Nach Hetze gegen Nazi-Widerstandskämpfer
Von Florian Diekmann und Oliver Trenkamp
Mitten im Wahlkampf muss sich die nordrhein-westfälische FDP mit einer heiklen Personalie beschäftigen: Ein Parteimitglied ist hoher Funktionär in einer rechten Burschenschaft und hetzte gegen den Nazi-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Jetzt wollen ihn die Liberalen ausschließen.
Der Eklat in der Deutschen Burschenschaft hat erste Konsequenzen: Die FDP in Nordrhein-Westfalen will jenen ranghohen Burschenschafter ausschließen, der Dietrich Bonhoeffer, den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, als "Landesverräter" bezeichnet hat.
Es ist eine heikle Personalie für die FDP, auch wenn der Burschenschafter nur einfaches Parteimitglied ist. Die Liberalen sind in einer ohnehin schwierigen Situation - bei der Landtagswahl in wenigen Wochen droht das Scheitern an der Fünfprozenthürde. Da kommt die Auseinandersetzung um einen Rechtsextremen in den eigenen Reihen zur Unzeit.
Laut dem FDP-Sprecher habe man nach dem SPIEGEL-ONLINE-Bericht am Donnerstag über die Äußerungen des Burschenschafters feststellen müssen, dass der Mann tatsächlich Mitglied im Kreisverband Bonn sei. "Allerdings handelt es sich bei ihm um eine Karteileiche. Er ist in der Partei nie in Erscheinung getreten", sagte der FDP-Sprecher.
Vom prominenten Neonazi zum Mitglied der Liberalen
Nun rechnet die Parteiführung in Nordrhein-Westfalen mit einem zügigen Verfahren. Selbstverständlich werde man dem Betreffenden die Gelegenheit geben, gehört zu werden. Allerdings scheine dieser Fall sehr offensichtlich zu sein, "da die Äußerungen ja schriftlich vorliegen", sagte der Sprecher. Laut eigener Aussage ist der Burschenschafter seit 1999 Mitglied der FDP, im selben Kreisverband wie der Landesgeneralsekretär Joachim Stampe, nämlich in Bonn.
Der Hintergrund: Recherchen von SPIEGEL ONLINE hatten zutage gefördert, dass Norbert Weidner - so der Name des Burschenschafters und FDP-Mitglieds - den Nazi-Widerstandskämpfer und Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im KZ hingerichtet wurde, öffentlich als "Landesverräter" bezeichnet hatte - und zwar in einem Leserbrief an die Mitgliedszeitung der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn". Weidner verteidigte darin zudem die Hinrichtung Bonhoeffers: "Rein juristisch halte ich die Verurteilung für gerechtfertigt." Er schreibt über eine Verurteilung, die so zustande kam: Ein nicht zuständiges SS-Standgericht hatte Bonhoeffer in den Tod geschickt, ohne Verteidigung, ohne schriftliche Aufzeichnung, mit dem KZ-Kommandanten als Beisitzer. Bonhoeffer starb am Tag nach dem Urteil durch den Strang, wenige Tage vor Kriegsende.
Dieser Brief könnte auch strafrechtlich relevant sein. In ähnlichen Fällen verhängten Richter Geld- und auch Haftstrafen, wenn Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime als "Landesverräter" bezeichnet wurden. Erst vor knapp drei Jahren musste ein CDU-Mann eine Geldstrafe zahlen, weil er Bonhoeffer ebenfalls einen "ganz gewöhnlichen Landesverräter" genannt hatte.
Einige Jahre bevor er der FDP beitrat, verließ er die Szene - legte aber in Interviews Wert darauf, er sei nicht ausgestiegen, sondern habe sich lediglich zurückgezogen.
Die Burschenschaft, in der Weidner Mitglied ist, hatte bereits im vergangen Jahr beim "Ariernachweis"-Streit im Dachverband Deutsche Burschenschaft eine führende Rolle gespielt. Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung damals an einem chinesischstämmigen Burschenschafter: Einigen Verbandsbrüdern war er nicht deutsch genug.