Burschenschafter Kai Ming Au
Um den chinesischstämmigen Burschenschafter Kai Ming Au entbrannte einst der Streit um einen "Ariernachweis" in der Deutschen Burschenschaft. Jetzt hat sein Bund, die Hansea Mannheim, den Dachverband verlassen. Im Interview erklärt der Student, wie mühsam der Streit mit den Rechtsextremen war.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Burschenschaft Hansea Mannheim hat den Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) verlassen, weil dort die Rechtsextreme den Ton angeben. Sind Sie erleichtert?
SPIEGEL ONLINE: Zwei Jahre hat Ihre Burschenschaft mit anderen liberalen Bünden gekämpft, zuerst ging es um die sogenannte "Ariernachweis"-Debatte. Warum erst jetzt der Austritt?
Au: Hauptsächlich, weil das Vertrauen zwischen dem liberalem und dem erzkonservativen Lager verloren gegangen ist. Wir hatten keinen gemeinsamen Nenner mehr mit den Bünden des anderen Lagers. Wir wollten uns als Hansea nicht mehr für diesen Dachverband rechtfertigen. Denn wir haben kein Verständnis dafür, dass die DB nicht jene Burschenschaften ausschließt, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtet werden oder die führende NPD-Mitglieder in ihren Reihen haben. Das sind nur sehr wenige: Warum weist der Dachverband diese Bünde also nicht in ihre Schranken?
SPIEGEL ONLINE: Vor anderthalb Jahren sprachen Sie sich wegen dieser rechten Tendenzen aber noch gegen einen Austritt aus, um "das Feld nicht wortlos zu verlassen und eine Chance auf eine liberale Zukunft der Deutschen Burschenschaft zu vergeben". Haben die Rechtsaußen-Kräfte jetzt also gewonnen?
Au: Unser Austritt ist kein Triumphzug. Wir bedauern das zutiefst, weil die Hansea nahezu 60 Jahre Mitglied in der Deutschen Burschenschaft war. Die Frage war aber doch: Können wir liberalen Bünde die Entwicklung des Dachverbands beeinflussen? Nachdem der Burschentag 2012 den umstrittenen Schriftleiter Norbert Weidner der "Burschenschaftlichen Blätter" noch mal bestätigt hat, hatten wir den Kampf verloren. Danach waren wir hoffnungslos. Wir wollten dann noch den außerordentlichen Burschentag in Stuttgart abwarten...
SPIEGEL ONLINE: …auf dem vor vier Wochen dieser rechtssextreme Chefredakteur der Verbandszeitung doch noch geschasst wurde.
Au: Das ist richtig, es hat uns aber nicht ausgereicht. Es ist für uns einfach unverständlich, warum es satzungsgemäß nicht möglich ist, erzkonservative Bünde wie die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks aus Bonn auszuschließen oder die Danubia in München oder die Dresdensia-Rugia aus Gießen - in der die beiden sächsischen NPD-Abgeordneten Arne Schimmer und Jürgen Gansel Alte Herren sind. Und dann wird auf dem Burschentag doch ernsthaft darüber diskutiert und abgestimmt, ob ein Burschenschafter Mitglied in einer nationalsozialistischen Vereinigung sein darf. Als Burschenschafter und normal denkender Mensch muss ich über so etwas doch nicht abstimmen. Mir fehlten die Worte, dass wir da über Dinge diskutiert haben, die selbstverständlich sein sollten.
SPIEGEL ONLINE: Aber es gab doch nach dem Streit um den "Arier-Nachweis" auch liberale Strömungen in der DB. Unter anderem die Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis".
Au: Ich kenne diesen ehemalige Verbandsbruder der Raczeks nicht persönlich, bin aber kein Freund seines Blogs. Von dem, was er da postet, stimmt manches nicht. Die Sache ist gut, aber ich finde das Instrument falsch gewählt. Viele Punkte, die er anspricht, gehören nicht in die Öffentlichkeit - sondern sollten intern in seinem Bund geklärt werden. Er drängt damit die gesamte Deutsche Burschenschaft in die rechte Ecke.
SPIEGEL ONLINE: Hatte der Austritt auch etwas mit dem Streit um Ihre Person zu tun? Schließlich wollte die Deutsche Burschenschaft Sie wegen Ihren aus Hongkong stammenden Eltern 2011 ausschließen. Sie wurden mehrfach verunglimpft, es gab Putschpläne gegen Sie.
Au: Nein, ganz und gar nicht. Ich betrachte die Angelegenheit ganz sachlich. Durch das Urteil des Rechtsausschusses 2011 ist ja geklärt, dass ich mit meiner Herkunft auch Mitglied werden darf. Seitdem hat diese Debatte nichts mehr mit mir persönlich zu tun. Heute dürften theoretisch sogar Bewerber ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die nur gebrochen Deutsch sprechen, aufgenommen werden. Das Problem aber ist doch, dass wir unsere Zeit in der DB damit verbracht haben, darüber zu diskutieren, wie deutsch jemand ist. Aber wir haben uns nicht weiter entwickelt. Viel lieber hätten wir von der Hansea auf dem Burschentag über den ESM-Rettungsschirm debattiert. Aber für solche bedeutenden aktuellen Themen war keine Zeit.
SPIEGEL ONLINE: Wie waren denn die Reaktionen innerhalb der DB nach dem Austritt der Hansea?
Au: Es gab keine.
SPIEGEL ONLINE: Werden andere liberale Burschenschaften jetzt nachziehen?
Au: In den vergangenen Monaten habe ich mitbekommen, dass gerade in vielen liberalen Bünden Diskussionen über einen Austritt aus der Deutschen Burschenschaft stattfinden. Wir sind sicher nicht die letzte Burschenschaft, die der DB den Rücken kehrt.
SPIEGEL ONLINE: Planen Sie mit den bisher bereits ausgetretenen Verbindungen wie der Hilaritas aus Stuttgart, Wartburg Köln und Arminia Hannover einen neuen liberalen Dachverband?
SPIEGEL ONLINE: Die DB besteht seit 110 Jahren. Was glauben Sie, in welche Richtung wird sie sich in Zukunft entwickeln?
Au: Im kommenden Jahr übernimmt die Wiener akademische Burschenschaft Teutonia den Vorsitz in der DB. Die Teutonia gehört zum ostdeutschen Kartell, dem auch die Danubia und die Raczeks angehören. Da können Sie sich die Zukunft der Deutschen Burschenschaft ja ausmalen.
Das Interview führte Christian Fuchs