"Döner-Killer"-Lied. Rechtsrocker bekommt Bewährungsstrafe

Daniel Giese vor Gericht: Sieben Monate auf Bewährung plus 600 Euro
Erstveröffentlicht: 
15.10.2012

In ihrem Lied "Döner-Killer" bejubelte die rechtsextreme Band "Gigi und die braunen Stadtmusikanten" die Mordserie an neun Migranten - zu einem Zeitpunkt, als die Öffentlichkeit noch nichts von dem Neonazi-Terrortrio wusste. Nun ist der Sänger wegen Volksverhetzung verurteilt worden.

 

Hamburg - Von den 40 Sitzplätzen im Saal 2 des Amtsgerichts Meppen war die Hälfte von Gesinnungsgenossen besetzt: Der Sänger der rechtsextremen Band Gigi und die braunen Stadtmusikanten, Daniel Giese, ist wegen Volksverhetzung und Billigung einer Straftat zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Außerdem muss er 600 Euro an eine Straffälligenhilfe zahlen. Seine Kameraden nahmen das Urteil ohne Proteste auf.

 

Ein zentraler Punkt in der Verhandlung war der Song "Döner-Killer" - eine Hymne auf die Mörder von neun Menschen mit Migrationshintergrund. Als das Lied 2010 erschien, hatte die Öffentlichkeit keine Ahnung, dass die Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hinter der Mordserie steckten. In der Presse war noch der Begriff "Döner-Morde" verbreitet und die Ermittler jagten falschen Ermittlungsansätzen hinterher.

Doch "Gigi und die braunen Stadtmusikanten" grölten:

 

"Neun Mal hat er es jetzt schon getan,
die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm,
die Ermittler stehen unter Strom.
Eine blutige Spur und keiner stoppt
das Phantom."


Von "Angst und Schrecken am Dönerstand" ist an anderer Stelle die Rede und davon, dass neun Opfer nicht genug seien.

 

Der 42-jährige Angeklagte habe die Neonazi-Morde gebilligt, sagte Richterin Anette Schneckenberger nun in ihrer Urteilsbegründung. Im Verfahren ging es auch um zwei weitere Lieder auf der CD "Adolf Hitler lebt!" mit den Titeln "Bis nach Istanbul" und "Geschwulst am After", mit denen der Straftatbestand Volksverhetzung erfüllt sei.

 

Als der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) aufflog und der Song "Döner-Killer" auch außerhalb der rechten Szene bekannt wurde, kam die Frage auf, ob die Band Täterwissen besessen haben könnte. Experten hielten das von Anfang an für unwahrscheinlich. Auch die Richterin wollte dem Angeklagten kein Detailwissen unterstellen.

 

"Verhöhnung der Ermordeten mit Migrationsgeschichte"


Giese ließ seine Verteidigerin zum Auftakt der Verhandlung erklären, von der Beteiligung des NSU an der Mordserie habe er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nichts gewusst und auch keine Kenntnisse über die Gruppe gehabt. Er selbst äußerte sich nicht vor Gericht. Den umstrittenen Liedtext habe er vor Veröffentlichung von der Hamburger Anwältin Gisa Pahl überprüfen lassen. Diese habe ihn als rechtlich einwandfrei eingestuft.

 

Diese Einschätzung schmetterte die Richterin als "absolut fernliegend" ab. Der Text sei "strafrechtlich durchaus relevant". Pahl sei zudem als "szenebekannte Anwältin von Rechtsradikalen" bekannt und so auch im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht des Jahres 2010 aufgeführt.

 

Pahl vertritt vor dem Landgericht Gera derzeit die NPD in einem Verfahren gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Kreisverbands Jena, das sich von der Partei abgewandt und Interna ausgeplaudert hat.

 

Angezeigt wurde Giese unter anderem von der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen (VVN-BdA) und von Rechtsanwalt Stephan Kuhn aus Frankfurt am Main. "Wir waren schockiert über den Text des Liedes", sagt Kuhn.

 

"Die Neonazi-Band hetzt seit Jahren auf nicht hinnehmbare Art und Weise gegen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, und verherrlicht Gewalt. Den Tiefpunkt allerdings bildete die Verhöhnung der Ermordeten mit Migrationsgeschichte - und dass der rassistische Hintergrund der Täter erst jüngst entlarvt wurde", teilte die VVN-BdA im Februar mit.

 

Das Urteil bedeutet für Giese einen Einschnitt


Die Verurteilung nahm die Vereinigung nun positiv auf, wenngleich sie auch ein "kontinuierliches Wegschauen der Strafverfolgungsbehörden" dokumentiere, sagte Dirk Stegemann von der VVN-BdA. "Jahrelang konnte die Band ihre volksverhetzenden Texte veröffentlichen, ohne strafrechtlich verfolgt zu werden. Für uns steht das im Kontext zu den 13 Jahren, in denen ungehindert gemordet werden konnte." Erst nachdem die NSU-Mordserie in den Fokus gerückt sei, werde nun gehandelt. Zuvor seien die Opfer verhöhnt worden, ohne dass es Konsequenzen gehabt habe.

 

Auch gegen die Betreiber des Neonazi-Versandhandels "Reconquista" erstatteten Rechtsanwalt Kuhn und die VVN-BdA Anzeige wegen Volksverhetzung, Billigung von Straftaten und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Diese sollen T-Shirts mit der Aufschrift "Killer Döner nach Thüringer Art" entworfen und gedruckt haben.

 

Die Räumlichkeiten von "Reconquista" sind durchsucht worden, T-Shirts wurden sichergestellt. "Ich habe seit Monaten immer wieder nachgefragt bei den Behörden", so Kuhn. Bis jetzt stehe ein Ergebnis der Anzeige gegen die Betreiber noch aus. Eine Einstellungsverfügung sei bislang nicht eingegangen.

"Letztendlich kann man außer Anzeige erstatten nicht viel unternehmen", konstatiert Kuhn. "Damit macht man den Staat auf seine Pflicht aufmerksam - ob er dann Ermittlungen einleitet, bleibt ihm überlassen."

 

"Ich bin froh, dass es im Fall Giese zu keiner Einstellung kam, denn das wäre ein verheerendes Signal gewesen", so Kuhn. Für jemanden wie Daniel Giese mit entsprechendem Lebensstil sei eine Bewährungsstrafe nicht zu unterschätzen, sondern könne störend und einschränkend sein. "Er muss jetzt aufpassen. Ein 'Sieg Heil'-Ruf auf einem Konzert oder ein ähnliches Vergehen bringt ihn ins Gefängnis."