Liebe Genoss_Innen, liebe Freund_Innen, Für den 26. April 2014 rufen wir zu einer antifaschistischen Demonstration in Memmingen auf, bei der wir an den dort von einem Neonazi ermordeten Peter Siebert erinnern möchten. Diese Demo spielt im Hinblick auf neonazistische Umtriebe im Allgäu eine große und wichtige Rolle, denn die Neonazi-Szene in Memmingen und Umland stellt wohl mit eine der größten rechtsradikalen Zusammenhänge im Allgäu dar.
Mangelnder Widerstand und Ignoranz von Behörden und Bevölkerung hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich Neonazis im Allgäu viel zu wohl fühlen und deren Strukturen hier im ländlichen Raum fest verankert sind.
Die Stadtverantwortlichen blenden das Nazi-Problem wie so oft aus (1) und der Memminger und Kemptener Staatsschutz verschaffen sich lieber Zutritt zu den Räumen von Antifaschist_innen und entwenden deren Infrastruktur – angeblich um dort nach Indizien für die Nazis zu suchen, die im vergangenen Oktober Antifaschist_innen in Memmingen mit Messern attackierten (2) - anstatt diese direkt anzugehen.
(1) http://www.all-in.de/nachrichten/lokales/Memminger-Stadtrat-lehnt-Fachstelle-gegen-Rechtsextremismus-ab;art26090,1447971
(2) https://react.or.ke/presse/Staatsschutz_tritt_nach/
Diese paar wenigen Antifaschist_innen in Memmingen sind stark eingeschüchtert und haben im Hinblick auf den 26.04., an dem auch mit nationalem Widerstand aus Kreisen der NPD und freien Kräften zu rechnen ist, „Angst um ihr Leben“.
Das antirassistische Jugendaktionsbüro hat sich bewusst dazu entschlossen offensiv mit dem Neonazi-Problem im Allgäu umzugehen und rückt damit verstärkt ins Visier ihrer Gegner_innen. Dies machen vor allem sich häufende Gewaltandrohungen an verschiedenen Stellen im Internet deutlich.
Wir wollen mit der Gedenkdemonstration im April nicht nur an den ermordeten Peter Siebert erinnern und den Neonazis zeigen, dass ihr Treiben nicht unbemerkt bleibt. Wir wollen auch denjenigen Menschen in Memmingen, die sich in Anbetracht der neonazistischen Präsenz in der Stadt „ohnmächtig“ oder eingeschüchtert fühlen oder sogar um ihre Sicherheit fürchten, zeigen, dass eine Menge entschlossener Menschen hinter ihnen steht! Je mehr Menschen die Demo unterstützen und am 26.04. mit uns auf die Straße gehen, desto schwerer wird es für die Nazis lokale Aktivist_innen als solche zu identifizieren.
Darum fordern wir Solidarität mit den paar wenigen Aktivist_innen im Allgäu und bitten euch die Demo und den unten stehenden Aufruf zu unterstützen und zu unterzeichnen, ihn zu verbreiten und möglichst viele Menschen (natürlich auch mit eigenen Aufrufen!) zu mobilisieren und gemeinsame Fahrten zu organisieren, um am 26. April gemeinsam an Peter Siebert und alle anderen Opfer rechter Gewalt zu erinnern und vor allem der örtlichen Neonazi-Szene klar zu machen, dass wir uns von deren Präsenz nicht einschüchtern lassen!
Um den Aufruf zu „unterzeichnen“ genügt eine kurze Nachricht auf unsere Emailadresse: antira[ät]react.or.ke, dann werdet ihr in unserer Unterstützer_Innen-Liste geführt und verlinkt. (http://react.or.ke/siebert)
Natürlich sind wir jederzeit offen für Fragen, Kritik, Anregungen und Vernetzung.
Freuen würden wir uns auch über Redebeiträge und andere Unterstützung.
Gerne verschicken wir auch Mobimaterial. Den offiziellen Flyer zum einbinden auf eurer Homepage oder eurem Blog findet ihr als jpg-Datei im Anhang.
Wir bitten außerdem darum den Unterstützungs-Aufruf an eure Kontakte weiter zu leiten. Herzlichen Dank!
Solidarische Grüße Das Antirassistische Jugendaktionsbüro in Kempten
Demoaufruf:
In Gedenken an Peter Siebert – Gegen Nazis und ihre Umtriebe!
In der Nacht zum 26. April 2008 wird der 40-jährige Peter Siebert von seinem 22-jährigen Nachbarn, dem Neonazi Alexander B. in Memmingen erstochen. Zuvor hatte sich das Opfer (nicht zum ersten mal) über den lauten Rechtsrock seines Nachbarn beschwert und diesem seine braune Gesinnung vorgeworfen. Im Laufe des Streits verfolgte Alexander B. seinen Nachbarn bis in dessen Wohnung und stach ihn dort mit einem Bajonett nieder.
Im Dezember 2008 wurde der Täter nach nur einem Prozesstag vom Landgericht Memmingen wegen Totschlags (!) zu acht Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Eine rechts motivierte Tat wurde von den Behörden damals nicht in Betracht gezogen, obwohl Alexander B. vor dem Prozess zugegeben hatte, er habe mit Siebert gestritten, „weil ich rechts bin". Erst zwei Jahre nach der Verurteilung räumte Manfred Mürbe, Vizepräsident des Landgerichts Memmingen, ein, dass ein rechtsextremer Hintergrund „wahrscheinlich" sei. Trotzdem taucht der Fall Peter Siebert bis heute nicht in der offiziellen Statistik der Todesopfer rechter Gewalt auf.
746 weitere Tötungsdelikte, die bundesweit zwischen 1990 und 2011 insgesamt 849 Todesopfer gefordert haben, sollen erneut auf rechte Motive „geprüft" werden, nachdem diese Fälle in einer oberflächlichen Überprüfung „Anfangsverdachtsmomente für ein rechtsextremes Tatmotiv" her gaben. Darunter auch 137 Fälle der „Opferlisten" nicht-staatlicher Stellen, davon 40 in Bayern. (1) Die Ereignisse um Peter Siebert sind einer davon. (2)
Peter Siebert bleibt auch nicht das einzige Opfer neonazistischer Gewalt im Allgäu. Am 17. Juli 2013 wurde in Kaufbeuren ein 34-jähriger Spätaussiedler vom Neonazi Falk. H (Meiningen) mit nur einem Faustschlag so schwer am Kopf verletzt, dass er bewusstlos zu Boden ging und am Folgetag starb. (3) Der Prozess gegen Falk H. beginnt am 30. April 2014 in Kempten (Allgäu). (4)
Damals erregte die Gewalttat in Kaufbeuren sowie der grausame Tod von Peter Siebert in und um Memmingen kein besonders großes Interesse bei der Bevölkerung, obwohl in der „idyllischen Kleinstadt“ schon seit Jahren ein sehr ernst zu nehmendes Naziproblem fest zu stellen ist, das die Stadt aber nach eigenen Angaben angeblich „im Griff“ hat. Mit diesem „Argument" lehnte der Memminger Stadtrat auch eine vom Bündnis „Memmingen gemeinsam gegen rechts" beantragte „Fachstelle gegen Rechtsextremismus" ab. (5)
Zur Situation in Memmingen (6):
Tatsächlich gibt es seit Jahren immer handfestere Hinweise auf ein Erstarken von Neonazistrukturen im Allgäu. Ein großer Teil der rechtsradikalen Szene hat in Memmingen eine Basis gefunden, die es ihnen ermöglicht problemlos zu agieren. Bereits im Jahr 2002 gründete sich im Memminger Umland die Neonazikameradschaft »Voice of Anger« (VoA). Die Gruppe nimmt seit mehreren Jahren aktiv an deutschlandweiten Demonstrationen und Rechtsrockfestivals teil. Außerdem stellen sie ihre Zugehörigkeit zu der neofaschistischen Kameradschaft offen zur Schau und es wird ihnen ermöglicht sich wie selbstverständlich auf den Straßen Memmingens zu bewegen, ohne ernsthaft als die Gefahr erkannt zu werden, die sie darstellen.
Meist ähnelt ihr Erscheinungsbild Angehörigen der Skinhead Subkultur, jedoch gibt es auch die neuere Tendenz, sich nicht nur optisch dem Rocker-Milieu anzunähern. Die meisten Mitglieder der Neonazigruppe stechen besonders dadurch hervor, dass sie mit dem Aufdruck - insbesondere auf ihren Clubjacken - ihres Logos, welches zur Hälfte das Stadtwappen von Memmingen und zur anderen Hälfte einen gekreuzigten Skinhead zeigt, in die Öffentlichkeit treten. Auf beinahe jeder Großveranstaltung (Jahrmarkt, Stadtfest, etc.) sind sie nicht nur deutlich - in großer Zahl - sichtbar, sondern verhalten sich auch bewusst aggressiv und machen nicht selten auch durch körperliche Gewalt von sich reden.
Ein Beispiel dafür ereignete sich am Wochenende vom 5. auf den 6. Oktober. 2013. In dieser Nacht kam es fast zu einem blutigen Aufeinandertreffen von drei Antifaschist_innen und 2 Neonazis welche »VoA« zugeordnet werden konnten. Die Antifaschist_innen konnten rechtzeitig fliehen und sich in Sicherheit bringen, nachdem einer der beiden Nazis sie mit einem Springmesser bedrohte.
Zudem gibt es Hinweise darauf, dass »VoA« eine Verbindung zum in rechten Kreisen bekannten Szenedruckladen »EPS-Werbetechnik« pflegt. Diese Druckerei ist zunächst nicht als Anlaufpunkt für rechte Propaganda zu erkennen. Vertrieben werden aber, wie sich bei genaueren Recherchen ergab, einschlägige Produkte wie T-Shirts mit dem Aufdruck »I love NS« oder »Sstaffel«.
Ebenfalls hat das einflussreiche Rechtsrock-Label »Oldschool Records« seinen Hauptsitz in Memmingen. Es wird vermutet, dass auch deren Musik im »EPS-Werbetechnik« in der Lindenbadstraße käuflich zu erwerben ist. Auf der Internetseite des Labels sind die T-Shirts mit den vorher genannten Aufdrucken wieder zu finden.
Bei »Oldschool Records« finden unter anderem lokal bekannte Bands wie »Faustrecht« (Mindelheim), »Codex Frei« (Memmingen) und »Southern White Punks« (Augsburg) Unterstützung beim braunen Merchandising. Diese sind auch international unterwegs. »Faustrecht« zum Beispiel spielte auf diversen »Blood & Honour« Konzerten in Belgien und Italien.
Wie deutlich erkennbar ist wird das Treiben rechtsradikaler Strukturen in Memmingen meist geduldet oder aber zumindest ausgeblendet... und es wurde schon viel zu lange weg geschaut...!
Darum werden wir am 26. April, an dem sich der Todestag von Peter Siebert zum 6. Mal jährt – im Gegensatz zu all den Jahren zuvor - in Memmingen laut sein!
Wir werden laut sein gegen die Nazis von »Voice of Anger«, »Oldschool Records« und auch »EPS-Werbetechnik« und ihnen und ihren Sympathisant_Innen zeigen, was wir von ihnen und ihrem brauen Mist halten!
Wir werden laut sein gegen die Ignoranz der Behörden und auch gegen das Wegsehen der Bevölkerung!
Und wir werden laut sein für Peter Siebert und dafür, dass er nicht - wie so viele andere – weg geschaut und weg gehört, sondern seinem Mörder gezeigt hat, was er von ihm und seiner Gesinnung hält!
Für ein lautes Gedenken an Peter Siebert und alle anderen Opfer rechter Gewalt!
Remembering means fighting! Gegen Nazis, ihre Umtriebe und die bis in die „Mitte der Gesellschaft“ verbreiteten Bestandteile ihrer menschenverachtenden Ideologie!
Demonstration zum Gedenken an Peter Siebert
Samstag 26.04.14 14 Uhr Bahnhof Memmingen
Quellen:
(2)http://jungle-world.com/artikel/2014/08/49366.html
(4)http://jungle-world.com/artikel/2014/08/49366.html
(6) http://vruzt.resyst-a.net/Ausgaben/03/artikel/Zur_Situation_in_Memmingen/