Unseriöse Radikalität

Erstveröffentlicht: 
23.12.2013

Die NPD legt ihrem Ex-Chef den Parteiaustritt nahe. Ein Hardliner soll die Partei kommissarisch führen.Von Michael Klarmann.

 

Eine Ironie der Geschichte? Anfang Dezember reichten die Bundesländer den NPD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht ein – nach jahrelanger Diskussion und trotz der Gefahr eines Scheiterns (Unschuldslämmer). Wenige Wochen später versinkt die rechtsextreme Partei in einer Schlammschlacht. Nach dem Rücktritt des (Ex-)Vorsitzenden Holger Apfel legt die NPD diesem sogar nahe, die Partei zu verlassen. Derweil soll der für seine Radikalität bekannte Vizeführer Udo Pastörs das Ruder herumreißen.

 

Apfel war am Donnerstag überraschend von seinen Ämtern zurück getreten, angeblich wegen eines Burn-Outs (Vaterland ist ausgebrannt). Am Sonntag traf sich deswegen das Parteipräsidium zu einer Sondersitzung. Am Ende stand eine Stellungnahme, wonach ein "Befremden" geäußert wurde über die von Apfel angeführte Begründung des Rücktritts. Offenbar glaubt man dem ehemaligen Parteilenker gar nichts mehr, denn im Text setzt man das Wort Krankheit nur noch in Anführungsstrichen.

 

Weiter heißt es, Apfel habe "Vorwürfe, die Verfehlungen in der Vergangenheit betreffen, [...] bislang nicht entkräftet". Sollten sich "die im Raum stehenden Vorwürfe" bestätigen, wolle man Apfel "einen zeitnahen Parteiaustritt nahelegen". Dieser müsse zudem einen "umfangreichen Fragenkatalog" beantworten und zur "lückenlosen Aufklärung" beitragen. Näher geht das Präsidium, trotz der öffentlichen Quasi-Hinrichtung seines Ex-Parteichefs, nicht auf die Vorwürfe ein, jedoch kursieren Gerüchte und Vorwürfe, Apfel selbst habe einen jungen Wahlkampfhelfer sexuell belästigt.

 

Homosexualität und Missbrauch – für die NPD "volksfeindliche" Taten. Menschen stellen sich so außerhalb der "Volksgemeinschaft", gehören ausgegrenzt und hart bestraft, bis hin zur Todesstrafe. Für Apfel, der die Partei auf ein Biedermann-Image trimmen wollte und die "seriöse Radikalität" predigte, wohl der Todesstoß seiner politischen Laufbahn. Er selbst hatte in einer Stellungnahme, die am Donnerstag kurz auf einer NPD-Seite erschien und nur noch auf Neonazi-Portalen abrufbar ist, angegeben, dass auch "innerparteiliche Grabenkämpfe" und "Häme" Anlass für den Rücktritt seien.

 

Im Rahmen der Grabenkämpfe seien "zunehmend ehrverletzende Verleumdungen" hinzugekommen. Diese seien "zwar haltlos", aber ihm sei klar, dass er "den damit verbundenen Makel nicht losbekommen werde", so Apfel im Tonfall einer Kapitulation.

 

Dass es immer wieder Gerüchte über private Verfehlungen Apfels gegeben habe, bestätigten auch Sicherheitskreise. Das Gesamtbild der Partei ist also desolat, notorische Finanzprobleme führen in der Parteizentrale zu Kündigungen.

 

Zerlegt die NPD sich auch ganz ohne Verbot?


Nicht ganz. Richten soll es nun der bisherige Vizeparteichef Udo Pastörs, der wegen seiner radikalen Reden und Äußerungen immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Da, wo Apfel den Biedermann mimte, kennt Pastörs kaum noch Grenzen.

 

Er wollte schon die Parlamente erstürmen lassen (Lasst uns SA und NSDAP sein! und umschrieb das Zusammenspiel aus Demokratie und Kapitalismus im Sinne der NSDAP als "Judenrepublik". Das NPD-Präsidium befand jedenfalls, man werde dem Parteivorstand bis zur Neuwahl eines Vorsitzenden Pastörs als kommissarischen Parteichef vorschlagen.