Kontroverse um Ausstellung „Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser“ in Köln

Erstveröffentlicht: 
11.06.2012

Kontroverse um Ausstellung „Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser“ in Köln

11.06.2012 18:30 von:(rk)
Die heute eröffnete „Nakba“-Ausstellung im Kölner Allerweltshaus sorgt für Aufregung. Bild: Allerweltshaus

Am heutigen Montag eröffnen die Initiatoren im Allerweltshaus in Köln-Ehrenfeld die Ausstellung „Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser“. Die Ausstellung thematisiert die Vertreibung der Palästenser im Zuge der Staatsgründung Israels und der Zeit danach, inklusive der damit verbundenen Bilder und Motive menschlichen Leids. Nakba bedeutet im arabischen so viel wie Katastrophe. Die gleichnamige Ausstellung wurde im Jahr 2008 vom Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. erstellt. Nach Angaben des Vereins wurde die Ausstellung bereits in 80 Städten Deutschlands von mehreren Tausend Gästen besucht. Konzipiert wurde die Ausstellung aus der Überzeugung heraus, „dass ohne die Kenntnis und ohne eine gebührende Anerkennung der palästinensischen Seite des Konflikts Aussöhnung, Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten keine Chance haben werden“, so der Verein weiter. Gefördert wurde die Ausstellung vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ), wie die Aussteller in ihrer Ankündigung schrieben.

 

Breite Front gegen Ausstellung

Doch die Ausstellung stößt auf massive Kritik, weit jenseits des jüdischen Kulturkreises. Auch der Kölner Arbeitskreises Israel-Palästina wandte sich am heutigen Montag mit ungewöhnlich scharfer Kritik an die Ausstellungsmacher. Unterzeichnet wurde die gemeinsame Stellungnahme unter anderem von Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD), dem Vorstand der Kölner Synagogen-Gemeinde, Abraham Lehrer, sowie hochrangigen Vertretern von Gewerkschaften, den beiden christlichen Kirchen und weiteren Vereinen und Institutionen.

 

Ausstellung wird Gedanken der Aussöhnung nicht gerecht

„Mit großer Sorge und Skepsis sehen wir die Ausstellung »Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948«. Dass sie dazu beitragen will, dem hierzulande allzu oft vergessenen Leiden der palästinensischen Flüchtlinge seinen ihm zukommenden Platz in der Erinnerung der Gesellschaft zu sichern, bestreiten wir nicht. Doch wie sie es tut, ist problematisch“, schreiben die Unterzeichner. Vor allem die einseitige Darstellung und die damit verbundende unterschwellige und als einseitig kritisierte Schuldzuweisung in Richtung Israel und Zionismus stößt in weiten Kreisen auf Ablehnung.

Den Vorwurf der einseitigen Parteiennahme für Israel wiesen die Kritiker zurück. „Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: In der Diskussion um die Zukunft des Nahen Ostens soll und darf das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung 1947/1948 weder beschönigt, ausgeblendet noch verschwiegen werden. Dieses Leid wird jedoch erst verstanden, wenn es in dem zu ihm gehörenden historischen Kontext präsentiert wird. Die Ausstellung ist lückenhaft“, so der Kernvorwurf. So haben die Kuratoren der Ausstellung den Antisemitismus als weit verbreitetes Phänomen in vielen angrenzenden Staaten und deren Gesellschaften ebenso ausgeblendet wie den Hinweis auf Verstrickungen zwischen den Palästinensern und dem Nazi-Regime. Auch fehle jeglicher Hinweis auf den palästinensischen Terrorismus, arabische Vernichtungsdrohungen und iranische Endlösungsrethorik. „Es gibt einen Zusammenhang zwischen Antizionismus, einseitiger Israelkritik und antisemitischen Stereotypen“, führten die Kritiker weiter aus.

 

Jüdische Liberale legen nach

Etwas diplomatischer, aber in der Sache ebenso deutlich wurde auch der Verein „Jüdische Liberale Gemeinde Köln – Gescher LaMassoret e.V.“ in seiner Stellungnahme, die nur kurze Zeit später als Mailanhang in der Redaktion einging. Auch deren Vertreter hätten sich mehr Ausgewogenheit bei der Beschreibung des Problems gewünscht. „Urteile wären dann vielleicht nicht einfach und eindeutig, Fragen und Zweifel blieben und vor allem könnte dem einen oder anderen die Komplexität des „Nahostproblems“ etwas deutlicher werden. Das wäre produktiv. Natürlich ist es anstrengender, sich mit entgegengesetzten Sichtweisen auseinander zu setzen und erkennen zu müssen, dass es in diesem Konflikt keine einfachen Wahrheiten geben kann“, erklärte Michael Lawton für den Gemeindevorstand. „Wer aber nur diese eine Seite zeigt und alles andere unterschlägt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit diesem Ansatz, der Israel eine eindeutige Täterrolle zuweist, vorhandene antisemitische Vorurteile bedient und bestätigt, vielleicht sogar verstärkt“, so Lawton abschließend.

 

Betreiber distanziert sich vom Inhalt

Die Fotoausstellung im Allerweltshaus im Kölner Stadtteil Ehrenfeld beginnt am heutigen Montag und soll knapp zwei Wochen andauern. Veranstalter ist die Initiative Frauen Wege Nahost. Schirmherr ist der Rechtsanwalt, Publizist und Autor Christian Sterzing. Der Verein selbst hat in seiner Presseerklärung betonte, dass er nicht zum Kreis der Unterstützer der Initiative gehört, selbst nur als Veranstaltungsstandort fungiert. Dass die Betreiber des Hauses ein heißes Eisen anfassen, war den Verantwortlichen der Ehrenfelder Einrichtung schon vor dem heutigen Eröffnungstag bekannt. In Düsseldorf wurde eine „Nakba“-Ausstellung im März vergangenen Jahres auf Geheiß des für die VHS zuständigen Bildungsdezernenten abgesagt, sechs Monate unternahmen die Initiatoren erneut einen Versuch, diesmal im Friedensort Bunkerkirche, doch auch dieser Versuch scheiterte am Widerstand des damaligen Hausherrn. Die Betreiber des Kölner Begegnungs- und Bildungszentrums sehen jedoch die „Seriosität und Diskursfähigkeit der Ausstellung gewährleistet“, wie die Verantwortlichen betonten.

 

http://www.koeln-nachrichten.de/kultur/ausstellungen/ausstellungen-news/article/kontroverse-um-ausstellung-nakba-flucht-und-vertreibung-der-palaestinenser-in-koeln.html