Andreas Molau aus dem Landkreis Wolfenbüttel hat mehr als zwei Drittel seines Lebens in extrem rechten Kreisen verbracht: Der 44-Jährige war Bundesvorstandsmitglied der rechtsextremen NPD, deren Spitzenkandidat im niedersächsischen Landtagswahlkampf, strategischer Kopf der extrem rechten Pro-Bewegung in Nordrhein-Westfalen, Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktionen in Schwerin und Dresden. Jetzt hat der frühere Waldorflehrer einen Schlussstrich unter seine rechte Karriere gezogen. Seine Parteibücher hat er zurückgeschickt, Arbeitsverträge gekündigt, Kontakte abgebrochen. Im Gespräch mit NDR Info bekennt Molau: "Ich habe eine klare Trennung gezogen - sowohl in meinem Beruf als auch in meinem privaten Lebensumfeld."
An Verfassungsschutz gewandt - da gibt es kein Zurück
Mittlerweile habe er außerdem Kontakt aufgenommen zum niedersächsischen Verfassungsschutz. Ein solcher Schritt gilt in der Szene als unumkehrbar. Dessen ist sich Molau nach eigener Aussage bewusst: "Wenn ich wieder einen Weg zurück in die Gesellschaft haben will, dann kann der nicht gerade sein. Ich kann mich nicht morgen vor eine Klasse stellen um zu sagen: 'Es ist nichts gewesen.' Aber es muss eine Chance geben, wenn auch in Etappen." Niedersachsens Verfassungsschutz hat gegenüber NDR Info die Kontaktaufnahme bestätigt. Zwar äußere sich der Nachrichtendienst generell nicht zu den Plänen von Ausstiegswiligen aus der rechten Szene. In diesem Fall gebe es aber Grund für eine Ausnahme, da Molau selbst den Weg in die Öffentlichkeit gewählt habe und man ihn bei seinen Ausstiegssplänen unterstützen wolle.
Molau galt als Denker und Stratege der Rechten
Kontakte zu rechtsextremem Gedankengut hatte Molau bereits in frühester Jugend. Dennoch war er, auch äußerlich, kein typischer Rechtsextremist. Sein Erscheinungsbild und sein Lebenswandel sind bürgerlich. Seine rechte Karriere führte ihn zur "Jungen Freiheit", in die Redaktion der NPD-Postille "Deutsche Stimme" und vor allem an die Spitze der im rechtsextremen Milieu einflussreichen "Gesellschaft für deutsche Publizistik". Sicherheitsbehörden hatten ein besonders waches Auge auf ihn, denn Molau verstand es, seine rechtsextremen Botschaften rhetorisch so zu verpacken, das sie auch bürgerliche Schichten zu erreichen drohten. Manchem szenekundigen Beobachter galt er deshalb als eine Art politischer "Wolf im Schafspelz". Molaus Abkehr von Rechtsaußen gilt deshalb als ein Schlag für die rechte Szene, in der er jahrelang als Denker und Stratege wirkte.
Den Anstoß zur Abkehr gab Pastörs' Aschermittwochsrede
Den Anstoß zum Verlassen des rechtsextremen Lagers gab Molau ausgerechnet der NPD-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, mit seiner berüchtigten Aschermittwochsrede im Saarland. Für Molau war das eine entscheidende Rede. Sie rief aus seiner Sicht zur Gewalt auf, sie habe deutlich gemacht, wie sehr maßgebende Repräsentanten der Partei dem historischen Nationalsozialismus verhaftet seien. Molau war Mitarbeiter der Schweriner NPD-Landtagsfraktion. Heute bezeichnet er diese NPD-Kreise als "völkische Taliban".
Molau: Teile der rechten Szene sind "schlicht skurril"
Der Prozess des Umdenkens habe einige Jahre gedauert, sagt Molau gegenüber NDR Info. Erst nach und nach sei ihm klar geworden, in welch seltsame Kreise er geraten sei: "Da gibt es bei irgendwelchen Treffen in Hinterzimmern Jüngelchen, die kaum gerade stehen können und dann ein T-Shirt mit dem Aufdruck 'White Power' tragen. Im 'Deutsche Stimme Verlag' bestellen Menschen Wehrmachtspuppen oder irgendwelche Zimmerflaks für den weihnachtlichen Gabentisch. Es ist schlicht skurril."
Ein NPD-Verbot sieht der Insider kritisch
Den NPD-Parteivorstand in Berlin bezeichnet Molau als "eine Art Raumschiff im Paralleluniversum": "Man trifft sich in der Katakombe Parteizentrale hinter Stacheldraht und Metallzaun." Bezeichnend sei vor allem der Realitätsverlust der führenden Parteikader. Die Partei lebe von der Provokation, um in den Medien aufzutauchen. Kritisch sieht Molau die Dauerdebatte um ein NPD-Verbot. Sie verschaffe der Partei eine Märtyrerposition. Dies stärke die rechtsextreme Szene, sagt Molau NDR Info.
NSU-Morde der Szene nicht zugetraut
Von den Taten der sogenannten Zwickauer Terrorzelle sei er überrascht gewesen, so Molau. Weder habe er der Szene die dafür nötige Organisationsfähigkeit zugetraut, noch das Ausmaß der Konspiration.
"Der jetzige Molau möchte gerne versöhnen"
Für vieles, was er als Redner in den vergangenen Jahren gesagt habe, fühle er sich verantwortlich: "Es bedrückt mich, dass ich Menschen verletzt und Dingen Vorschub geleistet habe, die nicht zu akzeptieren sind," lautet seine Bilanz. Er mache es sich selber zum Vorwurf, dass er zum Beispiel bei einer Rede vor gewaltbereiten Neonazis aus dem Landkreis Schaumburg durch sein bürgerliches Image eine Art Feigenblatt gegeben und damit die wahren Absichten dieser Gruppierung verschleiert habe. Doch eine Entschuldigung sei nicht genug; er fühle sich zum Handeln verpflichtet: "Der Rassist Molau hat in den Reden zugespitzt, um Wirkung zu erzielen - der jetzige Molau möchte gerne versöhnen." Wo er zuvor verbrannte Erde hinterlassen habe, möchte er sich nicht nur entschuldigen, sagt Molau. Er möchte auch die Chance haben, dort das ein oder andere Pflänzchen wieder zu setzen - etwa durch Aufklärungsarbeit über Rechtsextremismus oder auch in sozialen Projekten - um jene in Deutschland zu integrieren, die er früher am liebsten des Landes verwiesen hätte.
von Angelika Henkel und Stefan Schölermann, NDR.de