Stell dir vor, Neonazis demonstrieren und keiner protestiert dagegen. Der ungestörte NPD-Aufmarsch unlängst in Waren hat die Mitglieder des Kreistags aufgerüttelt. Künftig will das Gremium informiert werden. Ob das auch für den anstehenden Tollensemarsch gilt?
Dass Neonazis marschieren und keiner davon weiß, will der Kreistag Mecklenburgische Seenplatte in Zukunft unbedingt verhindern.
Das darf nicht noch mal passieren, finden die Vertreter der demokratischen Parteien im Kreistag. Rund 50 Rechtsextreme marschierten vor wenigen Tagen ohne jede Gegen-Aktion durch die Warener Innenstadt. Die Demonstration war als Eilversammlung erst an dem Tag angemeldet worden, selbst der Bürgermeister erfuhr erst wenige Stunden zuvor davon.
Künftig sollen der Kreistagspräsident und das Präsidium des Kreistages deshalb „unverzüglich“ unterrichtet werden, wenn „Versammlungen von politischen Parteien oder Wählergemeinschaften“ angezeigt werden. Den Dringlichkeitsantrag beschlossen die Abgeordneten mehrheitlich – gegen die Stimmen der NPD, die schlussfolgerte, man wolle diese Vorab-Information, „um unsere Aktionen zu torpedieren“.
Braunes Image vermeiden
„Eine Demokratie muss auch wehrhaft sein“, begründete Thoralf Schnur (FDP) den gemeinsamen Antrag seiner Fraktion FDP/Freie Wähler/ Wählergemeinschaft ländlicher Raum und der SPD, CDU, Linken sowie Grünen. Man wolle keine Daten weitergeben, sondern nur in Kenntnis gesetzt werden. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Region sei durch Versammlungen der Nationaldemokratischen Partei geprägt.
Warum die überhaupt stattfinden dürfen, fragte Klaus Salewski (Linke) erneut nach. Rainer Plötz, Ordnungsamtschef des Kreises, betonte, man sei gehalten, „nach Recht und Gesetz“ zu arbeiten. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gelte für jeden. Eine Versammlung unter freiem Himmel werde nur angezeigt, nicht genehmigt. Die Behörde habe auch bei der Aktion in Waren gewissenhaft in Zusammenarbeit mit der Polizei geprüft, ob diese „im Einklang mit Ordnung und Sicherheit“ sei. Die NPD habe die Versammlung mit 20 Teilnehmern angesetzt, 53 seien es dann gewesen. Für Klaus Salewski blieb trotzdem unverständlich, warum der Aufmarsch nicht verhindert werden konnte. „Es gibt auch andere Kreisverwaltungen, die anders entschieden haben“, sagte er.
Rechtsextreme tarnen Marsch als Wanderung
Auch an diesem Sonnabend werden sich aller Voraussicht nach wieder Anhänger der rechten Szene in Neubrandenburg treffen – zum Tollensemarsch. Dies hat der Nordkurier von Kennern der Szene erfahren. Beim Ordnungsamt liegt keine Anmeldung für eine Demonstration vor, denn das Treffen wird als Wanderung getarnt. „Sollte der Marsch tatsächlich stattfinden, wird die Polizei das anlassbezogen begleiten“, heißt es von einer Polizeisprecherin.
Linke planen Gegenaktion
„Sie werden nicht unkommentiert marschieren“, kündigt Regina Bärens von den Linken an. Organisatorisch wird es aber nicht so leicht, denn am Sonnabend wollen die Linken ihre Kandidaten für die Stadtvertretung bestimmen. „Uns wird aber etwas einfallen“, sagt Bärens. Die Linke hat in den vergangenen Jahren stets mit einer Aktion auf den Marsch um den Tollensesee reagiert. Im Vorjahr hatten sie beispielsweise einen Stand am Badehaus aufgebaut. Die CDU wird am Sonnabend keine eigenen Aktionen vor Ort unternehmen, da sie die Veranstaltung nicht noch aufwerten wolle, sagt Frank Benischke.