Burschentag in Stuttgart - Blessuren vom rechten Rand

Erstveröffentlicht: 
23.11.2012

Die Deutsche Burschenschaft steht vor der Spaltung. Rechtsextreme Strömungen im Dachverband schädigen das Image der Bünde. In Stuttgart könnten die Liberalen im Streit mit den Ultrakonservativen ausscheren.

 

Stuttgart - Kein akademischer Verein liefert so viel Zündstoff wie die Burschenschaften – und auch Stuttgart heißt sie nicht willkommen. Kein Vertreter der Stadt wird auf der Tagung sprechen, es flogen Steine. Mit todernster Miene eröffnete Walter Tributsch, Pressereferent der Deutschen Burschenschaft (DB), am Freitag eine Pressekonferenz im Neckarpark-Sportrestaurant: „Es hat einen terroristischen Anschlag auf unseren Veranstaltungsort, die Sängerhalle, gegeben.“ Kopfgroße Steine seien in den Eingangsbereich geworfen worden, mehrere Fenster und zwei Türen zerstört. Die Polizei aber spricht nicht von Terror, sondern einer „Straftat“. Scheiben seien beschädigt worden, die Tagung jedoch könne stattfinden, weil die Halle selbst nicht betroffen sei. Graffiti deuten darauf hin, dass die Täter aus der linken Szene stammen.

Dabei hatte der Verband, dem etwa 115 Burschenschaften aus Deutschland und Österreich angehören, Stuttgart auch als Treffpunkt gewählt, um die „schlechte Atmosphäre von Eisenach nicht zu reproduzieren“, wie der Verbandssprecher Christoph Basedow erklärte. In der Wartburg-Stadt musste man das jährliche DB-Treffen Anfang Juni vorzeitig abbrechen, weil sich die liberaleren und die ultrakonservativen Verbände hoffnungslos zerstritten hatten. Zentrale Figur im Konflikt: Norbert Weidner, früher Mitglied diverser Neonaziorganisationen, heute Chefredakteur der Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“ und Mitglied bei den rechten Raczeks zu Bonn. Er war im Amt bestätigt worden, obwohl er den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in einer internen Zeitschrift einen „Landesverräter“ genannt hatte, dessen Verurteilung zum Tod „rein juristisch gerechtfertigt sei“. In Bonn läuft ein Verfahren gegen ihn.

 

„Wir sind nicht im Kasperletheater“

„Weidner ist eine Reizperson, der Inbegriff des rechten Burschenschafters“, sagt Christian Becker, der die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis gegründet hat und kürzlich wegen „verbandsschädigenden Verhaltens“ von den Raczeks ausgeschlossen wurde. DB-Sprecher Basedow räumt nur ein: „Herr Weidner hat es geschafft, uns in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu rücken.“

Gleich zwei Bünde wollen die Absetzung Weidners beantragen. Walter Tributsch ist weder von diesen Anträgen begeistert noch davon, dass Tagungsunterlagen im Internet kursieren. Die Wiederwahl des „Schriftleiters“ im Juni sei demokratisch erfolgt, jeder habe das Recht auf freie Meinungsäußerung – und das Verfahren gegen Weidner sei nicht abgeschlossen, deshalb wolle er sich dazu nicht äußern. „Wir sind nicht im Kasperletheater und wählen ständig neu.“ Auf die Frage, wie der Männerbund künftig gegen rechtsextremistische Tendenzen vorgehen wolle, antwortet er: „Wir sind nicht daran interessiert, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.“

Dabei steht Tributsch, ein Mitglied der Teutonia Wien, selbst weit rechts. „Die Teutonia ist Mitglied im ultrarechten Ostdeutschen Kartell, das sind die Hardcore-Burschenschaften, die halten zusammen wie Pech und Schwefel“, erläutert Becker.

 

Antrag auf Auflösung des Verbandes als ultima ratio

Einige Anträge, die in Stuttgart gestellt werden sollen, könnten bei Verfassungsschützern durchaus Stirnrunzeln auslösen. So fordert die Marburger Burschenschaft Rheinfranken, dass „Bewerber nichtdeutscher Abstammung“ nur „bei vollendeter Assimilation an das deutsche Volk“ in einen DB-Bund aufgenommen werden können. „Das ist der Arierantrag 2011 reloaded, nur etwas abgespeckt im Vergleich zu damals “, sagt Becker. Ob am Ende des Treffens 25 oder 30 liberale Bünde den Dachverband verlassen, kann keiner abschätzen. Die Stuttgarter Vereinigung Hilaritas stellt den Antrag auf Auflösung des Verbandes als Ultima Ratio. „Wenn der Verband Reformfähigkeit zeigt, wäre es denkbar, dass er weiter bestehen könnte“, sagt Michael Schmidt, seit 1993 bei Hilaritas und Sprecher der liberaleren Initiative Burschenschaftliche Zukunft. Präsentiere doch der Dachverband eine Tradition, „die absolut in Ordnung ist“. Insider glauben, dass die rechten Burschenschaften den Laden aus finanziellen Gründen zusammenhalten wollen: Die 30 Liberalen brächten 45 Prozent des Etats.

Seit Jahren klagen die Burschenschaften über Mitgliederschwund, allenfalls die billige Wohnmöglichkeit bei ihnen interessiert Studenten. Nur bei Erstsemesterveranstaltungen treten die Burschenschaften noch in Erscheinung – etwa beim „Markt der Möglichkeiten“ der Universität Tübingen. „Man nimmt sie kaum noch wahr“, sagt ein Sprecher der Uni. Das traditionelle Mai-Singen sei in der Hölderlin-Stadt längst abgeschafft, wegen der ständigen Störungen durch Gegendemonstranten.

 

„Farbtupfer in der akademischen Landschaft“

Auch für heute haben drei linke Gruppen ihren Protest in Untertürkheim angemeldet. Mit dabei sind die Jusos. Burschenschaften hätten einen „Hang zu Nationalismus und Revanchismus“, sagt Jörg Meier-Otto von der Juso-Hochschulgruppe. Er kritisiert, dass die Seilschaften der „Alten Herren“ politischen Einfluss nehmen.

Hubert Großer, Altherrenvorstand der Burschenschaft Ghibellina aus Stuttgart, eine schlagende Verbindung, sieht das anders: Der 58-Jährige steht in der Sängerhalle und schildert am Handy seine Empörung über die Zerstörungen und Farbsprühereien: Man werde als „Faschist“ diffamiert, sagt Großer, und neuerdings „in der Bahn angepöbelt“. „Zwei oder drei radikale Gruppen, die wir haben, bedeuten nicht, dass alle Burschenschaften so sind.“ Er erwarte vom Treffen, dass man die Radikalen hinauswerfe und eine Satzungsänderung, damit dies künftig rasch geschehen könne. Allgemein aber, sagt der Alte Herr, böten viele Burschenschaften jungen Leuten eine „Heimat, einen Lebens- und Freundschaftsbund“. Sie seien „Farbtupfer in der akademischen Landschaft“. Ob braune Flecken getilgt werden, wird sich in Stuttgart erweisen.