Mitten in Dortmund, mit mehreren Hundert Besuchern und vier Rechtsrock-Bands wollte die Partei „Die Rechte“ am Samstag in den Kommunalwahlkampf starten. Das klappte nicht. Man traf sich stattdessen im tiefsten Baden-Württemberg; nur 120 Neonazis kamen; und auch eine der Bands fehlte.
Von Tomas Sager
Ganz groß aufziehen wollte der Dortmunder Kreisverband von Christian Worchs Partei seinen „Wahlkampfauftakt“. Am 25. Mai wählen die Nordrhein-Westfalen ihre Stadträte und Kreistage. In der Ruhrgebietsstadt, wo „Die Rechte“ (DR) die Nachfolge der verbotenen Neonazi-Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) angetreten hat, rechnet sie sich am ehesten Chancen aus – mit einem bundesweit bekannten Neonazi als „Spitzenkandidat“: Siegfried Borchardt, „SS-Siggi“ gerufen, der seit den frühen 80er Jahren in der tiefbraunen Szene aktiv ist.
Mitarbeiter der Dortmunder Stadtverwaltung sorgten dafür, dass aus den Planungen für das Konzert, bei dem zugleich Borchardts Geburtstag gefeiert werden sollte – zwei Tage vorher war er 60 geworden – nichts wurde. Gemeinsam mit der Polizei brachten sie in Erfahrung, wo das konspirativ vorbereitete Neonazi-Event mit bis zu 800 erwarteten Teilnehmern steigen sollte: in einer Lagerhalle in der Nähe des Dortmunder Hafens. Für solche Veranstaltungen fehle aber dort die erforderliche Baugenehmigung, befand das Planungs- und Bauordnungsamt und ließ führenden DR-Funktionären am Freitagnachmittag eine Ordnungsverfügung zukommen, mit der das Konzert untersagt wurde.
400 Kilometer Anreiseweg
Ein Eilantrag, mit dem „Die Rechte“ das Verbot kippen wollte, blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte am Samstagmittag die Entscheidung der Stadt. Schon direkt nach dem Verbot hatten die Konzertorganisatoren ihre „Kameraden“ wissen lassen, dass man eine andere Lokalität in der Hinterhand hab: „Wichtig: Es gibt für morgen eine Alternative, die angekündigten Bands werden ALLE spielen. Der Wahlkampfauftakt wird stattfinden – notfalls ein Stück entfernt. Seid flexibel!“ Man müsse aber auf jeden Fall mit Autos anreisen und „ggf. einen weiteren Anreiseweg“ einplanen.
Wie flexibel sie sein mussten, erfuhren die Neonazis dann ab Samstagmittag peu à peu, als sie per Telefon zunächst in den Raum Darmstadt gelotst wurden. Von dort ging es über Karlsruhe und Rastatt immer weiter gen Südwesten. Ziel war Rheinmünster-Söllingen, ein 1300-Einwohner-Dorf, westlich von Baden-Baden und an der deutsch-französischen Grenze gelegen. Dort schließlich, knapp 400 Kilometer und dreidreiviertel Autostunden von der Ruhrgebietsstadt entfernt, konnte der Dortmunder „Wahlkampfauftakt“ stattfinden. Immerhin: Aus Neonazi-Sicht durfte man sich in Söllingen „sicher“ fühlen. Im „Rössle“, einem Lokal am Rande des Orts, fanden von 2005 bis 2011 und dann wieder seit diesem Sommer wiederholt Veranstaltungen der Szene statt, in den letzten vier Wochen allein vier Konzerte.
Allerdings: Statt der von Dortmunds Neonazis erhofften 800 Teilnehmer zählte die Polizei nur rund 120 Besucher. Im Nebenraum der Gaststätte kletterten drei Bands auf die enge Bühne: „Klänge des Blutes“, „Sachsonia“ und als Höhepunkt des Abends „Die Lunikoff Verschwörung“, die Band des Ex-„Landser“-Sängers Michael Regener. Die vierte avisierte Gruppe, „Words of Anger“, fehlte. Ob die Band-Mitglieder den Veranstaltungsort nicht fanden oder die Anreise ihnen zu weit erschien, ist nicht bekannt.
25-Punkte-Programm
„Alles für Dortmund!“ stand auf einem Transparent hinter der kleinen Bühne, in der Mitte eine Zeichnung, die „Spitzenkandidat“ Siegfried Borchardt zeigte, umrahmt von einem Lorbeerkranz. Draußen vor dem Saal war ein Tisch aufgebaut, an dem ein DR-Funktionär T-Shirts, Aufkleber und andere Wahlkampfutensilien feilbot. „Weg mit dem NWDO-Verbot“ steht auf den in der Szene beliebten T-Shirts. Führende Ex-Mitglieder jenes „Nationalen Widerstands Dortmund“ stehen auf den ersten Plätzen der Kandidatenliste für den Stadtrat: Neben Borchardt der DR-Landesvorsitzende und Ex-NWDO-Anführer Dennis Giemsch (28), Landesvize Michael Brück (23) und der stellvertretende DR-Kreisvorsitzende Christoph Drewer (26). Fünfter auf der Liste ist Daniel Grebe (23).
Pünktlich zum „Wahlkampfauftakt“ veröffentlichte die „Rechte“ auch ein Programm: „25 Forderungen zur Dortmunder Kommunalwahl 2014“. Man muss die Zahl der „Forderungen“ nicht für zufällig halten. Eher dürfte es sich um eine bewusste Anspielung auf das 25-Punkte-Programm der NSDAP handeln. Als man noch als „Nationaler Widerstand“ unterwegs war und nicht als Partei, gehörten die 25 Punkte der Nazi-Partei zum festen Bestandteil von Schulungsabenden.