Auto-Attacke? Neonazi muss vors Freiburger Landgericht

Erstveröffentlicht: 
15.06.2012

Prozessauftakt

 

Er soll auf einem Parkplatz bei Riegel in eine Menschengruppe gefahren sein – mit voller Absicht: Das wirft die Staatsanwaltschaft einem Rechtsextremen aus der Ortenau vor. Am Montag beginnt der Prozess.

 

Von Montag an muss sich ein polizeibekannter Neonazi aus der Ortenau vor dem Landgericht für einen Angriff auf einen jungen Gewerkschafter verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchten Totschlag vor. Er soll im Oktober in Riegel mit voller Absicht in eine Menschengruppe gefahren sein.

Die Staatsanwaltschaft Freiburg wirft dem selbständigen Versicherungsvertreter Florian S. versuchten Totschlag in drei Fällen in Verbindung mit einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung vor. Er war am Abend des 1. Oktober 2011 als eine Art "Schleuser" für auswärtige Teilnehmer einer geheimen Neonazi-Party am Kaiserstuhl auf dem Pendlerparkplatz nahe der Autobahn A5 postiert. Als sich ihm um 19.15 Uhr auf der Straße vor dem Parkplatz eine Gruppe von fünf teilweise vermummten Menschen näherten, fuhr er mit Vollgas auf die als Gegner ausgemachte Gruppe zu. Ein Mann wurde von dem Pkw erfasst und schwer verletzt.

 

Neun Verhandlungstage und etliche Zeugen

 

Drei geschädigte beziehungsweise bedrohte Antifaschisten treten als Nebenkläger auf, darunter der damals schwer Verletzte. Das Schwurgericht unter Vorsitz von Richterin Eva Kleine-Cosack hat neun Verhandlungstermine festgelegt und eine große Anzahl von Zeugen und Sachverständigen geladen. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten zunächst auch Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten jungen Leute aus dem Umfeld der "Antifaschistischen Linken" wegen Nötigung eingeleitet, diese wurden jedoch – zum Teil gegen Geldauflagen – eingestellt.

Die Staatsanwaltschaft glaubt nach umfassenden Ermittlungen und Gutachten, dass der zur Tatzeit 29 Jahre alte Neonazi mit seinem Auto bewusst dazu angesetzt habe, Menschen zu verletzen. Er habe gar deren Tod in Kauf genommen. Es habe keine zwingende Notwehrsituation vorgelegen, der Angeklagte habe vorsätzlich die Konfrontation mit den ihm verhassten Gegnern gesucht.

Erfolgloser NPD-Landtagskandidat

 

Der jetzt in Freiburg Angeklagte hat mehrfach Zeugnisse von Gewaltbereitschaft abgelegt, er ist vom Amtsgericht Offenburg wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und wegen übler Nachrede verurteilt worden. Die Tat in Riegel beging der erfolglose NPD-Landtagskandidat noch in der Bewährungszeit, zu der die siebenmonatige Freiheitsstrafe ausgesetzt war. Derzeit sind in Offenburg zwei weitere Verfahren gegen ihn anhängig wegen Volksverhetzung per Internet und erneuten Zeigens von Nazisymbolen. In einem Internetforum hatte er geäußert, er warte nur drauf, mal einen Angreifer "die Klinge fressen" zu lassen, in einem Hetzlied auf Youtube wollte er "den Jud’ vom Fahrrad" holen.

Der Prozess über die gefährliche Attacke in Riegel wird von der linken und antifaschistischen Szene mit Argwohn und Misstrauen verfolgt. Ein "Solibündnis Riegel" will am Sonntag in Freiburg unangemeldet demonstrieren und den Prozess "beobachten". Zudem werden unbewiesene Gerüchte gestreut, der beschuldigte wolle sich der Polizei andienen und in das Aussteigerprogramm aufgenommen werden. Inzwischen hat der Angeklagte seinen Anwalt gewechselt: Er wird nicht länger von der ehemaligen stellvertretenden NPD-Kreisvorsitzenden von Jena, Nicole Schneiders, vertreten – sondern von einem angesehenen Freiburger Anwalt als Pflichtverteidiger.