São Paulo – Protestierende der “União Nacional de Moradia Popular” (UNM – Landesweite Union für öffentlichen Wohnraum), “Central de Movimentos Populares” (CMP – Zentrale der Popularbewegungen) und “Frente de Luta por Moradia” (FLM – Front des Kampfes für Wohnraum) besetzten heute morgen (07.04.2014) 20 Gebäude und Flächen in allen Regionen São Paulo’s.
Die Aktionen sind Teil der “Jornada Nacional de Luta” (des landesweiten Kampftages), der morgen mit Protestmärschen aus ganz Brasilien enden wird. Die Busse kommen in Brasilia, im “Destrito Federal” (Bundesdistrikt), zusammen und starten vom “Capital” (São Paulo), von Städten im Inneren des Bundesstaates São Paulo, sowie von Minas Gerais und Goias. Die Demonstrationen werden am “Ministério do Planejamento, Cidades e Secretaria de Patrimônio da União” ( Ministerium für Planung, Städte und Sekretariat des Bundesvermögens ) zusammentreffen.
In São Paulo richten sich die Forderungen an die drei Ebenen der staatlichen Macht. Deshalb wurden bundes-, landes und kommunale Gebäude besetzt, sowie privates Eigentum. Seit November beobachten die Bewegungen die Orte, die besetzt werden sollen. “Die Leute beobachten und finden heraus, ob die Gebäude leer sind oder nicht, ob Sicherheitsdienste vor Ort sind, überprüfen ob es der Gemeinde, dem Bundesland oder dem Staat gehört. Im Fall der Privaten, ob sie Grundsteuer (IPTU) Schulden haben (IPTU Imposto sobre a propriedade Predial e Territorial Urbana – die Grund und Gebäudesteuer)”, erklärt Graça Xavier, Koordinatorin der UMM.
Hinsichtlich der Stadtverwaltung (São Paulo’s) bestätigen die Protestierenden, dass der Abgeordnete Fernando Haddad (PT Partido dos Trabalhador – Arbeiterpartei) trotz Dialog und dem Versprechen, 55 tausend Wohneinheiten zu bauen, nicht andeutete, wie viele für die Militanten der Sem-Teto Bewegungen bestimmt seien.
Seit Begin seiner Regierungszeit behauptet Haddad, dass er die Aktiven und die nicht Aktiven berücksichtigen müsse. Das “Secretaria de Habitação” (Sehab – Sekretariat für Wohnungsbau) bestätigt dabei, dass 50% der Einheiten für Menschen aus Risikogebieten seien, 25% für Menschen die im “Cadastro Único”* eingeschrieben sind , und 25% für Personen, die von den sozialen Bewegungen vorgeschlagen werden.
Auf der Landesebene fordern die Protestierenden die Einhaltung eines Versprechens des Gouverneurs Geraldo Alckmin (PSDB Partido da Social Democracia Brasileira – Sozialdemokratische Partei Brasiliens). Bei einer Versammlung im August sicherte er zu, dass 10 tausend Wohneinheiten in Selbstorganisation gebaut werden sollen, wobei die sozialen Bewegungen verantwortlich für die Ausarbeitung der Projekte seien, und für den Abschluss der Verträge für die notwendigen Arbeiten. Die Bewegungen betrachten dieses System als fundamental, um den zivilen Bausektor zu konfrontieren, der nur wenige Immobilien mit sehr hohem Wert produziert. Trotz Zusage gab es hier bisher keinerlei Fortschritt.
Morgen treffen sich die Militanten der UNM, CMP und FLM mit dem “Movimento dos Trabalhadores Sem-teto” (MTST – Bewegung der Arbeiter ohne Dach) zu einem Protestmarsch, der an verschiedenen Punkten São Paulo’s startet und zum Sitz der “Companhia de Desenvolvimento Habitacional e Urbano” (CDHU – Gesellschaft der urbanen und Wohnraum Entwicklung) und der “Caixa Econômica Federal” *** geht. Beide befinden sich im Zentrum.
Die Verärgerung über Präsidentin Dilma Rousseff betrifft die Anhebung der Deckelung des Programms “Minha Casa, Minha Vida faixa 1″ (Mein Haus – Mein Leben – erste Stufe), das an Menschen mit niedrigem Einkommen gerichtet ist. Diese Stufe bezuschusst mehr als 90% des Wertes einer Immobilie und richtet sich momentan an Familien mit einem Einkommen bis zu 1600 Reais. Die sozialen Bewegungen möchten, dass sich die Deckelung dieses Zuschusses auf 3 Mindesteinkommen erhöht. Die Bewegungen führen an, dass das Durchschnittseinkommen in Städten wie Rio de Janeiro, Belo Horizonte und São Paulo höher ist und das dort Familien mit einem Einkommen unter der momentan Deckelung weder Zugang noch Möglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben, auch nicht durch das Wohnungsbauprogram. “Eine Person die etwas mehr als 1600 Reais verdient, kann die Miete nicht bezahlen und kann aber auch nicht am “Minha Casa, Minha Vida” Programm teilnehmen”, erklärt Graça.
Die andere Forderung auf Bundesebene betrifft die Erhöhung der Mittel für frühzeitige Käufe, ein Mechanismus, der den sozialen Bewegungen erlaubt, Land zum Bau von öffentlichen Wohnungen zu kaufen, unter Begutachtung der “Caixa”, aber ohne notwendige Zustimmung zum Projekt. Diese Massnahme wird als wichtig betrachtet, um den Preis für ein Stück Land zu garantieren und um zu verhindern, dass es für andere Zwecke benutzt wird.
Das Defizit an Wohnraum in Brasilien beträgt 5.2 Millionen Wohnungen, laut den aktuellsten Daten, die durch das “Instituto de Pesquisas Aplicadas” (IPEA – Institut für angewandte Forschung) veröffentlicht wurden. São Paulo ist der Bundesstaat, in dem die Situation am kritischsten ist, mit 1.1 Millionen fehlenden Wohnungen. Dazu gehören auch Wohnungen für Menschen in prekären Wohnsituationen: Familien die ihr Haus mit anderen Familien teilen, weil sie nicht genug Geld haben; diejenigen, die sich ein gemietetes Zimmer zu dritt oder mehr teilen; Menschen mit einem Monatseinkommen von drei Mindesteinkommen, deren Mietausgaben mehr als 30% der Haushaltsausgaben ausmachen.
Original Text auf Pela Moradia
http://pelamoradia.wordpress.com/2014/04/07/movimentos-de-moradia-fazem-20-ocupacoes-em-sao-paulo/
* Cadastro Único – ein Register in dem Familien mit geringem Einkommen registriert sind, um Anspruch auf Sozialhilfe und Mietübernahme festustellen
** die im original Text angesprochenen “entidades (socias)” wurden als soziale Bewegung übersetzt
*** Caixa – Sparkassen ähnliche Bank
Fotos vom Protesttag am 08. April 2014
Liste der Besetzungen
http://www.portalflm.com.br/noticias/relacao-atualizada-das-20-0cupacoes/2950
1) Rua Libero Badaró, 452 – Centro
Von 70 Familien besetzt.
Kontakt: Cristina: (11) 9.6657-4019
2) Rua Cel. Xavier de Toledo, 151 – Centro
Gebäude durch COHAB enteignet. Von 114 Familien besetzt.
Kontakt: Rose (11) 9.8521-5440
3) Rua José Bonifácio, 367 – Centro
Gebäude im Besitz von SERASA. Von 80 Familien besetzt.
Kontakt: Jomarina (11) 9.6467-4411
4) Rua São Francisco, 85 – Centro
Gebäude durch COHAB enteignet. Von 80 Familien besetzt.
Kontakt: Carmen (11) 9.9680-7409
5) Av. Mercúrio, 564 – Parque Dom Pedro
Privates Gebäude. Von 300 Familien besetzt.
Kontakt: Neti (11) 9.5254-3607
6) Rua Ana Aslan, s/nº – Parque do Engenho – Capão Redondo
Gebäude durch CDHU enteignet. Von 200 Familien besetzt.
Kontakt: Felícia (11) 7874-5706 / 5526-2330
7) Av. Parada Pinto, em frente ao 1.707 – Cachoeirinha (Terreno)
Gebäude durch CDHU enteignet. Von 100 Familien besetzt.
Kontakt: Joselia: (11) 96791-2355
8) Rua Bento Guelfi, 1.800 – Jd. Alto Alegre (Terreno)
Privates Gebäude. Von 1000 Familien besetzt.
Kontakt: Maria do Planalto (11) 9.7030-8184 / Antonia (11) 9.8272-5648
9) Rua Augusto Amaral, ao lado do 89 – Travessa da Parapuã – Brasilândia – (Terreno)
Enteignetes Gebäude. Von 160 Familien besetzt.
Kontakt: Geni 98029-1140
10) Av. Osvaldo Vale Cordeiro, 54 – Cidade Líder (Terreno)
Gebäude enteignet durch die Landesregierung (Casa Paulista), CEF und Minha Casa, Minha Vida.
Von 50 Familien besetzt.
Kontakt: Eliete (11) 9.7518-1992 e Vera: (11) 9.5810-3340
11) Rua Aurora, 713 – Centro
Private Gebäude. Von 100 Familien besetzt.
Kontakt: Antonia (11) 9.8272-5648
12 ) Rua Rego Freitas, 260 – Centro
Private Gebäude. Von 140 Familien besetzt.
Kontakt: Carmen (11) 9.9680-7409
13) Rua Atlântico Merindo, 84. (Terreno)
Gebäude durch COHAB enteignet. Von 200 Familien besetzt.
Kontakt: Geni 9. 8029-1140
14. Av. São João, 601 – Centro (Espigão)
Privates Gebäude. Von 400 Familien besetzt.
Kontakt: Neti (11) 9.5254-3607
15. Rua Conselheiro Nébias, 314 – Centro
Gebäude enteignet. Von 150 Familien besetzt.
Kontakt: Jaíra (11) 9.8739-7977
16. Rua 24 de Maio, 207 – Centro
Privates Gebäude. Von 100 Familien besetzt.
Kontakt: Jomarina (11) 9.6467-4411
17. Sitio Master – Recanto Verde do Sol (Terreno).
Privates Gebäude. Von 80 Familien besetzt.
Kontakt: Maria do Planalto (11) 9.7030-8184
Besetzungen zusammen mit anderen sozialen Bewegungen durchgeführt:
18. Rua do Bosque, 621. (Terreno)
Landstück von COHAB. Von 600 Familien besetzt.
Kontakt: Abraão 97143-4011
FLM und UMM= Zona Oeste
19. Rua Álvaro Ramos com a Rua Toledo Barbosa – Belém
Landstück von COHAB. Von 500 Familien besetzt..
Kontakt: Sidnei: 96158-2604; Evaniza 97358-1689.
FLM und UMM=leste I e ULCM
20. Rua Porto Seguro
Landstück von Gemeinde. Von 400 Familien besetzt..
Kontakt: Valdeci 99540-9025
FLM und UMM=ULCM
21. Líbero Badaró, 595
Gebäude gehört wahrscheinlich der Landesregierung. Von 40 Familien besetzt.
Kontakt: Guilherme 99982-4046
UMM=ULCM
22. Rua Santa Efigênia, 31.
Privates Gebäude. Seit 11 Jahren leerstehend. Von 268 Familien besetzt.
Kontakt: Ednalva 96754-0108
MMTP filiado à CMP
23. Rua Conselheiro Carrão, 202.
Privates Gebäudes dessen Besitzer*in nicht festgestellt werden kann. Von 182 Familien besetzt.
Kontakt: Weilita: 95170-8968.
MMTP fiado à CMP
24. Rua Conselheiro Crispiniano, 79
Gebäude der Gruppe “Pão de Açúcar” (Supermarktkette). Von 30 Familien besetzt.
Offener Brief zur Jornada de Luta em Defesa da Moradia Popular
http://www.portalflm.com.br/noticias/relacao-atualizada-das-20-0cupacoes/2950
Die Unten aufgelisteten sozialen Bewegungen begannen seit den frühen Morgenstunden mit dem Kampftag für sozialen Wohnraum (“Jornada de luta em defesa da moradia popular”). Es handelt sich dabei im Aktionen mit dem Ziel, Druck auf die drei Ebenen der staatlichen Macht auszuüben, um die Programme für öffentlichen Wohnraum für Familien mit niedrigem Einkommen zu beschleunigen. Der Kampftag der heute morgen begann, wird bis zum 08. April fortgesetzt, mit Mobilisierungen in Brasilia und São Pailo.
Die offensichtliche Tatsache, dass das Fehlen von öffentlichem Wohnraum, besonders für Menschen mit niedrigem Einkommen, ein seit langer Zeit bestehendes soziales Problem ist, bezieht sich auf einen Wohnungsmarkt, der immer nur Wohnraum für höhere Einkommensschichten produziert. Deshalb konzentrieren sich 80% der fehlenden Wohnungen auf den Bereich des Einkommens von drei Minimaleinkommen.
Durch unseren Kampf haben wir in den letzten Jahren wichtige Instrumente der urbanen- und der Wohnungspolitik umgesetzt, wie das “Estatuto das Cidades” (Statut der Städte ), die “Planos Diretores” (städtebauliche Planung), Räte und Konferenzen und andere Instrumente, die auf die soziale Funktion von urbanem Besitz und der Wohnungspolitik zurückgehen.
Historisch betrachtet war jedoch die Schaffung von Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen nie die Priorität der Regierungen und des Immobilienmarkts. Selbst mit der Einführung des Bundesprogramms “Minha Casa, Minha Vida”, mit hoher Priorität auf die Unterstützung des Niedriglohnsektors, fährt der Bausektor weiterhin Milliarden Gewinne ein, und die Macht des Immobilienmarkts schliesst vor allem die ärmsten Menschen aus und verdrängt sie immer weiter an die Peripherien der Städte.
Mit der Erhöhung der Immobilienkredite bezogen auf die Mittel von “Minha Casa, Minha Vida”, schoss der Preis für Land, insbesondere in mittleren und grossen Städten, in ungeahnte Höhen. In Städten wie São Paulo, die die soziale Funktion ihrer politischen Instrumente unbeachtet lassen, ist das Ergebniss eine mittlere Wertsteigerung von Land um 192% seit 2008, und eine Steigerung der Miete um 93%, laut Statistiken von Fipe/Zap.
Die Immobilienspekulation nahm in den letzten Jahren in São Paulo beeindruckende Formen an. Mit Hilfe der rechtssprechenden Macht wurden tausenden von Familien auf die Strasse gesetzt, in hunderten von Räumungen, immer zugunsten von Eigentümmer*innen, die der Öffentlichkeit Milliarden von Reais schulden.
An diesem Kampftag fordern wir:
- die Entwicklung, Erhaltung und Beschleunigung der Wohnraumprogramme für die Menschen mit geringem Einkommen durch die kommunalen, Landes und der Bundesregierung
- Erhöhung der Mittel für die verschiedenen “Minha Casa Minha Vida” Programme und Überarbeitung deren Regeln
- das die Landesregierung ein Wohnraumprogramm mit den sozialen Bewegungen schafft
- die unmittelbare Zustimmung zum “Plano Diretor” durch die Stadtverwaltung São Paulos, mit Abgrenzung der ZEIS, Cota da Solidariedade, öffentlicher Teilnahme und sozialer Kontrolle
- im Besonderem von der Stadtregierung São Paulos fordern wir die Bestimmung von Landstücken im Besitz der Gemeinde und COHAB, und zudem den Erwerb von Gebäuden und Landstücken, um 15000 Wohneinheiten im Verbund mit den sozialen Bewegungen zu schaffen; die Bestärkung des Gemeinderats zu Wohnraum und einen permanenten Kanal zum Dialog mit der Gemeindeverwaltung.
São Paulo, 07 April 2014.
CENTRAL DE MOVIMENTOS POPULARES
FRENTE DE LUTA POR MORADIA
UNIAO DOS MOVIMENTOS DE MORADIA
Übersetzungen von de.squat.net