespräch, so soll Abschiebehaft deutlich schneller verhängt werden können. Hier ist abermals damit zu rechnen, dass die Grünen bei jedem rassistischen Gesetz unbedingt mitmachen wollen um ihr Profil als Verräterpartei schärfen zu können.
Was ist los bei Zwangsräumungen?
Anfang des Jahres kam es zu mehreren von Protesten begleiteten Zwangsräumungen und gleichzeitig zu gezielter Repression durch die Polizei. In den letzten Wochen war es wiederum ruhiger um den Protest gegen Zwangsräumungen. Aber auch wenn es nicht zu spektakulären Blockaden kommt, geht die wichtige Alltagsarbeit weiter. So konnte die Räumung von Dieter durch ein Go-In bei der DEGEWO verhindert werden.
Stadtpolitische Gruppen planen derzeit eine Aktivitätenphase Mitte Oktober mit vielen Veranstaltungen, Filmvorführungen, Kiezspaziergängen und Demonstrationen. Der Widerstand gegen steigende Mieten und Verdrängung läuft nun schon seit Jahren und erreicht viele Menschen in den Kiezen. Dabei gibt es unterschiedliche Ideen, wie in Zukunft wieder stärker die Sichtbarkeit erhöht werden kann, eher über größere Aktionen oder über legalistische Initiativen.
Cuvrybrache
Vor wenigen Tagen wurde nun auch die Cuvrybrache geräumt. Hier treffen stadtpolitische und antirassistische Kämpfe besonders sinnbildlich zusammen. Die Cuvrybrache ist Teil des Mediaspreegebiets, zu dem viele stadtpolitische Proteste stattgefunden haben, auf der Brache sollen Luxuswohnungen entstehen.
Gleichzeitig sind von der Räumung viele Sinti und Roma betroffen, die sowohl in Berlin als auch bundesweit besonders stark von Ausgrenzung und staatlicher Diskriminierung betroffen sind. Das Bezirksamt Kreuzberg drangsaliert nun auch schon seit einiger Zeit Roma aus der Schule, welche nun im Görlitzer Park wohnen. Ihnen werden ihre Sachen gestohlen und mit der Wegnahme der Kinder gedroht.
Bei der Räumung der Cuvrybrache wurde ein Brandanschlag auf dem Gelände genutzt. Die Bewohner*innen hatten deswegen die Brache verlassen. Die Polizei gab anfangs bekannt nicht räumen zu wollen. Dann aber sperrte sie ab und räumte die Brache. Die Hütten sind mittlerweile ebenfalls abgerißen. Im folgenden kam es zu keinen größeren Protesten.
Viele Bewohner*innen halten sich immer noch in der Nähe der Brache auf. Am Montag wurde eine Gruppe von einem großen Polizeiaufgebot eingeschüchtert, wiederum wurden Sachen geklärt und vor den Augen der Besitzer*innen zerstört. Diese Taktik soll demoralisieren und schwächen. Schon in der Gürtelstraße hatte die Polizei vor den Augen der hungrigen Geflüchteten Lebensmittel zerstört.
United Neighbours!
Nicht zuletzt die Räumung der Cuvrybrache zeigte den engen Zusammenhang von stadtpolitischen und antirassistische Kämpfen. Am kommenden Samstag findet nun die „United Neighbours“-Demonstration statt. Sie startet an der Schule, kommt an der Lausitzer Straße vorbei, wo die Zwangsräumung der Familie Gülbol blockiert wurde. Dann geht sie weiter zur geräumten Cuvrybrache und endet am Oranienplatz.