Dresden. Die Zahl rechter Angriffe in Sachsen ist im vergangenen Jahr wieder angestiegen. Nach den Zahlen der Opferberatung der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e.V. (RAA Sachsen) gab es im vergangenen Jahr 223 Fälle mit insgesamt 319 Opfern. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 42 Prozent. Regionale Schwerpunkte waren Leipzig, Dresden und der Erzgebirgskreis.
„Diesen
Zuwachs sehen wir durchaus in Zusammenhang mit der oft
vorurteilsbeladenen und teilweise offen rassistisch geführten Debatte
über Asylsuchende. Abwertung und Ausgrenzung sind der Nährboden für
rassistische Gewalt“, sagt Andrea Hübler, Beraterin des RAA.
Demonstrationen gegen Asylsuchende wie in Schneeberg oder Leipzig würden
dazu beitragen, dass die Hemmschwelle für Gewalt sinke.
Waren
bis 2011 Angriffe gegen „Nicht Rechte und Alternative“ in der Überzahl,
sind inzwischen rassistisch motivierte Übergriffe in der Mehrzahl. Diese
passierten oft mitten in der Öffentlichkeit und aus dem Nichts heraus,
so Hübler.
Leipzig und Dresden bleiben Spitzenreiter
Die
Zahlen seien „erschreckend hoch“, sagte Robert Kusche,
Bereichsgeschäftsführer der Opferberatung. Rein statistisch gebe es
jeden zweiten Tag irgendwo in Sachsen einen Angriff.
Die
regionale Verteilung schwankt dabei teilweise. Leipzig und Dresden
bleiben unrühmliche Spitzenreiter. In Leipzig stieg die Zahl der Fälle
von 23 auf 58, in Dresden von 23 auf 33 Fälle. Auf Platz drei schob sich
der Erzgebirgskreis hervor. Weitere Schwerpunkte sind der Landkreis
Nordsachsen mit 21 Fällen, Chemnitz mit 18 Fällen sowie Mittelsachsen
und die Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit je 17 Fällen. Stark
gesunken ist die Zahl der Angriffe im Landkreis Leipzig, unter anderem
weil ein regelmäßig betroffener Imbissbetreiber die Region mittlerweile
verlassen habe.
Der RAA zählt in seiner Statistik ausschließlich
Gewalttaten, also keine Beleidigungen oder einfache Sachbeschädigungen.
Die Einordnung, ob es sich um rechte oder rassistisch motivierte Gewalt
handele, erfolge nach einem ähnlichen Katalog wie beim
Landeskriminalamt. Dass die Zahlen mit der offiziellen Statistik nicht
überein stimmen, hat laut Hübler zwei Gründe. Zum einen gibt es Fälle,
die die Behörden nicht als rechtsmotiviert einstufen, der RAA schon, zum
anderen werde nicht jeder Fall von den Betroffenen zur Anzeige
gebracht. Laut Hübler werde jeder vierte bekannte Fall nicht bei der
Polizei angezeigt.
RAA fürchtet hohe Dunkelziffer
Zudem
gibt es vor allem in den ländlichen Regionen eine hohe Dunkelziffer.
Neben Aussagen von Betroffenen gegenüber der Opferberatung bekommt der
RAA seine Infos auch von der Polizei und von regionalen Partnern vor
Ort. Und da gebe es in verschiedenen Landkreisen noch einige „weiße
Flecken“, so Hübler.
Wie viel Einfluss das auf die Statistik hat,
zeigt der Erzgebirgskreis. Hier gewann der RAA im vergangenen Jahr neue
Kooperationspartner und schon schnellten die Zahlen von drei Fällen
2012 auf 32 Fälle 2013 nach oben. 85 Prozent davon wurden bei der
Polizei nicht angezeigt, meist aus Angst vor Rache durch die Täter.
Für
viele Opfer sei die Hemmschwelle, Angiffe zu melden, sehr hoch. So
hätten sich linke Jugendliche vor Ort oft an einen gewissen Grad an
Gewalt gewöhnt, erst wenn statt einem blauen Auge dann ein gebrochener
Arm heraus kommt, würden sie sich offenbaren. Auch Asylbewerber würden
sich oft nicht offenbaren, teils aus Angst, teils aus Unkenntnis von
Angeboten wie der Opferberatung.
Forderung nach klarer Positionierung gegen rassistische Angriffe
Für
die Zukunft wünschen sich die Mitarbeiter des RAA eine klare
Positionierung von öffentlichen Stellen. Durch die steigende Zahl von
Asylbewerbern in Sachsen bestehe durchaus die Gefahr, dass die Zahl der
Gewalttaten weiter ansteigt, vor allem in Orten, in denen Neonazis
gezielt Vorurteile schüren.
Umso wichtiger sei es, Angriffe
offen, klar und deutlich zu verurteilen, sagt Andrea Hübler. Auch
Gerichte müssten deutliche Zeichen setzen. Wenn Richter den angeklagten
Neonazis noch positive Sozialprognosen bescheinigten, wie kürzlich in
Hoyerswerda, sei das ein völlig falsches Zeichen. Wer rassistische
Angriffe nicht deutlich ächte, sondern stattdessen noch Verständnis für
die Täter zeige, der begünstige Folgetaten.