+++ Mehr als 300 Menschen trotzten miesem Wetter und gingen gegen Nazitreffpunkte in Schöneweide auf die Straße +++ Neonazis filmen und fotografieren vermummt aus ihren Wohnungen +++ Polizei provoziert mit Festnahmen +++ Pfefferspray-Attacke durch NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke im Nachgang
Prägendes Accessesoire am gestrigen Samstagnachmittag bei einer Antifa-Demo in Berlin waren Regenschirme und Kapuzen: Die mehr als 300 Teilnehmer_innen wollten trotz des starken Regenschauers ein Zeichen gegen rechte Treffpunkte in Schöneweide, wie die bekannten Kneipe "Zum Henker" und den Waffenladen "Hexogen", dessen einjähriges Bestehen auch der Anlass war, setzen.
Unter dem Motto "Turn Left - Smash Right! Solidarisch gegen Nazis und Rassismus" startete der Demonstrationszug am S-Bahnhof Schöneweide, an dem sich auch das "Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick" sowie das lokale Bündnis "Uffmucken gegen Nazis in Schöneweide" mit eigenen Blöcken beteiligten. Vertreter_innen des letztgenannten verkleideten sich zudem als Kühe, in Anlehnung an die Kampagne "Schöner weiden ohne Nazis". Schon im Vorfeld wurden in Schöneweide in diesem Rahmen bunte Kuh-Plakate aufgehangen.
Die Demonstration sollte einen Höhepunkt der Antifa-Kampagne "Turn Left - Smash Right!" darstellen. Im Vorfeld fanden diverse Aktionen in dem von Nazis als "Homezone" betrachteten Kiez statt: ein Abkratz-Spaziergang zum Entfernen rechter Propaganda, ein Konzert des "Uffmucken"-Bündnisses, ein Skate- und Grafitti-Jam, Infostände und Verteilaktionen sowie Diskussionsveranstaltungen und Plakatiertouren.
Der Waffen- und Outdoorladen "Hexogen" vom NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke in der Brückenstraße 9 besteht seit nunmehr einem Jahr. Allerdings spricht vieles dafür, dass er sein zweijähriges nicht mehr feiern können wird: Kürzlich scheiterte er bei einer Gerichtsverhandlung um seinen Laden. Der Termin war angesetzt um sich möglicherweise gütlich zu einigen, doch der Vermieter will keinen Neonaziladen mehr. Schmidtke beteuert, der Laden wäre seine Existenzgrundlage, er hätte viel Geld in Sicherheitsscheiben und Regale investiert und würde nichts Verbotenes verkaufen. Eine dreiste Lüge: Schon bei zwei Razzien, die letzte vor wenigen Wochen, beschlagnahmte die Polizei dutzende volksverhetzende CDs in seinem Laden. Zudem fand die Polizei Medienberichten zufolge auch "umfassende Beweise" für Schmidtkes Mitarbeit an der Neonaziseite "NW-Berlin", auf der Nazi-Gegner mit privaten Daten und Fotos abgebildet sind.
Der zunehmende antifaschistische Druck setzt die Nazis in Zugzwang und treibt sie zu Reaktionen. Das sie sich dabei jedoch teilweise extrem dämlich anstellen, bewies zuletzt der mecklenburger JN-Chef Alf Börm, der beim Sprühen in Berlin seine Brieftasche am Tatort liegen ließ. Ähnlich dumm stellte sich der Lichtenrader Harald B. an, der vor einer Neuköllner Moschee Schweineköpfe ablegte: Er tat dies zusammen mit dem Kassenbon des Supermarktes in Blankenfelde, in dem er selber arbeitet. NPD-Landeschef Schmidtke bleibt seinem Vorgehen treu und versuchte durch Anmeldungen von Gegenkundgebungen dem Anti-Nazi Protest etwas entgegenzusetzen. Und kam bei keiner der Veranstaltungen auf eine Teilnehmerzahl im zweistelligen Bereich.
Auch für Samstag plante er eine Gegenkundgebung, konnte sich beim Anmeldergespräch aber nicht mit der Polizei über den Ort einigen. Zu Gefährlich fand diese eine Nazikundgebung in unmittelbarer Nähe zur Antifa-Demo.
Insofern blieb den Nazis nichts anderes übrig als sich, wie üblich, vermummt in ihre Treffpunkte und Wohnungen zurückzuziehen und zu versuchen, die Antifa-Demo zu fotografieren. So trafen sich in der Brückenstraße 14 Gesine Hennrich, Christian Stein, David Gudra, Stephan Alex und Julian Beyer. Vom Balkon von Sebastian Schmidtkes und Maria Fanks Wohnung in der Brückenstraße 3 das gleiche Bild, wobei sich der NPD-Landesvorsitzende selber nicht blöd genug war, sich ebenfalls zu vermummen, in der Hoffnung niemand erkenne ihn bei seiner Anti-Antifa Tätigkeit für NW-Berlin. Neben ihm stand Björn Wild. Auch vom Balkon in der 1. Etage der Brückenstraße 28, direkt über dem Linkspartei-Büro, fotografierten Neonazis.
Um den Nazis zu zeigen, dass wir sie trotzdem erkennen, hier ein kleines Who-is-Who der Brückenstraße-Nazis.
Den Antifaschist_innen war der Umstand bewusst, aus diesem Grund zog die Spitze der Demo auf der Brücke kurz vor dem Henker ein meterlanges Transparent über den gesamten vorderen Teil der Demonstration um die Aktionen der Neonazis ins leere laufen zu lassen. Mit Erfolg wie sich zeigte.
Zu Zwischenfällen kam es zuvor nicht. Lediglich eine Gruppe von betrunkenen rechten Säufern, die sich zuvor Mut angetrunken hatten, pöbelten vor ihrem Treffpunkt "Mucke Weide" an der Kreuzung Wilhelminenhofstraße/Edisonstraße. Einer der Pöbler, deren Lautstärke erst mit einer sie schützend umringenden Polizeikette zunahm, trug ein T-Shirt mit dem Holocaust-leugnenden iranischen Präsident Ahmadineschad und der Aufschrift "Willkommen bei Freunden".
Trotz des friedlichen Verlaufs war sich die Berliner Polizei nicht zu Schade Menschen , die sich vor den Anti-Antifa Fotos der Nazis schützen wollten, wegen Vermummung festzunehmen und so unnötig zu provozieren. In der üblichen brutalen Art und Weise wurden mindestens fünf Menschen deswegen am Ende festgenommen. Die Sprecherin der Antifa-Demo erstaunte das nicht, in einer PM sagte sie: "Das die Berliner Polizei dies als Vorwand für Festnahmen nutzt, während die Provokationen der Nazis ignoriert werden, verwundet mich allerdings nicht. Auf staatliche Stellen ist im Kampf gegen die Nazis kein Verlass, wie der aktuelle Skandal um die geschredderten NSU-Akten beim Verfassungsschutz zeigt."
Auch Schmidtke wollte offenbar Frust ablassen. Da er sich an die Antifa-Demo nicht heranwagte, musste ein älterer Passant herhalten, den er direkt vor seiner Wohnung mit Pfefferspray besprühte. Zum Schutz, sollte Schmidtke trotz Bewaffnung nicht mit dem Mann fertig werden, hielten sich zudem mehrere Neonazis in der dortigen rechten Kneipe "Zur Haltestelle" auf. Nach Angaben von Schmidtke sei er mit einen Messer bedroht worden... Gegen Schmidtke wird jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Die Polizei, die sich während der ganzen Veranstaltung nur für die Teilnehmer_innen der Antifa-Demo interessierten, bekamen aufgrund ihres Anti-Antifa Fokus diesen Vorfall erst viel später mit.
Die Vorfälle zeigen, Schöneweide bleibt umkämpft. Den Nazis schmeckt es gar nicht, dass ihnen kontinuierlicher antifaschistische Präsenz erfolgreich den Kiez streitig macht und reagieren verzweifelt. Aus diesem Grund sind weitere Aktionen in Planung.
Fotos gibt es hier:
http://www.demotix.com/news/1320876/500-participate-anti-nazi-demonstration-berlin
http://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/sets/72157630469765124/
http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157630467196866/