"Es reicht nicht, die Bilder für sich sprechen zu lassen"

Erstveröffentlicht: 
22.01.2013

Die Ausstellung über A. Paul Weber in der Pinneberger Landdrostei wird dem politischen Kontext, in dem die Werke geschaffen wurden, nicht gerecht

 

Nach dem Ende der Sperrfrist des Offenen Briefes an die Drostei-Veranstalter der A. Paul Weber- Ausstellung, nach einem Besuch der Ausstellung vor zehn Tagen und nach der weiteren Lektüre des Bandes "A. Paul Weber Leben und Werk in Texten und Bildern" komme ich zu einer differenzierteren Betrachtung der Werke Webers als dies im offenen Brief unseres Pinneberger Bündnisses gegen Rechts zum Ausdruck gebracht worden ist.

 

Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die Ausstellung, so wie sie derzeit ist, dem politischen Kontext, in dem die Bilder, vor allem die ausgestellten Grafiken, geschaffen worden sind, nicht gerecht wird. Die begleitenden Texte empfinde ich als unzureichend.

 

Darüber würde ich gern mit Herrn Tiemann und den Kuratoren der Drostei-Stiftung diskutieren. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, die Bilder einfach für sich sprechen zu lassen, da sie sowohl mit politischen Absichten geschaffen wurden als auch mit politischen Absichten veröffentlicht worden sind. Das gilt insbesondere für die Zwanziger, Dreißiger und Vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Über die wissen aber die Wenigsten - mich eingeschlossen - so genau Bescheid, dass sie die Werke durch bloßes Betrachten in ihrem politisch-gesellschaftlichen-künstlerischen Kontext erfassen können.

 

Dennoch befürchte ich, dass wir mit unserer im offenen Brief vorgebrachten Kritik Webers Schaffen längst nicht voll erfasst haben. Mir fällt beim weiteren Studium auf, wie vielschichtig seine Grafiken sind. Die Illustrationen zu "Hitler ist unser Untergang" oder die zum Tod auf den Schlachtfeldern, ob unter SS-Standarte oder unter sowjetischer Flagge, sprechen eine klare Sprache und sind doch international. So ist der industriell geführte Krieg für die Masse seit 1914 gewesen. So ist Krieg eigentlich immer. Der einzelne Mensch zählt nicht. Ich kann diese Grafiken als Anklage gegen jeden Krieg sehen, in dem die Menschen verheizt werden. Viele Betrachter werden sich auch im Dritten Reich ihre eigenen Gedanken gemacht haben, wenn sie den Tod in einer Karikatur Webers als Ende aller Großmachtphantasien - nicht nur der der Briten - gesehen haben. Die Britannia-Bilder können auch als Spiegel der deutschen Weise des Umganges mit Menschen im Krieg verstanden werden.

 

Diese durfte nur in der Nazi-Diktatur keiner in einer deutschen Zeitung abbilden; das Ausweichen auf andere Nationen kann ein Stilmittel sein. Natürlich kann das Bild zugleich als Anti-Feind-Propaganda verwendet werden. Diese Mehrfachverwendbarkeit von Webers Werken für mitunter extrem gegensätzliche Interessen scheint ein Markenzeichen für ihn zu sein. Die vielschichtigen und vielseitig verwendbaren Aussagen vieler politischer Grafiken Webers haben diese ja auch in politisch aufgeklärten Veröffentlichungen bis hin zu extrem linken Verlagen nach dem Dritten Reich einsetzbar gemacht.

 

Gerade dies wäre natürlich in einer gründlicher konzipierten Ausstellung, in der mehr über Veröffentlichungsorte und Wirkungsgeschichte zu erfahren sein müsste, nachvollziehbar zu machen. So eine erläuternde Darstellung würde beispielsweise beim "Gerücht" mehr über Künstler, Erstveröffentlicher (1943), Zweitveröffentlicher (1953), Weiterveröffentlicher und mich als den Betrachter, der ich die Darstellung ja nach wie vor gelungen finde, aussagen. Bin ich, sind alle, die wir diese Grafik für gut befinden, damit in Verdacht rechtsnational oder rechtsextrem zu sein? Da fange ich doch an nachzudenken - und darüber wie Bilder bei bestimmten Menschen für bestimmte Zwecke wirken können. Weber ist komplexer als unser offener Brief. Gerade deshalb wäre mir an einer richtigen Diskussion mit Austausch von Gedanken und Erkenntnissen gelegen. Am besten natürlich in Verbindung mit einem Vortrag eines Weber-Kenners. Für mich wäre das auch ein sehr guter Beitrag zur laufenden Ausstellung. Von einem Abbruch der Ausstellung verspreche ich mir nichts. Das dient nicht der Auseinandersetzung mit einem so hochkomplexen Thema. In diesem Sinne rücke ich persönlich von der im offenen Brief geäußerten Erwartung eines Abbruches der Ausstellung vor ihrem Ende ab, hätte aber großes Interesse an einem vertiefenden Gespräch.

 

Eines muss ich den Ausstellern der Drostei, der Antifa und dem Bündnis anerkennend mitteilen: ich habe mich schon lange nicht mehr so intensiv mit einer Ausstellung auseinandergesetzt. Schön wäre es, wenn wir ein freies Forum hätten, in dem wir das ohne Anfeindungen miteinander tun könnten. Und bitte nicht via Internet.