Von Heinz Siebold
In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten – der rechtsstaatliche Grundsatz ist unumstößlich. Aber seine Anwendung ist manchmal schwer zu ertragen. So auch in dem Freiburger Neonazi-Prozess.
Denn damit ist schon mancher davongekommen, den man als Vergewaltiger oder Mörder hinter Gittern sehen wollte. Auch der Neonazi, der in Riegel am Kaiserstuhl einen jungen Linken fast zu Tode fuhr,
hat von Restzweifeln des Gerichts profitiert und geht straffrei aus.
Obwohl er nachweislich gewaltbereit, auch einschlägig vorbestraft und in
übler Gesellschaft ist. Oder war?
Er will ins Aussteigerprogramm für Neonazis, das vom Landeskriminalamt
betreut wird. Ein Freispruch wird dabei förderlich sein, es wird sich
zeigen, wie ehrlich der Ausstiegswille tatsächlich ist. Der Freispruch
ist für den schwer verletzten und nach wie vor gehandicapten
Auszubildenden und seine politischen Freunde eine schwere Enttäuschung.
Eine Entschuldigung, ein Wort des Bedauerns hat der Angeklagte nicht
über die Lippen gebracht.
Auch das Gericht blieb bemerkenswert kühl gegenüber den jungen Linken.
Über ihre völlig unüberlegte, plan- und sinnlose Aktion sollten diese
dennoch selbstkritisch nachdenken und einen Blick zurück in die
Geschichte werfen.
Der antifaschistische Kampf Mann gegen Mann auf der Straße wirkt zwar heroisch, ist aber schon in der Weimarer Republik ein aussichtsloses Mittel gewesen. Wer den Anspruch hat, die Republik über die rechtsradikale Bedrohung aufzuklären, der muss um die Köpfe kämpfen, ohne auf Schädel zu schlagen.