Die Vorbereitungen für den Nato-Gipfel Anfang April gehen in die heiße
Phase – auf beiden Seiten. Am Sonntag trafen sich Friedensaktivisten in
Straßburg, trainierten Sitzblockaden und den Marsch auf die
Polizeikette.
Dicht an dicht marschieren sie nebeneinander, bilden einen massiven
Block. Mittendrin: Friedensaktivist Andreas Vogel. Er späht an seinem
Vordermann vorbei, duckt sich, versteckt sich hinter den breiten
Schultern. Frontal prallt der Block gegen die Menschenkette, die sich
vor ihm aufreiht. Mit aller Kraft stemmt sich Vogel nach vorn, schiebt
sich Zentimeter um Zentimeter voran. Plötzlich fächert sich der Pulk
auf, eine Lücke tut sich auf. Vogel sieht seine Chance gekommen,
täuscht links an, schreit "Block Nato" und schiebt sich rechts vorbei.
Geschafft – er hat die Kette durchbrochen.
Knapp 40 Gegner des Nato-Gipfels
üben auf dem Straßburger Place de la République in einem Rollenspiel
den Ernstfall: das Durchbrechen einer Polizeikette. Acht der Teilnehmer
mimen Polizisten, der Rest baut sich in fünf Reihen à sechs Leuten auf.
Andreas Speck, einer der Organisatoren der Gegner-Initiative Block Nato,
gibt über Megafon Anweisungen: "Zielbewusst laufen, nicht rennen!"
Gewalt lehnt Speck ab. "Wir vermitteln Methoden des zivilen
Ungehorsams, jeder soll auf alles vorbereitet ist."
Neulingen wie Kiemke Van Innis. Der 18-jährige Straßburger wirkt blass
in der orange-roten Warnweste, die ihn als Polizisten kennzeichnet.
Sein Atem geht schwer – zumindest ein bisschen. Mehr schlecht als recht
hat er sich gegen seine Gegenspieler gestemmt, sie aber dann doch ohne
große Gegenwehr die Kette durchbrechen lassen. "Protest ist auch ohne
Gewalt möglich", sagt Van Innis. "Doch die Polizei muss mitspielen."
Beim Nato-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden wird er zum ersten Mal
auf die Straße gehen. Sein Ziel: "Gegen die Kriegstreiber ein Symbol
setzen." Dabei ist ihm schon ein wenig mulmig, vor allem wenn er an das
Tränengas im Gürtel der Beamten denkt. "Aber gemeinsam sind wir stark",
sagt Van Innis und packt beherzt einen seiner Gegenspieler am Arm.
Nach dem Durchbrechen der Polizeikette steht die nächste
Trainingseinheit auf dem Plan: die Sitzblockade. Im Schneidersitz
kauern die Demonstranten auf dem Boden. Vogel hakt sich bei seinen
Nachbarn unter, kauert sich kompakt zusammen. Er will sich für Van
Innis und die anderen "Polizisten" so schwer wie möglich machen. Als er
unter den Achseln gepackt wird, spannt er jeden einzelnen Muskel an,
kneift die Augen fest zusammen, presst sich mit aller Kraft gen Erde.
Doch der Zug unter seinen Armen wird immer stärker, schließlich gibt er
seinen Widerstand auf, löst sich aus der Umklammerung seiner
Mitstreiter und lässt sich mit einem leisen Seufzer aus der Blockade
tragen.
"Jeder hält so lange durch, wie er den Schmerz ertragen kann", sagt
Organisator Speck. "Wir suchen keine Helden – gehen aber mit unserem
Protest bis ans Limit." Neben dem praktischen Training würde den
Gipfel-Gegnern in Gesprächsrunden die Möglichkeit gegeben, sich ihren
Ängsten zu stellen und Erfahrungen auszutauschen. "Selbstkontrolle ist
unheimlich wichtig, gerade für die Neulinge", sagt Aktivist Vogel und
blickt zu Van Innis. "Am liebsten würde ich jedes Mal zutreten, wenn
ich aus der Blockade getragen werde. Aber – ich tu’s nicht."