Bundesweit nehmen die Übergriffe auf Moscheen in Deutschland zu. Allein in den vergangenen drei Wochen wurden nach Informationen des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) Brandanschläge auf fünf Gebetshäuser, unter anderem in Berlin und Bielefeld, verübt. Die muslimische Dachorganisation fordert mehr Polizeischutz für ihre Einrichtungen. Im Neuen Rathaus sieht man die Entwicklung gelassener. Die Zustimmung zum ersten geplanten Moschee-Neubau in Leipzig erfolgte ohne Sicherheitsanalyse. Das bestätigte gestern ein Sprecher auf Anfrage.
Das Dezernat für Stadtentwicklung und Bau, das die
Bauvoranfrage der Ahmadiyya-Gemeinde in der vorigen Woche positiv
beschieden hatte (die LVZ berichtete), sah keinen Grund,
Sicherheitsbehörden in das sensible Projekt in der
Georg-Schumann-Straße/Ecke Bleichertstraße zu involvieren. Es seien
ausschließlich "gesetzlich vorgeschriebene planungs- und
bauordnungsrechtliche Belange zu prüfen" gewesen, teilte das Dezernat
mit. Steht dem nichts entgegen, bestehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung
des Bauvorbescheides. "Polizeiliche Belange sind somit kein Gegenstand
eines Bauvoranfrageverfahrens und die Polizei ist somit kein Beteiligter
in dem Verfahren", so die Behörde.
Das verunsichert nicht nur
Leute wie Gisela Bergmann, die jetzt in einer Einwohneranfrage an den
Stadtrat Antworten unter anderem auf Sicherheitsbedenken der Anlieger im
Zusammenhang mit dem Moschee-Bau erwartet. "In der Entscheidung zur
Bauvoranfrage hätten Sicherheitsbehörden eine Berücksichtigung finden
müssen", sagte die Leipziger Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla (CDU).
Auch vor dem Hintergrund der "außenpolitischen Entwicklungen", etwa im
Nahen und Mittleren Osten, sei das Vorgehen der Stadt unverantwortlich.
"Wir fordern die Sicherheitsbehörden auf, alle Anstrengungen zu
unternehmen, damit solche Anschläge nicht wieder passieren", erklärte
der KRM nach den jüngsten Brandanschlägen. Die Unversehrtheit der
Gotteshäuser müsse in Zukunft gewährleistet werden. Der Appell ist keine
Spontanreaktion. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage
der Linksfraktion im Bundestag geht hervor, dass allein von Anfang 2012
bis März 2014 insgesamt 78 Angriffe auf Moscheen in Deutschland
registriert wurden. Seit 2001, schreibt der KRM in einem Dossier zum
NSU-Prozess, werde alle zweieinhalb Wochen eine Moschee oder ei- ne
andere musli- mische Einrichtung in Deutschland angegriffen. Die
türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion, die zusammen mit dem
Zentralrat der Muslime, dem Islamrat und dem Verband der islamischen
Kulturzentren den KRM bildet, spricht von einem bedenklichen Anstieg der
Gewalttaten. Hetz- und Hassbriefe, abgetrennte Schweinsköpfe vor
Moscheen, rechte Schmierereien, Molotow-Attacken und Brandstiftungen
hätten ein erschreckendes Ausmaß erreicht.
Abdullah Uwe
Wagishauser, der Bundevorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat, kennt die
Warnungen seiner Glaubensbrüder. Er teilt sie aber nicht. "Wir sehen
das nicht so problematisch wie andere muslimische Gemeinschaften", sagte
er. "Ich sehe mich nicht als verfolgte Minderheit." Die Ahmadiyya wolle
dazu beitragen, dass Muslime und Nichtmuslime aufeinander zugehen.
Er glaubt nicht, dass Sicherheit von Religionsgruppen durch
Polizeischutz zu erreichen ist. Die Bereitschaft zum gegenseitigen
Respekt könne nur aus der Gesellschaft selbst kommen. "Wir setzen
deshalb auf Offenheit und Transparenz. Ich möchte keine Moschee hinter
Stacheldraht."
Dabei hat auch die Ahmadiyya, die deutschlandweit
bereits 47 Moscheen gebaut hat, ihre Erfahrungen mit Islamfeindlichkeit
machen müssen. In Usingen, einer Kleinstadt in Hessen, gab es vor
Jahren einen Brandanschlag. Voriges Jahr schändeten Unbekannte den
geplanten Leipziger Standort mit abgetrennten Schweinsköpfen. Ansonsten
gab es "immer mal kleinere Sachen wie eingeschlagene Fensterscheiben",
schilderte Wagishauser.
Ob und wann im kommenden Jahr mit dem
ersten Moschee-Neubau in Leipzig begonnen werden kann, ist derzeit
ungewiss. Laut Wagishauser sei ein Widerspruch zum Bauvorbescheid im
Rathaus eingegangen.