Seit vielen Monaten schon streiken Geflüchtete in mehreren deutschen Städten in Protestcamps auf öffentlichen Plätzen. Aller Repression (durch Polizei Ordnungsamt und Rassit*innen) zum Trotz laufen nun 40 dieser Aktivist*innen zu Fuß durch Ostdeutschland von Würzburg nach Berlin. Sie haben ihre Ausweise zerissen, weil in diesen Papieren eingeschrieben ist, dass sie anders seien als der Rest der Gesellschaft. Die Residenzpflicht verbietet ihnen sich frei zu bewegen, die Sachleistungen entmündigen sie. Durch fehlende Sprachkurse werden sie vom gesellschaftlichen Miteinander isoliert. In den Heimen herrschen katastrophale Zustände. Und die Behörden versuchen es auszusitzen. Also laufen und streiken sie weiter, bis alle ihre Forderungen erfüllt sind.
Leider kam es aber auch schon zu rassistischen Zwischenfällen. Sowohl die Bustour, als auch der Fußmarsch wurden angegriffen. Die Menschen von der Tour, in dem die Polizei sie nötigte sich auszuweisen als sie in Westfahlen waren und die Menschen vom Fußmarsch, als sie in Erfurt von der NPD diskriminiert wurden. Letzteres entwickelte sich zum Nachteil der Nazis; ihre Transparente wurden "entfernt" und die Polizei nahm anschließend nur die Personalien der NPDler auf.zunächst waren nur drei Polizist*innen vor Ort, was zeigt, wie wenig ernst sie es mit dem Schutz der Asybewerber*innen nehmen. Wenigstens die Presse ignoriert den Protest nicht völlig, sondern berichtet in Teilen sogar positiv. Dies wollen wir noch verstärken und Medienaufmerksamkeit schaffen.
Wir als Unterstützer*innen können vorallem helfen, in dem wir Menschen informieren, Kontakt mit Geflüchteten herrstellen und Öffentlichkeit für den Protest erwirken. Deshalb wollen wir am 06.10.12 um 15:00 Uhr auf die Straße gehen.
Es folgen einige ausführliche Infos zur kommenden Demonstration in Köln: Aufruf / Mobi-Jingle / Interview / Unterstützung / Spenden
-Aufruf-
Am 19. März traten geflüchtete Menschen, zunächst in Würzburg, dann in immer mehr Städten in der BRD in den Streik. Ihr Protest richtet sich gegen rassistische Unterdrückung, durch Sam-melunterbringung und Abschiebungen, verzögerte Bearbeitung der Asylanträge und dass es ihnen unmöglich gemacht wird legal zu arbeiten. Dies hat Methode: die Geflüchteten sollen unter Kontrolle (Stichwort: Residenzpflicht) und in staatlicher Abhängigkeit verbleiben, z.B. von „Asylbewerberleistungen“.
Um weiter Druck aufzubauen haben sich die geflüchteten Aktivist*innen entschieden die Streikcamps zu verlassen und in einem Protestmarsch von Würzburg nach Berlin zu laufen. Zeitgleich starteten Unterstützer*innen (die aktuell nicht von Flucht betroffen sind) eine Bus-Info-Tour durch Westdeutschland, um auf die Anliegen des „Flüchtlingsstreiks“ aufmerksam zu machen. Eine Station war Köln, wo nun weitere Aktionen und Veranstaltungen geplant sind, so auch eine Unterstützer*innen-Demonstration, in Solidarität mit den geflüchteten Menschen.
Aber entlang welcher Kriterien erfahren Menschen Solidarität? Immer wieder wird in der Öffentlichkeit (z.T. auch in der „linken Öffentlichkeit“) von „politisch Verfolgten“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ gesprochen. Mit der Demo wollen wir dem Gut-Böse-Schema etwas entgegensetzen. Denn Flucht, aus materieller und existenzieller Not heraus - welche in den Herkunftsländern der Geflüchteten durch kapitalistische Ausbeutung und die marktwirtschaftliche Dominanz des 'weißen' Westens entsteht - ist immer legitim! Gleichzeitig richtet sich die Demo gegen rassistische Diskriminierung, die wir tagtäglich in Köln erleben. Zum Beispiel wenn die Polizei in Kalk-Nord Menschen aufgrund ihres als 'nicht-weiß' wahrgenommenen Aussehens oder Namens kontrolliert und schikaniert.
Rassismus fängt also nicht erst an bei: „Ich hab' nichts gegen die, aber...“ und hört auch mitnichten dort auf, wo jährlich unzählige Menschen vor der Küste Europas durch Frontex zwecks europäischer Grenzsicherung zu Tode gebracht werden. Er hört nicht auf, weil er ein Mittel zur Herrschafts- und Privilegiensicherung darstellt. Um sich dagegen zu wehren, müssen wir uns unserer eigenen Position bewusst werden, uns austauschen, Menschen mit Fluchterfahrungen zuhören und von einander lernen.
Seid kreativ; die Demo soll einen bunten und offenen Charakter haben. Es wird Live-Musik, warmes Essen und einen Umsonstflohmarkt geben. Wir gehen auf die Straße, gegen den täglichen Rassismus und um in einem ersten solidarischen Akt den „Flüchtlingsstreik“ zu unterstützen.
Und welcher Ort eignet sich besser, um den institutionalisierten
Ausschluss von Geflüchteten aus der Mehrheitsgesellschaft offen zu legen, als das Amt für
„Ausländerangelegenheiten“ am Ottmar-Pohl-Platz in Kalk? Von dort gehen wir in der Demonstration los, um dann den Menschen jenseits der Kalker Hauptstraße unsere Solidarität auszudrücken wenn wir durch Kalk Nord laufen.
-Mobi-Jingle-
http://soundcloud.com/demo-jingle-6-okt-koeln/jingle-neu
-Folgendes Interview wurde am 25.09. mit Aktivist*in Kim von der Anarchistischen Gruppe Köln geführt-
//Redaktion: Am 6.10.12 soll es in Köln um 15 Uhr eine Demonstration geben, um den aktuellen "Flüchtlingstreik" zu unterstützen.
Ihr und andere Gruppen habt euch dazu entschieden euch mit den geflüchteten Menschen und ihren Kämpfen zu solidarisieren. Was ist eure Motivation?/
*Kim*: Wir haben uns entschlossen die Proteste zu unterstützen, weil einige geflüchtete Menschen zur Zeit die gesellschaftliche Isolation durch abgeschottete Flüchtlingsheime durchbrochen haben und vor Monaten schon begannen ihre Forderungen auf die Straße zu tragen. Auslöser dafür war ein in den Suizid gedrängter Geflüchteter aus dem Iran in einem Flüchtlingsheim in Würzburg. Dieser hielt die unwürdigen Zustände in den Heimen und die elendigen Bedingungen in Deutschland unter denen die Menschen ohne eine sichere Aufenthaltserlaubnis erleiden müssen nicht mehr aus. Die darauf folgenden selbstorganisierten Proteste enthielten von Anfang an folgende Forderungen: Sofortiger Stopp aller Abschiebungen, keine Lagerunterbringung, Aufhebung der Residenzpflicht, schnellere Bearbeitung der Asylanträge, denn Asyl ist ein Menschenrecht und kein Privileg!
Die Menschen in den Heimen werden gesellschaftlich total isoliert und sind zudem dem vorherrschenden Alltagsrassismus ausgeliefert. Eine bundesweite Protestcamp-Welle der Geflüchteten brach in immer mehr Städten aus. Da wir als polit. Aktivist*innen aus Interesse ihre Kämpfe verfolgt hatten, haben wir uns entschlossen selbst zu einem ihrer Protestcamps zu fahren. Das nächstgelegene war Düsseldorf. Dort traten wir mit den geflüchteten Menschen in Kontakt und kamen der Bitte nach in Köln selbst Aktionen zu organisieren.
//Redaktion: Was genau ist am 6.10.12 in Köln geplant? Gab es bereits solidarische Aktionen?/
*Kim*: Am 6. Oktober wollen wir ab 15 Uhr eine Demonstration durch Köln-Kalk in Solidarität mit den Flüchtlingstreik machen. Die Demo soll einen bunten, offenen Charakter haben und ansprechend für Interessierte sein. An diesem Tag wird es aus ganzer Solidarität eine vegane Küche für Alle, einen Umsonst-Laden und Austauch untereinander geben. Dazu werden wir laut und entschlossen die Forderungen der Geflüchteten in die Öffentlichkeit tragen. Als Ort haben wir bewusst Köln-Kalk gewählt, da dieser Stadtteil täglich von rassistischen Kontrollen durch die Polizei betroffen ist. Deshalb ist es wichtig hier gegen Rassismus in Institution und Uniform vorzugehen.
Im Vorfeld gab es bereits im Rahmen der Info-Bustour des Flüchtlingstreiks eine Diskussionsveranstaltung im Autonomen Zentrum Köln, dabei berichteten Aktivist*innen des Flüchtlingstreiks von der aktuellen Lage ihres Kampfes. Weil diese Diskussionsveranstaltung sich exziplit an Menschen mit Fluchterfahrung richtete, gab es bereits einen Tag zuvor eine Info-Veranstaltung für Interessierte über die Situation von geflüchteten Menschen in Deutschland, sowie über deren Gründe für Flucht.
//Redaktion: Der "Flüchtlingstreik" befindet sich derzeit auf einem Fussmarsch nach Berlin, um die Forderungen in die Hauptstadt zu tragen. Was sind ihre Forderungen und weshalb haben sie sich zu dieser Aktion entschlossen?/
*Kim*: Immer noch sind die Forderungen wie schon erwähnt dieselben: Keine Abschiebungen, keine Residenzpflicht, keine Isolation... Ich möchte hier nicht für die Protestierenden Menschen sprechen, kann mir jedoch vorstellen, dass der Entschluss kam, weil ihren Forderungen nach dem Tod in Würzburg immer noch nicht nachgegangen wird, trotz offenem Protest auf der Straße durch verschiedene Camps in mehreren Städten und einem Hungerstreik. Nun soll der Protest zu Fuss die Hauptstadt erreichen um ihm besonderen Nachdruck zu verleihen. Damit setzten sich die Streikende*n bewusst über die Residenzpflicht, welche sie tagtäglich in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt hinweg.
Die Tatsache, dass der Staat aktiv wegschaut und Neo-Nazis...äh...Mitglieder der NPD vor ca. 1 Woche eine Kundgebung der Geflüchteten in Erfurt provozierten, zeigt, wie sehr die praktische Solidarität notwendig ist. Wann, wenn nicht jetzt!
//Redaktion: Und wie könnte deiner Meinung nach solch eine praktische Solidarität aussehen?/
*Kim:*Erstmal natürlich am *6.10.12 um 15 Uhr nach Köln* zur Demo auf den *Ottmar-Pohl-Platz* kommen. Da gibt es die Möglichkeit das Anliegen des "Flüchtlingstreiks" publik zu machen und Raum zur Vernetzung für weitere Aktivitäten. Außerdem ist es immer wichtig seinem individuellen Umfeld von diesem Kampf zu erzählen, denn medial und in der bürgerlichen Öffentlichkeit findet er bis auf lokaler Presse, wenig Anklang. Selbst in der "linken" Gegenöffentlichkeit scheint der existenzielle Kampf der Geflüchteten bis auf wenige antirassistische Initiativen von geringem Interesse zu sein. Wir wollen dem am 6. Oktober in Köln entgegenwirken!
//Redaktion: Habt ihr für die Demo eine Kontaktadresse und eine Mobiseite? /
*Kim*: Alle Ankündigungen rund um die Demo, sowie den Aufruf gibt es unter: http://agkoeln.blogsport.de/fluechtlingsstreik-demo-06-10-12/ Informationen zum "Flüchtlingstreik" und dem Protestmarsch findet ihr auf http://refugeetentaction.net <http://refugeetentaction.net/>
//Redaktion: Super. Danke für das Interview und wir sehen uns dann am 06.10.12 auf der Straße! /
Wenn du/deine Gruppe den Aufruf unterstützen will/st, dann schreib eine Mail an agkoeln(A)riseup.net.
Bringt eigene Transparente und Parolen mit, damit die Demo vielfältig wird. Worauf mensch allerdings verzichten kann sind Partei- und Nationalfahnen. Bei allem Für und Wider: Wir halten es für unangebracht, Unterstützung mit dem Protest dadurch auszudrücken. Die Selbstorganisierung von Unten, die den "Flüchtlingsstreik" prägt, spricht eine andere Sprache, als zentralistische Symbole jedweder Partei. Und wie unser Genosse auf der Bustour über seine "illegale" Flucht durch diverse Staatsgrenzen in einem Interview gesagt hat: "I did not just passed these borders. I broke through these borders, because i don't belive in borders.".
-Spendenaufruf-
„
Wir
bitten alle Organisationen, die ebenfalls die Isolation der
Flüchtlinge und die unmenschliche Gesetzgebung verurteilen, uns zu
unterstützen, sich mit der Arbeitsgruppe Finanzen in Verbindung zu
setzen und Geld zu spenden.
Förderverein
Karawane e.V.
Kontonummer: 40 30 780 800
GLS Gemeinschaftsbank
eG
BLZ: 430 609 67
Spendenkonto / Verwendungszweck:
Protestmarsch Berlin
Wir
laden alle Gruppen, Aktivistinnen und Aktivisten ein, ihre
Solidarität mit der Aktion und den Forderungen zu bekunden. Schreibt
Solidaritätserklärungen, organisiert Solidaritätsaktionen,
schließt euch uns an."
Kontakt: ashkan.khorasani@gmail.com