Am 1. August 2012 wollte die NPD im Rahmen ihrer sogenannten „Deutschlandtour“ mit ihrem „Flagschiff“ (einem 7,5 Tonnen LKW) eine Kundgebung in Regensburg durchführen. Aufgrund von antifaschistischen Gegenprotesten konnte die NPD weder ihren geplanten Kundgebungsort erreichen, noch an einem anderen Ort ihre menschenverachtende Propaganda öffentlichkeitswirksam kundtun. Außerdem verzögerte sich die Abreise der NPD und somit eine weitere Kundgebung am selben Tag in Nürnberg durch Sitzblockaden.
Mobiliserung im Vorfeld und „ein völlig falsches Demokratieverständnis“
Die Proteste gegen die NPD wurden vom lokalen Bündnis „Kein
Platz für Nazis“ (KPFN) organisiert. Dieses besteht aus [anita_f.]
– Antifaschistische Gruppe in Regensburg, DGB-Jugend Regensburg,
DGB-Region Regensburg, Die Linke. Regensburg, Kuhle Wampe Regensburg,
SJD – Die Falken KV Regensburg, Soziale Initiativen e.V. und dem
VVN-BdA Regensburg. Die Mobilisierung des Bündnis unterstützten
noch weitere Gruppen wie beispielsweise die Piraten Partei Regensburg
oder der SDS Regensburg.
Da die Stadt Regensburg Informationen zu
Demonstrationen oder Kundgebungen von Nazis nicht weitergibt, wurden
von dem Bündnis nahezu alle attraktiven und möglichen Plätze in
der Stadt durch eigene Kundgebungen „blockiert“.
Anfangs
plante die NPD ihre Kundgebung am Neupfarrplatz neben dem
Dani-Karavan-Denkmal und in direkter Nähe zum Protestcamp der
streikenden iranischen Flüchtlinge durchzuführen. Das von Dani
Karavan erichtete Denkmal erinnert an die 1519 zerstörte Synagoge,
die NPD bezeichnete dieses verächtlich als „Mulden- Denkmal“.
Nachdem das Bündnis KPFN den Ort öffentlich machte und die oben
angesprochenen Umstände skandalisierte, sah sich die Stadt gezwungen
zu handeln und der ursprüngliche Kundgebungsort der NPD wurde
verboten. Der nun endgültige Kundgebungsort der NPD am Kassiansplatz
wurde abermals nur durch antifaschistische Recherche öffentlich,
nicht aber durch die Stadt Regensburg. Hierzu das Bündnis: „…
anderes als in anderen Städten weigert sich die Stadt Regensburg
beharrlich, die Plätze und Routen neonazistischer Veranstaltungen
öffentlich zu machen. Hierdurch wird antifaschistischer Protest
unnötig erschwert und die Position der Nazis damit indirekt
gestärkt.“ Der Leiter des Amtes für Ordnung und Straßenverkehr,
Alfred Santfort, hält es für “ein völlig falsches
Demokratieverständnis”, von einer Behörde zu verlangen, Daten
über eine angemeldete Versammlung herauszugeben.
Doch das
Bündnis KPFN ließ sich davon nicht abhalten und mobilisierte von
Anfang an zu direkten Protesten gegen die NPD. So hieß es in einem
Aufruf: „Deßhalb rufen wir alle Nazigegner_innen dazu auf,
gemeinsam mit uns lautstark gegen die Kundgebung der NPD zu
demonstrieren“. Hierzu wurde öffentlich zu einer Kundgebung am
Haidplatz mobilisiert, um später von dort aus gemeinsam Richtung
geplanten NPD Kundgebungort aufzubrechen.
Gegen Nazis – aber bitte nur symbolisch
Aufgrund der
Präsenz des Bündnis und der guten Mobilisierungs- und Pressearbeit
im Vorfeld sahen sich auch andere Politische Akteur_innen dazu
gezwungen Stellung zu beziehen. Wie dieser Protest sich teilweise
gestaltete, sei examplarisch am SPD Bürgermeister Joachim Wolbergs
dargestellt. 3 Tage vor der NPD Kundgebung erstellte er sich auf
facebook seine eigene Veranstaltung „NPD Deutschlandtour –
Gegenkundgebung des DGB“. Ein Verweis auf das Bündnis KPFN,
welches er in seinen Methoden während einer Stadtratssitzung mit der
NSDAP verglichen hatte, fand sich dort nicht. Stattdessen
mobilisierte er zum „Zeichen gegen Rechts“ und zeigte somit was
er von aktivem Widerstand gegen Nazis hält – nichts. Auf der
Kundgebung selbst war er sowie alle anderen Bürgermeister der Stadt
und einige Stadtratsabgeordnete präsent. Nachdem sie sich
medienwirksam inszeniert hatten, waren beim Anschließenden aktiven
Protest gegen die Nazis nur noch einige wenige Stadtratsabgeordnete,
wie z.B. Richard Spieß von der Partei Die Linke, anwesend.
Es
ist festzustellen, dass ein alleiniges „Zeichen gegen Rechts“ wie
beispielsweise von Joachim Wilbergs der NPD, die auf dem ca. 200
Meter entferneten Kassiansplatz ihre Kundgebung abgehalten hätte,
nichts entgegenzusetzen gehabt hätte. Im Gegensatz zu den ca. 400
Nazigegner_innen die sich den Nazis aktiv in den Weg stellten.
NPD
0 – Antifa 1
Nachdem die Kundgebung am Haidplatz beendet
wurde, zogen etwa 300 Nazigegner_innen, schon lange vor dem
Eintreffen der NPD, zum Kassiansplatz. Dieser war durch massive
Polizeipräsenz und Hamburger Gitter abgesichert. Die Polizei wusste
zu diesem Zeitpunkt scheinbar nicht wo sich die Nazis aufhielten.
Lea Miller von [anita_f.]: „Der NPD Truck ist über 30 Minuten
durch die Stadt gefahren, am Anfang waren beim NPD Truck noch zwei
Polizeistreifen, diese sind dann aber nach kurzer Zeit in eine andere
Richtung gefahren. So fuhr der NPD Truck ohne polizeiliche Begleitung
ca. 20 Minuten durch die Stadt.“ (Route siehe Karte).
Das die
Nazis sich Verfahren hätten oder „einfach nicht zu ihrem Platz
gefunden hatten“ (Polizeisprecher Hartl) weißt Lea Miller zurück:
„auf dem Bismarckplatz angekommen sprangen die Nazis aus ihrem Bus
und sicherten mit Fahrradschlössern und Schirmen bewaffnet den Platz
ab. Unbeteiligte Passant_innen wurden dabei aus dem Weg geschubst.
Der NPD Truck wendete und der Fahrer des LKW stieg aus.“
Andi Knape bewaffnet mit einem Fahrradschloss
Erst
durch heraneilende Antifaschist_innen wurden die Nazis gestoppt und
zurück gedrängt. Die Polizei selbst traf erst ein als das
„Flagschiff“ bereits von einem Meer aus Gegendemonstrant_innen
umringt war. Diese protestierten Lautstark mit Trillerpfeifen,
Megaphonen und Sprechchören gegen die NPD direkt an ihrem Truck.
Schon hier wurden die potentiellen Abfahrtswege der NPD durch
Sitzblockaden von Nazigegner_innen versperrt. Ein erster Versuch der
Cops diese zu räumern konnte durch das engagierte Auftreten der
anwesenden Antifaschist_innen unterbunden werden. Nachdem die NPD ca.
eine Stunde auf dem Bismarckplatz mit ihrem „Flagschiff“ absoff,
wurde die Sitzblockade vom USK geräumt und so war der Weg für die
Nazis frei.
Die Polizei – keine Freunde, keine Helfer
Der NPD-Truck und der dazugehörige VW-Bus wurden von der Polizei begleitet und von Antifaschist_innen verfolgt. Am Justizgebäude hielten die Nazis an einer roten Ampel, währenddessen stiegen die Ordner_innen um Andi Knape (stellvertretende JN-Vorsitzende | Leiter des NPD-Ordnungsdienstes, Madgeburg) aus und dieser verpasste einem Gegendemonstranten einen Faustschlag ins Gesicht. Die anwesende Polizei handelte nicht. In der Pfluggasse versuchte ein engagierte Radfahrer den Truck zu bremsen, darauf hin stiegen die Nazi aus ihrem VW-Bus aus und prügelten diesen vor den Augen der untätigen Polizei aus dem Weg. Als Reaktion auf dem Überfall erklärten die Polizisten dem Opfer das sein Rad nach der StVO nicht verkehrstüchtig sei.
NPD 0 – Antifa 2
Kurz vor dem Kassiansplatz konnte der
Truck auf dem Neupfarrplatz zwischen Kirche und Kaufhof durch eine
sechs Personen Sitzblockade zum Stillstand gebracht werden. Andi
Knape redete mit einem USK-Ranghöchsten und handelte innerhalb
weniger Sekunden eine Kundgebung auf dem Neupfarrplatz aus.
Umringt
wurde diese nach kürzester Zeit von zahlreichen heranstürmenden
Antifaschist_innen. Durch deren lautstarken Protest wurden die Reden
von Karl Richter (“Bürgerinitiative Ausländerstopp” | NPD,
München) und Ronny Zasowk (Amtsleiter “Politik” im
NPD-Bundesvorstand,Cottbus) selbst zwei Meter neben ihrem Truck
unversädnlich. Während der gesamten Zeit ihrer Kundgebung mussten
sich die NPDler mit Schirmen gegen heranfliegendes Obst und Gemüse
verteidigen. Laut der NPD wurde durch dieses ihr Generator zerstört.
Ob deshalb die Kundgebung nach ca. einer Stunde abgebrochen wurde
oder ob sie beendet war, lässt sich aufgrund der Unverständlichkeit
der Reden nicht final sagen. Als die Lautsprecher der NPD verstummten
bildeten sich auf beiden Seiten Sitzblockaden, die die NPD an ihrer
Abfahrt nach Nürnberg hindern sollten. Ziel der Blockierenden war es
die Nazis so lange hinzuhalten, dass sie ihre am selben Tag geplante
Kundgebung in Nürnberg nicht veranstalten können.
Aus der Stadt gejagt
Das anwesende USK räumte nach der dritten
Durchsage die nördliche Sitzblockade und verhielt sich dabei vor den
Augen der Presse sehr sanft. Die Blockiererenden wurden lediglich zur
Seite getragen, weder ihre Personalien wurden festgestellt noch eine
Personenkontrolle durchgeführt. Die Polizei leitete den NPD-Truck
über den Domplatz und die enge Gasse „Unter den Schwibbögen“
aus der Altstadt. Die anwesende Antifaschist_innen versuchten dies
mit weiteren Sitzblockaden zu verhindern. Lea Miller von anita_f.: „In
der Gasse „Unter den Schwibbögen“ ging das USK brutal gegen
Antifaschist_innen vor. Es zeigte sich mal wieder das wahre Gesicht
dieser EInheit. So wurde durch Tritte und Schläge ins Gesicht
legitimer antifaschistischer Protest verhindert“ Dennoch konnte
die Polizei erst an der Eisernen Brücke die Antifaschist_innen
vollends stoppen und somit der NPD um ca. 15.00 Uhr den Weg aus der Stadt
ermöglichen.
Fazit
Die erste öffentliche angekündigte Aktion der
Nazis seit ihrem letzten Aufmarschversuch am 3.10.2009 war für sie
(mal wieder) ein völliges Desaster. So zog das „Flaggschiff“ nur
eine Kleinstgruppe an regionalen Nazis um den Oberpfälzer NPD-
Funktionär Heidrich Klenhardt (Postbauer- Heng) an. Wolgang Rochner
(NPD) der 2009 noch für die NPD kandierte war zwar in der Stadt mit
seiner Frau unterwegs, begab sich aber nicht zum „Flaggschiff“
der Nazis.
Heidrich Klenhardt am NPD-"Flaggschiff"
Ganz anders bei den Gegendemonstrant_innen, so waren
an diesem Tag über 400 Nazigegner_innen aunterwegs um gegen die
Nazis vorzugehen. Durch diese wurde die NPD am Bismarckplatz daran
gehindert Passant_innen anzugehen und ihre Kundgebung an dem Platz
durchzuführen. Hier hätte Herr Mache als Einsatzleiter der Polizei
die Chance gehabt, den Nazis an diesem Tag eine weitere Kundgebung in
Regensburg zu verbieten. Stattdessen genehmigte er kurze Zeit später
den Nazis eine Kundgebung. Für das Bündnis KPFN ist es
unverständlich, warum die Nazis auf einem Rettungsweg ihre
Kundgebung abhalten durften.
Erfolgreich waren an diesem Tag nur
die Antifaschist_innen, Gewerkschafter_innen und Nazigegner_innen die
durch Mittel des zivilen Ungehorsams den Nazis keinen Platz in
Regensburg gaben. Trotz Schlägen und Tritten seitens der Polizei
wurden die Nazis mehrmals blockiert, durchgehend übertönt und mit
Obst und Gemüse beworfen haben.
Das Verhalten der Stadt im
Vorfeld, das pseudoengagierte Verhalten einiger Regensburger
Politiker_innen und die teilweise untätige Regensburger Polizei sind
zu kritisieren.
[anita_f.] antifaschistische Gruppe in Regensburg