Es ist mal wieder so weit: Am 6.Oktober wollen Neonazis aus ganz Süddeutschland durch Göppingen marschieren und ihre menschenverachtende Hetze verbreiten. Gemeinsam mit vielen anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten rufen wir auf dieses faschistische Spektakel zu verhindern!
Der geplante faschistische Aufmarsch ist der aktuelle Höhepunkt rechter Umtriebe im Raum Göppingen. Schon seit mehr als einem Jahr versuchen Nazis in der Stadt Fuß zu fassen. Regelmäßig werden seitdem rechte Sticker verklebt, rassistische Flugblätter verteilt und immer wieder auch Andersdenkende gewalttätig angegriffen. Bei allen Versuchen mit öffentlichen Kundgebungen ihre Hetze zu verbreiten, wurden die örtlichen Nazis aber mit vielfältigem Widerstand konfrontiert. Trotz dieser Niederlagen, ist die örtliche Naziclique – die sich mal als „Autonome Nationalisten Göppingen“, mal als „Nationale Sozialisten Göppingen“ bezeichnet – aktuell eine der aktivsten rechten Gruppierungen in Baden-Württemberg.
Dabei versuchen gerade die lokalen Nazis sich betont rebellisch zu
geben. So wird auch der geplante Aufmarsch am 6. Oktober großspurig als
„antikapitalistische Demonstration“ bezeichnet. In kurzen, aber um so
pathetischeren Worten, wird behauptet gegen Hartz 4, Zeitarbeit und die
Armut „deutscher“ Kinder aufzutreten. In einer Situation in der die
Folgen der kapitalistischen Krise für immer mehr Menschen am eigenen
Leib spürbar werden, in der sich tatsächlich Armut und Arbeitslosigkeit
ausbreiten und vielen Menschen bewusst wird, dass sie im Kapitalismus
keine Chance haben auch nur ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu
befriedigen, versuchen die Faschisten mit ihren Parolen die berechtigte
Unzufriedenheit vieler Menschen einzufangen und zu kanalisieren.
Dass sich hinter diesem Gerede rein gar nichts an tatsächlichem Engagement für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung verbirgt, wird nicht zuletzt durch einen Blick in die Geschichte deutlich: Auch in den 1920er und 30er Jahren haben sich die Nazis selbst als „antikapitalistisch“ und gar als „revolutionär“ bezeichnet. Kaum an der Macht, verboten und zerschlugen sie die Gewerkschaften, die sozialdemokratische und die kommunistische Partei. Deren Aktivistinnen und Aktivisten, also diejenigen die sich tatsächlich für soziale Gerechtigkeit eingesetzt hatten, wurden verfolgt, in KZ´s inhaftiert, gefoltert und ermordet. In den folgenden Jahren wurden u.a. mit dem Reichsarbeitsdienst Zwangsarbeit eingeführt, längere Arbeitszeiten festgesetzt und die Löhne auf niedrigstem Niveau eingefroren. Jede Tätigkeit oder Äußerung die die Rechte der Lohnabhängigen einforderte wurde verfolgt und konnte mit KZ und Tod enden. Letztlich wurde die gesamte Gesellschaft darauf ausgerichtet, möglichst exakt den Profitinteressen des deutschen Großkapitals zu entsprechen – also absolute Ruhe im Inneren und Vorbereitung zum Raubkrieg nach außen.
Damals wie heute wenden sich die Faschisten nicht etwa gegen die, die von der gesteigerten Ausbeutung, von der faktischen Lohndrückerei durch 1-Euro-Jobs und Zeitarbeit profitieren, also gegen die in erster Linie deutschen Eigner der hier tätigen Konzerne, sondern gegen die Schwächsten der Gesellschaft: Gegen MigrantInnen, Flüchtlinge, Roma und Sinti. Gegen diejenigen die meist ohnehin schon schwierigere Lebensbedingungen haben, häufig aus einer noch unsicheren Umgebung fliehen mussten und mal unterschwelligen mal direkten rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Der absurdeste Teil des rechten „Antikapitalismus“ ist aber der Antisemitismus. Ohne jeden Bezug zur Realität wird behauptet „die Juden“ wären verantwortlich für alle gesellschaftlichen Probleme die sich aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem ergeben. Wohin diese abstruse Logik schon geführt hat ist bekannt: In die industriell organisierte Ermordung von 6 Millionen europäischen Jüdinnen und Juden.
So radikal und antibürgerlich die rechten Parolen dabei klingen, sie können nur deshalb auf fruchtbaren Boden fallen, weil sie in der sogenannten „politischen Mitte“ genügend Anknüpfungspunkte finden. Konkurrenzdenken, Rassismus, Nationalismus und die Einteilung von Menschen nach ihrer ökonomischen „Nützlichkeit“, sind, wie der Hype um Thilo Sarrazin gezeigt hat, gesellschaftlich weit verbreitet. Im Kern unterscheiden sich gerade die Thesen Sarrazins sogar nur sehr geringfügig von denen der NPD. Lediglich die Schlussfolgerungen der Faschisten sind deutlich radikaler und brutaler.
Trotz antikapitalistischer und sozialer Rhetorik, ist das gesellschaftliche System, das alte wie neue Nazis anstreben, also nicht durch einen solidarischen und friedlichen Umgang der Menschen miteinander gekennzeichnet, sondern von gesteigerter ökonomischer Ausbeutung der Lohnabhängigen, politischer Unterdrückung, Gewalt gegen alle die nicht ins faschistische Weltbild passen und imperialistischem Krieg.
Nazis – ein Fall für die Polizei?
Nicht erst seit dem Skandal um die Nazimörder des NSU ist bekannt, dass zum Teil enge Beziehungen und auch Sympathien zwischen staatlichen Stellen und faschistischen Organisationen bestehen. Gerade im Kampf gegen rechte Umtriebe, gibt es daher keinen Grund sich auf Staat und Polizei zu verlassen. Im Gegenteil, in der Regel sind die staatlichen Behörden meist Teil des Problems. Während deutsche Gerichte regelmäßig rechte Aufmärsche erlauben, setzt die Polizei diese dann mindestens genauso regelmäßig gegen den Widerstand von NazigegnerInnen durch. Dabei ist den Behörden kein Aufwand zu groß und wird auch immer wieder teils exzessiv Gewalt gegen AntifaschistInnen angewandt. So z.B. letztes Jahr am 1.Mai in Heilbronn, als über 4000 Polizisten hunderte Menschen festnahmen, nur um einigen Nazis ihre rassistische und menschenverachtende Hetze zu ermöglichen.
Blockieren? – Ist das mindeste!
Egal wo, ob in der Schule, am Arbeitsplatz oder eben wie am 6. Oktober in Göppingen auf der Straße: Es ist und bleibt unsere Aufgabe die Faschisten daran zu hindern ihre verbrecherischen Ideen zu verbreiten und in die Tat umzusetzen. Und dazu braucht es mehr als bloße Lippenbekenntnisse und rein symbolische Aktionen. Welche Mittel im Kampf gegen Rechts legitim und notwendig sind, dürfen wir uns dabei nicht von Gerichten und Polizisten diktieren lassen – sie müssen praktisch erprobt und auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden.
Vom Entfernen rassistischer Plakate, Aufklärung über die Gefahr die von Faschisten ausgeht bis zu direkten Angriffen auf ihre Versammlungen, hat sich gezeigt, dass verschiedene Aktionsformen effektiv sind und sich gegenseitig ergänzen.
Als eines der besten Mittel Naziaufmärsche zu verhindern, hat sich in den letzten Jahren das Konzept von großen Massenblockaden erwiesen. Daher wird auch in Göppingen von vielen verschiedenen Organisationen und Gruppen zu Blockaden aufgerufen. Gemeinsam, entschlossen und solidarisch – werden wir den Nazis ihren Aufmarsch vermiesen!
Kein Fußbreit den Faschisten!
Checkt: www.antifa-stuttgart.tk und www.laeuft-nicht.tk
Die in diesem Artikel verwendeten Fotos sind Aufnahmen des bekannten "Battle of Cable-Street" vor genau 76 Jahren. Eine breite Front von über 100.000 AntifaschistInnen verhinderte am 4. Oktober 1936 einen Aufmarsch der "British Union of Fascists" im Londoner East-End, einem Arbeiterviertel, das von zahlreichen Menschen jüdischen Glaubens bewohnt wurde. Mit Straßenblockaden auf der Cable-Street und massenhaften militanten Angriffen auf etwa 6.000 Polizeikräfte und 2.000-3.000 Faschisten wurden die Faschisten zum Abbruch der Demonstration gezwungen.