RZ-Prozess - Die ersten 3 Verhandlungstage in Frankfurt

sonja christian

Berichte von den ersten 3 Prozesstagen gegen Sonja und Christian ++ Befangenheitsanträge gegen das Gericht ++ Ablehnung dieser und Anklageschrift ++ Gericht behindertenfeindlich ++ Am 9.10 gehts weiter mit der Vernehmung von Hermann Feiling

Bericht vom 1. Prozesstag:

 

Zahlreiche Genoss_innen unter anderem aus Frankreich kamen bereits am vorAbend zur Auftaktveranstaltung ins Café Exzess. Dort berichtete der Anwalt von Hermann Feiling, Stephan Baier, eindrucksvoll über den Umgang mit seinem Mandanten nach dessen Unfall 1978. Ihm war ein Sprengsatz im Schoß explodiert. Bereits wenige Stunden nachdem ihm beide Beine amputiert, ihm beide Augen entfernt und die künstliche Beatmung beendet wurde, standen Polizei und Staatsanwaltschaft an seinem Bett und fragten ihn aus. Unter Medikamenteneinfluss, völlig traumatisiert, nutzten die Behörden seine Hilflosigkeit schamlos aus, ohne sich auszuweisen, ohne rechtliche Belehrung. Sonjas Anwältin Waltraut Verleih berichtete über den Stand des Verfahrens. Aus Frankreich berichteten verschiedene Genoss_innen über ihre dortige Soli-Arbeit, dann gab es Beiträge zur Geschichte der RZ, eine politischen Einschätzung zum aktuellen Prozess und der immensen Bedeutung der Aussageverweigerung.

Im Hochsicherheitssaal des OLG Frankfurt begann am Freitag, 21.9.12 der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Zuvor fand vorm Gericht eine Kundgebung mit rund 100 Leuten statt, es gab Redebeiträge, Musik und Soli-Luftballons stiegen gen Himmel, die den beiden Freiheit und Glück wünschten. Mit Transparenten und kurzen Ansprachen – auch von aus Frankreich angereisten Aktivist_innen, die langjährig gegen die Auslieferung der beiden Angeklagten kämpften – wurde gegen dieses Verfahren der politischen Justiz protestiert.

 

Als Sonja und Christian selbstbewusst den Saal betraten, erscholl anhaltender Applaus aus dem Publikum. Wir haben die siebzig Plätze bis zum letzten Platz gefüllt, viele mussten wegen Platzmangel draußen warten. Der viel zu kleine Gerichtssaal mit Trennscheibe zum Zuschauerraum und ganz in dunklem Holzfurnier gehalten, strahlt den miefigen Charme eines deutschen Wohnzimmers der frühen 80er Jahre aus und macht damit dem Geist der Anklage gegen Sonja und Christian alle Ehre.

Die anwesende Pressemeute, mit Zugang in den Gerichtssaal, stürzte sich wie ein Geier auf die Beiden und belagerte sie in unangenehmster Weise mit ihren Kameras. Nachdem die Bagage endlich den Raum verlassen hatte, hatten wir Gelegenheit, mit Sonja und Christian durch Winken und andere Zeichen gegenseitig unsere Zuneigung auszutauschen.

 

Nach über 30 Jahren sind die beiden wegen verschiedener Anschläge der Revolutionären Zellen unter anderem gegen die Atomwirtschaft und die so genannte Stadtsanierung angeklagt. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft Sonja eine Beteiligung an der Organisierung der Besetzung der Konferenz der OPEC-Minister 1975 in Wien vor.

Bereits bei der Anwesenheitsfeststellung durch die Vorsitzende Richterin Stock, intervenierte die Verteidigung richtiger Weise mit Anträgen auf Ablehnung der RichterInnen wegen Befangenheit. Als Grundlage wurden die Verwendung von unrechtmäßig erhaltenen Aussagen des schwerverletzten Hermann Feiling angeführt und von Belastungen des unglaubwürdigen Kronzeugen Hans-Joachim Klein.

Richterin Stock machte ihrem Namen alle Ehre und ertrug die anschaulichen Ausführungen der Anwälte regungslos, als es in die Pause ging, wurde sie plötzlich mütterlich und bot Christian das Sanitätszimmer des Gerichts zur Erholung an. Mindestens zwei Zivibullen saßen mit im Publikum und versuchten krampfhaft Solidarität vorzutäuschen – widerlich.

Erwartungsgemäß lehnten die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage die Anträge in uncharismatischer Weise ab. Richterin Stock hat daraufhin zur Entscheidung über die Anträge durch eine andere Kammer des Landgerichts den Prozess auf den 2. Oktober vertagt.

 

 

Prozessbericht vom 1.10.2012 vor dem LG Frankfurt gegen Sonja S. und Christian G.

 

Der Gerichtssaal war an diesem Morgen mit Freunden und Freundinnen sowie Pressevertreter_innen zur Hälfte besetzt. Insgesamt war das Gericht an diesem Tag genauso oft im Saal wie außerhalb wegen ständiger Beratungspausen.

 

Um 9:10 begann die Vorsitzende Richterin Stock mit der Verlesung der Ablehnung der Befangenheitsanträge vom 28.9. 12 gegen die Richter_innen Stock, Möhrle und Hellwig. Die zentralen Argumente der Ablehnung waren, dass das Gericht nicht zwingend im Zwischenverfahren (nach Anklageerhebung Nov. 2011 und Zulassung der Anklage Juli 2012) die damalige und jetzige Verhandlungs- und Vernehmungsfähigkeit von H-.F. prüfen muss, sondern das auch während der Hauptverhandlung tun kann. Deshalb ist keine Befangenheit der Richter_innen fest zu stellen. Und deshalb hat RA Bremer zum Ende des Verhandlungstages angeregt, dass das Gericht jetzt in der Hauptverhandlung endlich die Verhandlungsfähigkeit begutachten lassen soll.

 

Die Vorsitzende hatte es versäumt Kopien des Beschlusses für die Verteidigung anzufertigen, das musste nachgeholt werden ? 10 minütige Pause.

 

Anschließend wurden die persönlichen Daten der Angeklagten festgestellt. Dann der erste Versuch, die Anklage zu verlesen, denn die Verteidigung widersprach der Verlesung mit der Begründung, dass die Anklage unrichtige Tatsachen enthält. G. Kröcher-Tiedemann soll beim Überfall auf die Opec-Konferenz geschossen haben, sie aber 1990 von dem Kölner Landgericht deswegen rechtskräftig freigesprochen. Diese falsche Behauptung in der Anklage müsste dazu führen, dass sie unzulässig ist, ein Verfahrenshindernis darstellt und der Prozess eingestellt wird. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. RA Bremer begründet den Widerspruch erneut und fordert konkret

 

1. eine neue Anklage

 

2. die Aussetzung des Verfahrens

 

3. den Haftbefehl aufzuheben.

 

Die Staatsanwaltschaft ist überhaupt nicht einsichtig und plädiert für die Fortsetzung der Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Wieder in den Gerichtssaal zurückgekehrt, wird der Widerspruch zurückgewiesen, es gibt keine Aussetzung des Verfahrens.

 

Die Verteidigung von Sonja S. greift ein und problematisiert, dass sich Sonja S. damit gegen eine offensichtlich falsche Anklage verteidigen muss.

 

Gegen ca. 12 Uhr wird die Anklage verlesen. Die Angeklagten äußern sich auf Nachfrage der Vorsitzenden nicht dazu. Vom Gerichtsdiener wird auf Anweisung der Vorsitzenden das Urteil aus dem Jahre 1982 gegen die Zeugin St. verteilt, das im ?Selbstleseverfahren? bearbeitet werden soll. Die Verteidigung gibt zu bedenken, dass das Urteil die Schöffen mit Unwahrheiten konfrontiert, die später schwer zu erschüttern sind, weil auch ein falsches Urteils Autorität hat. In diesem Prozess muss erstmal bewiesen werden, was damals zur Verurteilung geführt hat.

 

Die Richterin unterbricht die Verteilung mit dem Satz ?es ist ja noch nicht an alle verteilt worden? d.h. die Schöff_innen erhalten keine Kopie. Jetzt wird die erste Zeugin Frau St. aufgerufen, die schon seit dem Morgen warten musste. Aber die Zeugin ist nicht auf zu finden, auch nicht in der Cafeteria. Die Zeugin ist verschwunden, heute gibt es keine Vernehmung.

 

 

 

Sonja & Christian, 3. Prozesstag geplatzt – Justiz Behindertenfeindlich

 

Der heutige Prozess begann mit 10 minütiger Verspätung vor wenigen Zuschauer*innen. Vorher war unter den Anwält*innen und Justizbeamten etwas Unruhe zu bemerken. Letztere schauten sich die Gerichtsräume wiederholt genauer an. Als das Gericht dann den Raum betrat, wird schnell klar um was es geht, laut RA Verleih wartet eine Zuschauerin mit Rollstuhl vor dem Gebäude, welches aber durch stufen und Türen für sie nicht zu betreten ist.

 

In einem kurzen Gespräch versucht die Vorsitzende Richter*in Stock die Öffentlichkeit her zu stellen, in dem sie vor schlägt die Rollifahrerin könne sich ja tragen lassen, es stünden sogar 3 Ersthelfer*innen zur Verfügung. RA Verleih weist zurecht darauf hin, das Ersthelfer ja wohl erst eingreifen wenn schon etwas passiert ist, und im übrigen dennoch nicht ausgebildet bzw. befähigt sind Rollstühle zu tragen. Die Richter*in erklärt sie sein ja nun nicht für den baulichen Zustand hier verantwortlich, darauf hin schlägt RA Hartmann die Aufnahme ins Protokoll vor, dass der Raum nicht behindertengerecht ist, und keine Öffentlichkeit gewährleistet ist. Die Anwesenden Zivilbullen echauffieren sich unrühmlich darüber das sein ja nun wirklich ein Justizskandal.

 

Die Richter*in räumt der Verteidigung 5 min. Pause ein, um ihre bedenken formuliert zu Protokoll zu geben, fragt dann aber ob sie denn im Zuschauerraum zu verstehen sein. Dies wird verneint, sie solle lauter sprechen. Da die Sprechanlage aber offenbar kaputt ist, erklärt die Richter*in hiermit sei ja nun ohnehin keine Öffentlichkeit hergestellt, somit ist die Verhandlung zu nach nur 10 Min. zu Ende und sie vertagt die Verhandlung auf nächsten Di, den 9.10.

 

Am nächsten Dienstag ist bereits Hermann Feiling geladen. Er ist schwerst behindert, wurde in den 70er Jahren unter folterähnlichen Bedingungen verhört, und soll jetzt als Zeuge der Anklage diesen. Also kommt alle am nächsten und die 3 folgenden Prozesstage und beobachtet kritisch was die Justiz da vor hat.

 

Solihomepage

 

Auswahl Presseartikel vom ersten Prozesstag:

Spiegel

Berliner Zeitung

Junge Welt

FR

Der Standard

TAZ

Bild