Kiez-Aktivisten fühlen sich bedroht

Erstveröffentlicht: 
23.07.2013

Kürzlich brannten vier Autos, nun gibt es ein Bekennerschreiben: Darin wird gegen Anwohner gehetzt, die sich für mehr Sicherheit einsetzen. Eine Anwohnerinitiative hatte sich zuvor gegen den Görlitzer Park als Drogenumschlagplatz formiert.

 

Der Konflikt im Görlitzer Park erreicht eine neue Qualität. In der Nacht zu Montag wurden Brände an vier älteren Fahrzeugen in der Görlitzer Straße gelegt, die Autos brannten vollständig aus. Zunächst ging die Polizei nicht davon aus, dass die Taten einen politischen Hintergrund haben. Am Montagnachmittag tauchte aber ein anonymes Bekennerschreiben auf der von linken Aktivisten genutzten Internetplattform linksunten.indymedia.org auf. Der oder die Verfasser übernehmen die Verantwortung für die Brandattacken.

Jetzt ermittelt der Staatsschutz.

 

"Kreuzberg: Feuer gegen rassistischen Bürgermob"

Das Schreiben hat den martialischen Titel: „Kreuzberg: Feuer gegen rassistischen Bürgermob.“ Wie berichtet, beschweren sich seit einiger Zeit Anwohner und Parkbesucher über den Drogenhandel im Park. Eine große Razzia der Polizei fand in der letzten Woche statt. Die Verfasser schreiben, dunkelhäutige Menschen im Park würden „als Dealer pauschalisiert, die sogar Kinder belästigen würden“. Kunden der Dealer seien auch Mitglieder der „jetzt Stimmung machenden Mittelschicht“. Diese „weiße Mittelschicht sei, so das Fazit der Autoren, als „rassistischer Bürgermob“ zu betrachten, deren Autos man nun angezündet habe. Dabei spiele der „Wert der Autos“ keine Rolle.

Ob der oder die Verfasser auch für den Brandanschlag verantwortlich sind, wird noch ermittelt. Bei Indymedia können Beiträge anonym und ohne vorherige redaktionelle Prüfung veröffentlicht werden. Das Schreiben kann also durchaus von einem Trittbrettfahrer stammen, der die Auseinandersetzung noch weiter anheizen möchte. Das Schreiben wurde von den Nutzern der Plattform sehr ablehnend kommentiert, von manchen Kommentatoren im Forum wird die Echtheit des Bekennerschreibens angezweifelt. Die Wirkung aber auf die Menschen vor Ort ist real.

Anfeindungen gegen Aktivisten

Im Fokus der Verfasser stehen die Anwohner, die sich gegen die Entwicklungen im Görlitzer Park positionieren. Dezidiert genannt werden die Initiative „Unser Görli – einer für alle“ und die Betreiber des Caférestaurants „Edelweiss“, welches sich im Görlitzer Park befindet. Die Frau des Betreibers, Katrin Jacob, hatte sich zuletzt öffentlich gegen den Drogenhandel im Park ausgesprochen und war deshalb tätlich angegangen worden. Als sie am Montag einen Spaziergang durch den Park machte, wurde sie nach eigener Aussage von einer Frau als „Rassistin“ beschimpft.

„Es geht mir ausschließlich um die Dealerproblematik – ich habe niemals jemanden wegen seiner Hautfarbe beurteilt. Mir ist auch klar, dass die Jungs die Ärmsten der Armen sind“, sagt Jacob. Im „Edelweiss“ arbeite ein multinationales Team ohne Vorbehalte zusammen – es sei einfach unfair, sie in die Rassistenecke zu stellen. „Ich möchte hier nicht die Böse sein. Es kann doch keinem gefallen, wenn die Dealer hier Überhand nehmen.“ Jacob wohnt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter im Kiez am Görlitzer Park. „Ich habe mich nicht versteckt und werde jetzt angefeindet – das kann es doch nicht sein.“

 

Mitgestaltung, nicht Verdrängung ist das Ziel

Auch bei „Unser Görli – einer für alle“ sorgt das Schreiben für Entsetzen. Die Vertreter der Initiative leben im Kiez, sehen sich persönlich bedroht. „Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen, das widerspricht allen unseren Zielen“, sagt ein Sprecher. „Wir sind ein Bürgerbeteiligungsprojekt des Grünflächenamts. Wir versuchen die Anwohner anzuregen, den Park mitzugestalten. Es geht uns nicht um die Verdrängung bestimmter Nutzergruppen“. Die Vertreter sehen sich zu Unrecht in den Fokus gerückt: „Wir werden instrumentalisiert. Hier wird Politik auf unserem Rücken gemacht – nichts liegt uns ferner, als den Park für uns zu vereinnahmen.“

 

Politiker verurteilen Brandanschlag

Alle Parteien verurteilten den Brandanschlag. Der CDU-Abgeordnete Burkard Dregger sprach von „verrückten linken Spinnern, die ihre Energie darauf verwenden sollten, sich ehrenamtlich zu engagieren und anständige Staatsbürger zu werden statt Chaos und Gewalt medial zu verbreiten“. Der SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam sieht in dem Schreiben keine Logik. „Spinner leben Gewaltfantasien aus und suchen krampfhaft eine Rechtfertigung für ihre Taten.“ Der Linkspolitiker Hakan Tas lehnt diese „Form von Gewalt“ ab, stellt aber die Frage, ob die Polizeimaßnahmen in der letzten Woche angemessen waren. Christopher Lauer von der Piratenfraktion verurteilt den Anschlag als „indiskutabel“ – allerdings müsse man über die Legalisierung von weichen Drogen diskutieren, um kriminelle Strukturen zu unterhöhlen. Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg, wollte keine Stellungnahme abgeben, solange die Hintergründe des Anschlags nicht geklärt sind.