Im Landtag Sachsens hatte der U-Ausschuss zur Terrorzelle NSU am Freitag seine letzte Sitzung. Am selben Tag wurde bekannt, dass der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes Burschenschafter ist. Sein Amt beobachtet unter anderem Burschenschaften
Von Colette M. Schmidt
Dresden/Graz - Drei Jahre nachdem die Terrorzelle NSU 2011 in Thüringen aufflog und bekannt wurde, dass das Trio, das in Sachsen lebte, jahrelang unbehelligt Menschen ermorden konnten, fand im sächsischen Landtag am Freitag die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen statt.
Der Abschlussbericht der Fraktionen, Die Linke, SPD und Die Grünen, der dem Standard vorliegt, fasst auf rund 350 Seiten die Aufarbeitung von Versäumnissen und Fehlverhalten der Behörden zusammen. Mit der Conclusio, dass beim Landesamt für Verfassungsschutz "weitreichende Konsequenzen zu ziehen" seien.
Mit der letzten Sitzung des Ausschusses fiel auch die Meldung der Berliner taz zusammen, dass ausgerechnet der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, Burschenschafter bei der Burschenschaft Marchia ist. Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Fraktion Die Linke) brachte sofort eine Anfrage an die Staatsregierung ein, in der sie etwa wissen will, ob Meyer-Plath die Regierung vor seiner Ernennung davon informiert habe. Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes zählt nämlich die Beobachtung von Burschenschaften. Meyer-Plath kommentierte seine Mitgliedschaft in der taz mit: "Für mich ist das eine reine Privatsache."
Weitere Forderungen des U-Ausschusses sind etwa: Ein weiterer U-Ausschuss zum NSU, die vollständige Entwaffnung der extremen Rechten im Freistaat Sachsen und "zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement sind zu würdigen und bestmöglich zu unterstützen". Im Zusammenhang mit Letzterem sei die "Extremismusklausel restlos zu streichen".
Generalverdacht linksextrem
Die Extremismusklausel wurde 2011 von CDU-Familienministerin Kristina Schröder eingeführt und soll Bekenntnis "zur freiheitlich demokratischen Grundordnung" sein. Konkret mussten sich Initiativen schriftlich verpflichten, dass Organisationen, mit denen man kooperiert, sich ebenfalls dem Grundgesetz verpflichtet fühlen - sonst gab es keine Förderungen. Kritiker der Klausel sahen aber alle, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, unter Generalverdacht, "links- extremistisch" zu sein. Ein Verein, der über ein ehemaliges KZ-Außenlager informieren wollte und für eine Förderung von 600 Euro ebenfalls die Klausel unterschreiben sollte, reichte Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Dresden ein und bekam Recht. Auf Bundesebene haben sich SPD und CDU heuer bereits auf die Abschaffung der Klausel geeinigt.
"Letztlich wurde auf diese Weise versucht, zivilgesellschaftliche Initiativen von deutlicher Kritik am staatlichen Handeln abzuhalten", so Köditz. Die Klausel habe gerade in Sachsen Aufklärung im verzweigten, mit Vertrauensmännern des Verfassungsschutzes besetzen NSU-Umfeldes erschwert. In dieselbe Kerbe schlägt auch der Bericht des ehemaligen Bundesanwalts Volkhard Wache zum U-Ausschuss, in dem es heißt, die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen allein durch Polizei und Verfassungsschutz genüge nicht.
So habe etwa der Verfassungsschutz 1995 berichtet, dass sich die neonazistische Szene mit "terroristischen Konzeptionen befasst" habe. Ab 2000 war davon keine Rede mehr. Eine Journalistin und Ausschusszeugin warnte 2001 "ganz massiv vor den Ansiedlungen von Neonazis in bestimmten Regionen". Obwohl sich ihre Beobachtungen als richtig erwiesen, sei ihr nur "Hysterie" vorgeworfen worden.