Am 22.10 verhinderten 200 Menschen mit Sitzblockaden die Zwangsräumung der Familie Gülbol in Berlin-Kreuzberg. Nun ist für den 12. Dezember ein erneuter Versuch angekündigt. Es ist damit zu rechnen, dass diesmal die Polizei versuchen wird die Räumung durchzusetzen.
Nach der letzten Räumung bekundeten viele Menschen spontan ihre Solidarität, über 50 Vereine, Läden, Autoren und Wissenschaftler*innen erklärten, beim nächsten Räumungsversuch mitzublockieren. 300 Menschen haben sich auf einem SMS-Verteiler eingetragen und wollen sofort über eine mögliche Räumung informiert werden.
Auch weitere Betroffene haben sich gemeldet und an Aktionen für weitere Zwangsräumungen wird gearbeitet. Wegen einer drohenden Zwangsräumung eines Seniorenpaars in der Lübbenerstraße soll die senatseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM unter Druck gesetzt werden.
Die Familie Gülbol wehrt sich gegen ihre Räumung
Seid über 30 Jahren wohnt die Familie Gülbol in der Lausitzer Straße. Vor ein paar Jahren wurde das Haus verkauft und der neue Vermieter Andre Franell erhöhte direkt die Miete. Die Familie klagte, verlor, vergaß eine Frist und das Gericht gab einer Räumungsklage recht. Sie beschloss aber die Wohnung nicht in aller Stille räumen zu lassen, sondern die Zwangsräumung öffentlich zu machen (Interview mit Ali Gülbol. Spontan versammelten sich daraufhin 200 Nachbar*innen und stadtpolitische Aktivist*innen am Räumungstermin vor und im Haus. Die Räumung war nicht durchsetzbar. Hier gibt es in gutes Video zum Tag. Es wurde mit einer Kundgebung und einem Besuch des Büros der Vermieter Andre Franell unter Druck gesetzt. Dieser betreibt eine Stiftung und preist sie mit folgenden Worten an: „Damit es allen Menschen auf unserer Welt besser geht, helfen wir ein kleines Stück mit und hoffen, dass wir unsere Aktivitäten in den nächsten Jahren ausweiten können [...] Mit dieser Stiftung wollen Sie u.a. Menschen helfen, die „… einfach aus Ihren Häusern vertrieben worden [sind]“.
Wenn Verdrängung sichtbar wird...
In der kapitalistischen Stadt ist es normal, wenn mit Wohnen Profit gemacht wird und darunter besonders die Menschen mit geringen Einkommen leiden. Deswegen ist der Auslöser der Zwangsräumung schlussendlich nicht Andre Franell, sondern der Wohnungsmarkt und das Privateigentum an Wohnraum, welches ihm seine Handlungen ermöglicht. Die Gerichte und die Polizei sind dann dafür zuständig das Recht auf Eigentum der Besitzenden zu verteidigen. Die Bedürfnisse der Mieter*innen sind dabei egal.
Eine Stadt für alle Menschen kann nicht vom Senat erbettelt, sondern muss erkämpft werden. Die Verhinderung einer Zwangsräumung ist also ein ganz praktischer Schritt das Recht auf Wohnen gegenüber den Profitinteressen von Wenigen zu verteidigen. Verdrängung ist kein Naturgesetz, Gentrifizierung fällt nicht vom Himmel, sondern es ist ein Herrschaftsverhältnis, welches sich manchmal ganz konkret auf der Straße abbildet.
Die verhinderte Zwangsräumung hat einen Solidarisierungs- und Politisierungsprozess angestoßen. Andere Menschen, welche von Zwangsräumung bedroht sind, melden sich beim Bündnis und suchen Hilfe. In vielen Fällen haben die Gerichte schon klar gegen die Mieter*innen entschieden, das Bündnis kann nun "nur" noch die drohende Zwangsräumung öffentlich machen und versuchen Druck aufzubauen.
In den vergangenen Tagen wurde der Fall eines Seniorenpaares in der Lübbenerstraße bekannt gemacht, welches von der senatseigenen Wohnungsbaugesellschaft WBM aus ihrer Wohnung geschmißen wird, weil sie der WBM zu „querulantisch“ sind. Das Seniorenpaar hatte aufgrund schlechter Übersetzung einem Vergleich vor Gericht zugestimmt. Dabei interessiert es die städtische Wohnungsbaugesellschaft offenbar nicht, dass der Mann über 80 Jahre alt und schwer depressiv ist. Sie würde die beiden am liebsten mitten im Winter auf die Straße setzen, denn dann ist sie die Mieter los und kann teurer vermieten.
Auch in diesem Fall ist der 12. Dezember entscheidend, denn mit einer möglichst breiten und großen Mobilisierung zu den Blockaden, erhöht sich auch der Druck wegen anderer Zwangsräumungen.
Räumung ? Mit uns nicht !
Es besteht die Chance mit einer massiven Beteiligung an den Blockaden am 12. Dezember die Räumung der Familie Gülbol sogar ein zweites Mal zu verhindern und damit der kapitalistischen Stadt eine Niederlage zuzufügen. Der Kampf der Mieter*innen nimmt an Fahrt auf, die Selbstorganisierung der Mieter*innen am Kottbuser Tor, die Kämpfe der Senior*innen in der Stillen Straße oder die Kämpfe gegen Zwangsräumungen gehören zusammen gedacht, als eine Bewegung von unten gegen die Zumutungen der profitorientieren Stadtpolitik.
In den kommenden Tagen werden Details zu den geplanten Blockaden veröffentlicht. Solidaritätsaktionen aus anderen Städten würden dem Kampf zusätzlich helfen, denn die stadtpolitischen Kämpfe in vielen deutschen Städten richten sich gegen die gleichen Ursachen: die kapitalistische Organisierung von Wohnen und die herrschaftliche Zurichtung von Stadt.
Die spanischen Aktivist*innen, welche schon über 500 Zwangsräumungen verhindert haben, sandten dem Bündnis nach der ersten Verhinderung einer Zwangsräumung in Berlin solidarische Grüße.
Presse: Berliner Zeitung I, Berliner Zeitung II, Junge Welt I, Berliner Kurier, Tagesspiegel I, Tagesspiegel II, Heise, Morgenpost, Immobilienzeitung, Junge Welt II, Jungle World, Spiegel-TV, Berliner Woche, Neues Deutschland I, Neues Deutschland II, Taz I, Taz II, Taz III, ...
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