Am 9.10. kam es zum wiederholten Mal zu einem rassistsichen Angriff auf die Flüchtlinge im Lager Waßmannsdorf. Mehre Scheiben wurden eingeworfen, "Rostock ist überall" an die Außenwand gesprüht. Die Flüchtlinge dort leben in Angst und zudem in unzumutbaren in den alten militärbaracken. Ein paar Tage später hat das lokale Verkersunternehmen den Fahrplan so geändert, dass die Flüchtlinge abends nur auf einem viel zu langem Weg, kompliziert durch mehrfaches Umsteigen und mit einem lagem Fußweg von der Haltestelle zum Lager kommen. Die Regierung tut nichts, um die Flüchtlinge gegen die Angriffe durch Nazis zu schützen, Bussunternehmen fahren nur auf lukrativen Strecken und die anderen Bewohner_innen von Waßmannsdorf halten sich mit Solarität mehr als zurück. Ist Rostock überall? Redebeitrag eines Flüchtlings aus dem Lager Waßmannsdorf:
Ich bin ein Asylbewerber aus dem Asylantenheim Waßmannsdorf in Brandenburg. Ich und die anderen, die das gleiche Schicksal mit mir teilen, sind hier um euch von unseren gemeinsamen unerträglichen Schmerzen zu erzählen. Fremde in einem Heim, in dem ein anscheinend menschliches Leben ein Traum zu sein scheint, in dem die unmenschlichen Zustände uns langsam aber sicher müde und kaputt machen. In einem Heim, in dem der alltägliche Stress und die Ungewissheit uns fast alle unsere Hoffnungen raubt. Ja, in diesem Heim hat man uns auch noch vor eine paar Tagen mitten in der Nacht angegriffen. Vielleicht stellt sich die Frage wer uns angegriffen hat und warum? Freunde, liebe Leute, das ist doch egal! Sondern wichtig ist, dass ich ein afghanischer Flüchtling bin, der vor den Taliban und ihren Gewehren geflohen ist. Ich bin ein Palästinenser, der in seiner Heimat kein Recht auf Leben hat. Ich bin ein Iraker, der vor Bomben und Granaten geflohen ist, die im Namen der Demokratie auf uns herabstürzen. Ich bin ein Syrier, in dessen Land die Straßen täglich mit Blut gewaschen werden. Ich bin ein Somalier, der aus einem Land kommt, wo Hunger, Elend und Pistolen gemeinsam Hand in Hand der Mutter und ihren Kindern das Leben stehlen. Und ich bin ein Kurde ohne Heimat und Identität, der unter vier verschiedenen Diktaturen gelebt hat.
Mit wenigen Worten: Ich bin ein Mensch, der nur auf der Suche nach einem gerechten Leben ist.
Gemeinsam mit Flüchtlingen aus Waßmannsdorf hat das Flüchtlingsprotestcamp in Berlin beschlossen, am 27.10. um 12 Uhr eine Demo vom Flughafen Schönefeld nach Waßmannsdorf zu organisieren:
Samstag, 27.Oktober 2012 // S-BHF Schönefeld // 12.00 Uhr
In Deutschland werden Asylsuchende in Lager gesteckt, schönredend „Heim“ genannt. Am Stadtrand von Berlin steht ein solches am Rande des kleinen Ortes Waßmannsdorf. Dort leben die Menschen in zwei heruntergekommenen Plattenbauten, in kleinen Zimmern, mit einer Toilette für ein Haus, Küche und Dusche auf einem Flur, warmem Wasser nur am Morgen. Diese Häuser und ihre Bewohner_innen wurden zuletzt am 9.10.12 von Nazis angegriffen, die Steine und Flaschen in die Fenster warfen, Türen beschädigten und die Parole „Rostock ist überall“ hinterließen. Fünf Tage später trat der neue Fahrplan in Kraft, dank dessen die Haltestelle an dem Lager in den Abendstunden nicht angefahren wird. Dann, wenn es dunkel ist, sind die Bewohner_innen gezwungen, durch den verlassenen Ort zu laufen, um zu dem „Heim“ zu gelangen. So gehen, ein Jahr nachdem der NSU (Nationalsozialistische Untergrund) „entdeckt“ wurde, Nazis und Landkreis Hand in Hand...
In Deutschland gehört es zur alltäglichen Politik, Asylsuchende in ihnen feindlichen Umgebungen zu isolieren. Die Menschen werden entweder sofort in die bedrohlichen Lebensbedingungen abgeschoben, aus denen sie geflohen sind, oder bis dahin an Orten ausgelagert, an denen ein sicheres Leben und freie Bewegung verhindert werden. Den Frauen, Männern und Kindern wird verboten, sich eine Wohnung an einem sicheren Ort zu suchen. Stattdessen tragen in Waßmannsdorf die Verkehrsbetriebe ihren Teil zur Bedrohung durch Ausländerbehörde, Polizei und Nazis bei, indem abends die einzige Verbindung dorthin ausgesetzt wird. Während es zum guten Ton gehört, sich von den Nazis zu distanzieren, werden Migrant_innen ihnen ausgeliefert. Auch 20 Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen funktioniert der Angriff auf das Leben der Menschen, deren Leben für illegal erklärt wird, reibungslos. Dazu gehören statt Gesundheit, Wohnungswahl und Bildung die Ausgrenzung, das Verbot jeder Tätigkeit und Gefahr für Leib und Leben. Dass deren Leben und Sicherheit in Deutschland schlicht egal sind, gehört zu ihrer Isolierung in Waßmannsdorf.