Verfassungsschutz überwachte zwei Rechtsanwälte aus Südbaden

Leutheusser-Schnarrenberger in Karlsruhe
Erstveröffentlicht: 
04.06.2014

Karlsruhe

Bürgerrechtler haben in Karlsruhe den neuen Grundrechte-Report vorgestellt. Darin steht, dass der Verfassungsschutz die Lörracherin Angela Furmaniak und den Freiburger Michael Moos überwachte.

 

"Die einzig funktionierende Kontrolle der Geheimdienste besteht in ihrer Auflösung", erklärt der Publizist Rolf Gössner im neuesten Grundrechtereport, der jetzt in Karlsruhe vorgestellt wurde. Der Grundrechtereport ist ein alternativer Verfassungsschutzbericht, der jährlich von acht Bürgerrechtsorganisation – von der Humanistischen Union bis zu Pro Asyl – als Taschenbuch herausgegeben wird.

Im Mittelpunkt stand diesmal der NSA-Skandal und die internationale Massenüberwachung. Gössner beschrieb sie als Gefahr aus dem Innern der Demokratie, "wie eine aggressive Autoimmunkrankheit, eine überschießende Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems, das zerstört, was es doch schützen sollte: Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte".

Vorgestellt wurde das Buch diesmal von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der ehemaligen Justizministerin. "Es wäre ein verheerendes Signal, wenn es wegen der NSA-Spionage nicht einmal Ermittlungen gäbe", sagte sie mit Blick auf Generalbundesanwalt Harald Range. Dieser soll am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestags erläutern, warum er möglicherweise kein Ermittlungsverfahren einleitet.

Harte Kritik

Hart kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger die Pläne des Bundesnachrichtendienstes (BND), künftig ausländische soziale Netzwerke in Echtzeit auszuwerten. "Deutschland muss nicht in der ersten Liga der Überwachungsstaaten spielen", sagte sie. Der BND hatte die Pläne auch damit begründet, dass der deutsche Geheimdienst sonst mit seinen Fähigkeiten weit hinter den USA und Großbritannien zurückfalle und bald sogar von Italien und Spanien überholt werde. "Was ist das denn für eine Begründung?", fragte die Ex-Ministerin entgeistert.

Am 24. Juni kandidiert Leutheusser-Schnarrenberger im Europarat, dem 47 Staaten angehören, für den Posten des Generalsekretärs. In dieser Position will sie sich auch für Edward Snowden einsetzen, sagte sie auf Nachfrage. "Im Falle meiner Wahl würde ich versuchen, für eine vernünftige Lösung zu vermitteln." Leider könne der Europarat selbst kein Asyl gewähren.

Der Grundrechtereport besteht aus rund 40 Beiträgen zu allen Entwicklungen rund um die Bürger- und Menschenrechte des Grundgesetzes. Die beste Nachricht kam in diesem Jahr erst nach Redaktionsschluss, als im April der Europäische Gerichtshof die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat. Leutheusser-Schnarrenberger strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihre "Genugtuung" über dieses Urteil betonte. Immerhin hat sie als Ministerin vier Jahre lang die Wiedereinführung der anlasslosen Massenspeicherung in Deutschland verhindert.

Die angehende Rechtsreferendarin Abeer al-Khafadji plädierte für einen liberalen Umgang mit Kopftuch tragenden Musliminnen in der Privatwirtschaft. "Gut ausgebildete Frauen müssen als Putzfrau arbeiten oder Hausfrau werden, weil sie nicht eingestellt werden." Der Staat habe sich hier mit seinen Kopftuchverboten für Lehrerinnen als "Vorbild der Diskriminierung" gezeigt. Die Alternative "Kopftuch oder Karriere" behindere die Emanzipation muslimischer Frauen, sagte die Juristin aus Reutlingen, die selbst Kopftuch trägt.

Der Freiburger Anwalt Udo Kauß schrieb im Grundrechtereport über die Überwachung von Rechtsanwälten durch den Verfassungsschutz. Zwei von drei Beispielen fand er in Südbaden: die Lörracherin Angela Furmaniak und den Freiburger Michael Moos, der auch für die Linke Liste (Lisst) im Freiburger Gemeinderat sitzt. Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Auch Innenminister Otto Schily und Bundespräsident Gustav Heinemann waren in ihrer Zeit als Anwälte bespitzelt worden.