Autonome Aufzüge in Kreuzberg und Moabit
Den weitgehend friedlichen Autonomen-Aufzügen in Kreuzberg und Moabit folgte eine ruhige Nacht. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz.
Wortgewaltig war sie, die linksextreme Szene. Doch bei der groß angekündigten „Antirepressionsdemo“ in Moabit war die Polizei am Samstag eindeutig besser aufgestellt, und das lag nicht nur an der Zahl der 1800 eingesetzten Beamten. Mehrere Hundertschaften waren aus anderen Bundesländern zur Unterstützung angefordert worden. Die Anmelderin der als krawallträchtig eingestuften Demo beendete den in der Thusneldaallee gestarteten Zug bereits nach einer guten halben Stunde gegen 18 Uhr vor dem Kriminalgericht.
Zuvor hatte die Polizei etwa 25 Personen wegen verbotener Vermummung aus dem Demozug heraus festgenommen. „Bitte unterlassen Sie das Anlegen von Vermummung in der Versammlung“, hatte sie zuvor unter dem Account @PolizeiBerlin_E warnend getwittert – die Demo bot ihr erstmals die Gelegenheit zum Anwenden ihres neuen Kommunikationskanals unter verschärften Einsatzbedingungen.
Für 22 Uhr mobilisierte die linke Szene zum MoritzplatzNach dem offiziellen Ende der Demonstration krachte zwar noch ein Polenböller, aber auch er verpuffte. Früher war dies oft das Signal zum Überrennen der Polizeikette. Nicht so in Moabit: Friedlich entfernten sich die Teilnehmer der Demo, optisch überwiegend dem schwarzen Block angehörig, wie von der Polizei über Lautsprecher befohlen, zum U-Bahnhof Turmstraße. „Schwach“ lästerte ein leitender Polizeibeamter über den Auftritt der Autonomen.
Schon kurz nach Beginn hatte sich Polizeipräsident Klaus Kandt am Rande des Zuges optimistisch gezeigt, dass es in Moabit nicht zu Ausschreitungen kommen werde – er sollte recht behalten. Zeitgleich mit dem Ende der Demo mobilisierte die linke Szene im Internet aber für 22 Uhr zu einer weiteren, diesmal unangemeldeten Demo zum Moritzplatz nach Kreuzberg. Die Polizei hielt sich dort bis zum genannten Zeitpunkt bedeckt, sperrte dann aber den Platz schlagartig mit starken Kräften ab. Die U-Bahnen der Linie 8 hielten vorübergehend nicht am Bahnhof Moritzplatz, die Buslinien M29 und 140 umfuhren den Platz.
Auf diesem Platz befanden sich etwa 60 Personen, vielleicht 100 weitere in den umliegenden Straßen. Doch auch als wenig später wieder ein Böller krachte, passierte nichts. Per Twitter versuchte die Polizei vergeblich einen Verantwortlichen zu finden und räumte dann das Areal in Richtung Heinrich-Heine-Straße. Bis zum späten Sonntagabend war die Situation friedlich und unter Kontrolle. Gegen 23 Uhr floss der Verkehr wieder, die verbleibenden Demonstranten wurden auf den Bürgersteig gebeten.
Auch in der Nacht blieb es in Berlin ruhig. Ob ein Feuer am frühen Sonntagmorgen beim Autoverleiher Robben & Wientjes in der Prinzenstraße in Kreuzberg in Zusammenhang mit linksextremistischen Aktivitäten steht, blieb zunächst unklar. Ob es sich bei dem Brand, durch den mehrere Mietwagen zerstört wurden, um Brandstiftung handelt und wenn ja aus welchem Motiv, konnte die Polizei noch nicht sagen. Die Beamten ermitteln in alle Richtungen. Die Feuerwehr löschte die Flammen am Sonntagmorgen.
Die Demo sollte an Orten angeblicher staatlicher „Repression“ vorbeiführen. In Moabit waren es nach Polizeizählung 750 Teilnehmer gewesen, die Organisatoren hatten mindestens 1000 angekündigt. Die angeblich bundesweite Mobilisierung war weitgehend erfolglos, die Polizei beobachtete lediglich 40 Autonome, die aus Magdeburg angereist waren.
Im Vorfeld hatte es um die Route der Demo einigen Streit gegeben. Diese sollte an möglichst vielen Orten angeblicher staatlicher „Repression“ vorbeiführen: dem Amtsgericht Tiergarten, dem Gefängnis Moabit, dem Kriminalgericht, dem Innenministerium und der Bereitschaftspolizei. Zu dem vor Demonstrationen üblichen „Kooperationsgespräch“ war die Anmelderin nicht erschienen, die Polizei hatte deshalb die eingereichte Route aus Sicherheitsgründen verändert: Durch die enge Kirchstraße mit dem Amtsgericht durften die Teilnehmer nicht ziehen.
Polizeipräsident Kandt: „Hamburg ist nicht Berlin“Dort hatte die Polizei schon am Mittag Absperrgitter auf Vorrat gestapelt. Die Demo sollte nach Vorgabe der Polizei zunächst über die Spree und ins Hansaviertel führen, um sich dem Gerichtsgebäude auf Sichtweite von Süden aus zu nähern und dann abzubiegen ins Helgoländer Ufer. Doch das wollten die Autonomen angeblich nicht. Mehrfach hieß es im Vorfeld in Beiträgen auf linken Internetseiten, dass man dies niemals akzeptieren und die eigene Route „durchsetzen“ werde. Doch in Moabit knickte die Anmelderin kurz vor Beginn ein, sie akzeptierte die Polizei-Route. Da sie aus der Vergangenheit auch dafür bekannt ist, Demonstrationszüge überraschend aufzulösen, ja noch nie einen Zug bis zum angekündigten Endpunkt führte, stellte dies die Polizei vor keine Probleme: Am Samstagabend gelang es der gewaltbereiten Szene in Moabit nicht, die Situation zu nutzen.
In Hamburg war es den Autonomen, darunter in vorderster Front dem Berliner Block, am 21. Dezember in einer ähnlichen Situation gelungen, schwerste Ausschreitungen anzuzetteln. In einem Aufruf der linken Szene hatte es unter Bezug auf Hamburg im Vorfeld geheißen: „HH2112 heißt jetzt B2203“. Das schafften die Autonomen nicht. „Hamburg ist nicht Berlin“, sagte Polizeipräsident Kandt.
Unterdessen wurde am späten Freitagabend ein Bekennerschreiben zu einem Anschlag aus der Nacht zuvor veröffentlicht. Wie berichtet, hatten Linksextremisten in Reinickendorf Gebäude und Autos der Post, von Jobcentern und des Elektronikkonzerns Canon attackiert. Bei Canon in der Aroser Allee hinterließen die Unbekannten den Schriftzug „Repression ist...“ Canon sei Ziel der Aktion, „weil sich die Firma am Vertrieb von verschiedensten Überwachungskameras und der dazugehörenden Software beteiligt“, hieß es in der Selbstbezichtigung, die mit „die flinken“ unterzeichnet ist. Das Pamphlet schloss mit der Aufforderung:„Kommt zur Antirepressionsdemo“. Auch in den Nächten davor hatte es mehrere Anschläge gegeben, darunter auf Jobcenter und die BVG.