Oranienplatz: Henkel nimmt den Druck raus

Erstveröffentlicht: 
27.11.2013

Erst kündigte er an, das Flüchtlingslager am Kreuzberger Oranienplatz räumen zu lassen, jetzt hat Innensenator Frank Henkel (CDU) seine Drohung entschärft. Im Camp übernachten unterdessen wieder 60 Menschen.

 

Einen Tag, nachdem Innensenator Frank Henkel (CDU) dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg quasi mit Entmachtung drohte, falls das Camp am Oranienplatz nicht geräumt wird, entschärfte er am Mittwoch den Ton. In einem dreiseitigen, in nüchtern-juristischem Ton verfassten Brief, der der Berliner Zeitung vorliegt, teilt er der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) mit, dass er „vorerst“ den Senat nicht mit „bezirksaufsichtsrechtlichen Maßnahmen“ befassen werde.

 

Sie wird in dem von Staatssekretär Bernd Krömer verfassten Schreiben lediglich gebeten, das Camp bis zum 16. Dezember zu räumen, da es sich um einen Regelverstoß handele. Es handele sich um eine „freundliche Erinnerung“ an ihre Pflichten, kein Ultimatum, heißt es aus Senatskreisen. Von Sanktionen gegen Herrmann ist nicht mehr die Rede.

 

Am Vortag hatte es sich noch so angehört, als ob Henkel den Platz selbst räumen lassen werde, wenn das Bezirksamt bis zum 16. Dezember keine Lösung findet. Das soll nun ein Missverständnis gewesen sein. „Henkel hat noch nicht die Kavallerie gesattelt“, sagt ein Vertrauter des Senators. Die Bezirke sind formal eigenständig, ein Eingreifen muss der Senat extra beschließen. Soweit sei man noch lange nicht, heißt es aus Senatskreisen. Senatssprecher Richard Meng war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

 

Unkalkulierbare Risiken

 

Woher der Sinneswandel von Henkel kommt, ist unklar. Offenbar war sein Vorgehen nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt. In den Sitzungen habe das Thema keine Rolle gespielt, berichten Teilnehmer. Henkel wolle den Weg zu Verhandlungen offen halten, heißt es nun. Eine Einmischung birgt für die rot-schwarze Regierung auch unkalkulierbare Risiken. Wer will schon unschöne Bilder produzieren, auf denen heimatlose Afrikaner verjagt werden, so kurz vor Weihnachten.

 

Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann bleibt unterdessen hart. Man werde die Zelte trotz des Streits nicht abreißen lassen, sagte sie am Mittwoch nach einem besuch des Camps. Dort übernachten wieder rund 60 Menschen. Herrmann hat seit Wochen erklärt, dass sie die Wohnzelte weghaben will. Nur ein Info-Zelt für den politischen Kampf der Flüchtlinge soll eine unbefristete Genehmigung bekommen. In einer Mammut-Sitzung am Dienstag hatte sich das Bezirksamt auf eine etwas unklare Haltung geeinigt, die zusammengefasst so lautet: Das Wohncamp auf dem Oranienplatz wird nicht länger unterstützt, es wird aber auch nicht geräumt.

 

Zur Not auch mit Hilfe der Polizei

 

Um selbst nicht tätig werden zu müssen, wird an die Flüchtlinge appelliert, die Zelte freiwillig zu verlassen. Vor allem wegen des Wetters. „Es besteht nach Einschätzung des Bezirksamtes eine mindestens latente Gefahr für die Gesundheit der Menschen, die bei diesen Temperaturen in Zelten übernachten“, heißt es in der Mitteilung des Bezirks. Den Flüchtlingen wird empfohlen, die „ausreichenden Angebote der Kältehilfe in Berlin“ in Anspruch zu nehmen. Auch unter den Bezirksverordneten, die am Mittwochabend tagten, war Ratlosigkeit zu spüren. Eine Räumung wurde mehrheitlich abgelehnt. Nur die CDU forderte, auf dem Oranienplatz und in der ebenfalls besetzten ehemaligen Schule an der Reichenberger Straße „wieder rechtmäßige Zustände“ herzustellen. Zur Not auch mit Hilfe der Polizei.

 

Die Grünen, die nicht nur im Bezirksamt, sondern auch im Bezirksparlament am stärksten vertreten sind, wollen sich allerdings erst einen Überblick verschaffen. „Wir sollten einige Tage warten und gucken, wer dann noch auf dem Platz wohnt“, sagte Fraktionschefin Paula Riester.

 

Bei der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg spricht man von einer „unglücklichen Situation“. Der Bezirk habe sich in eine Lage manövriert, aus der nur schwer wieder herauszukommen sei, sagte Fraktionschef Andy Hehmke. Er hat vor allem die sogenannten Unterstützer der Flüchtlinge im Visier: „Sie instrumentalisieren die Flüchtlinge für ihre Ziele, eine andere Asylpolitik, die jedoch der Bezirk gar nicht leisten kann.“