[Erding] Supermarkt mit Schwachstellen

Erding Supermarkt für Asylbewerber
Erstveröffentlicht: 
24.08.2012

Während Erding für Asylbewerber einen Lebensmittelladen eingerichtet hat, zahlt Ebersberg ihnen Bargeld aus. Doch der Shop bereitet unerwartete Schwierigkeiten - besonders im Sommer

Von Florian Tempel

 

Im Landratsamt Erding ist man stolz darauf, bei der Versorgung von Asylbewerbern einen besonderen Weg zu gehen. Die Flüchtlinge, die verteilt in fünf Unterkünften leben, bekommen keine Essenpakete, sondern können sich Lebensmittel in einem kleinen Laden selbst aussuchen. Die "Bezahlung" erfolgt nach einem Punktesystem. "Es geht um Menschenwürde", sagte die zuständige Sachgebietsleiterin im Landratsamt, Christine Kaltenbach, im Juli. Das Erdinger Shop-Modell ist einzigartig, hat aber bislang keine Nachahmer gefunden. Denn andere Landkreise haben deutlich pragmatischere Lösungen: Asylbewerber im Landkreis Starnberg erhalten Gutscheinen, mit denen sie in echten Supermärkten einkaufen können. Und das Landratsamt Ebersberg zahlt an seine Flüchtlinge Bargeld aus. Zu dem überall ausgezahlten Taschengeld stehen Asylbewerbern nach der durch das Bundesverfassungsgericht veranlassten Anhebung Beträge auf Hartz IV-Niveau zu.

 

Der Laden für Asylbewerber in Erding ist für Maria Brand, die als Amnesty International-Mitglied ehrenamtliche Asylberatung in Erding leistet, "eine einzige Katastrophe". Brand, die 15 Jahre lang hauptberuflich in Münchner Flüchtlingslagern gearbeitet hat, sieht mehrere Kritikpunkte. Der Laden hat nur zweimal in der Woche, Montag- und Donnerstagvormittag für je drei Stunden geöffnet. Wer zu diesen Zeiten nicht da ist, weil er einen Arzt- oder Behördentermin hat, kann nicht einkaufen.

 

Die, die kommen, müssen mitunter stundenlang warten, bis sie an der Reihe sind. Die Auswahl an Waren ist mit der in einem richtigen Lebensmittelgeschäft nicht zu vergleichen. Für Asylbewerber, deren Wohnung weiter vom Laden entfernt ist, ist das Heimschleppen der mit Lebensmitteln für drei oder vier Tage gefüllten großen Taschen, so beschwerlich, dass Sozialarbeiter ihnen die Einkäufe zum Teil mit einem Auto des Landratsamts nach Hause fahren. Bis das Auto voll gepackt ist, vergeht jedoch einige Zeit. Fleisch und Wurstwaren, Milchprodukte und Tiefgefrorenes stehen ungekühlt in der Sommerhitze. "So wie das in Erding läuft, kann das nicht funktionieren", sagt Maria Brand.

 

Die Sprecherin des Landratsamtes, Christina Centner, verteidigt das Erdinger Modell, denn das Asylbewerberleistungsgesetz schreibe "vorrangig" eine Versorgung "mit Sachleistungen vor". Dass andere Landkreise es seit Dezember 2011, als die ersten Flüchtlingen zu ihnen kamen, anders machen, sei in ihrer Behörde bislang nicht bekannt gewesen. In Bälde soll einen zweiter Flüchtlingsladen eröffnen.

 

Auch Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales im Ebersberger Landratsamt, kennt die gesetzlichen Bestimmungen und verweist ebenfalls auf das Asylbewerberleistungsgesetz. Das sieht sehr wohl die Möglichkeit der Auszahlung von Bargeld oder die Ausgabe von Gutscheinen vor. "Soweit es nach den Umständen erforderlich ist", heißt der entscheidende Halbsatz, auf den man sich in Ebersberg und Starnberg beruft. Der logistische Aufwand, es anders zu machen, wäre zu groß, sagt die stellvertretende Sprecherin des Landratsamts Starnberg , Barbara Beck.

 

Die Regierung von Oberbayern mischt sich in die so verschiedenen Handhabungen der Landkreise nicht ein. Sie kommentiert sie nicht einmal. Pressesprecherin Ines Schanz erklärt, die Entscheidung, ob Asylbewerber anstatt Sachleistungen Bargeld oder Gutscheine bekämen, sei - auch das ist gesetzlich geregelt - allein Sache der Landkreise.

 

In Ebersberg wird einmal im Monat Bargeld ausgezahlt. "Das ist schon mit Arbeit verbunden", sagt Sachgebietsleiterin Marion Wolinski. Doch es ist sicher viel weniger Arbeit, als man sich in Erding macht. Denn auch hier kommt jeder Asylbewerber einmal im Monat ins Amt, um sein Taschengeld abzuholen. Er könnte bei dieser Gelegenheit, wie in Ebersberg, auch sein monatliches Essensgeld erhalten.