Macht und Manipulation der Medien

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Es gibt ein Kolumbien, das in den Medien sehr präsent ist. Hierbei handelt es sich um das Kolumbien, in der die Entführungen der FARC-EP und der angebliche Terror das größte Problem des Landes darstellen. Und dann gibt es das andere Kolumbien, jenes, welches nicht so bekannt ist. Kolumbien als das Land mit den meisten Morden an Gewerkschaftern, an politisch Engagierten in den sozialen Bewegungen und systematischen Terror gegen die Bevölkerung, begangenen durch paramilitärische Verbände und unterstützt oder begünstigt durch die staatliche Politik. Von 1984 bis heute wurden rund 2800 gewerkschaftlich organisierte Menschen und unzählige Journalisten, kritisch denkende Personen und Bauern. Warum wird darüber nur spärlich berichtet? Wie werden Nachrichten manipuliert?

 

 

Kolumbien seit jeher…

 

Die Ursachen der Gewalt, gemeint ist hier nicht die gewöhnliche Kriminalität, und des sozialen Protestes, die oftmals in einem Zusammenhang stehen, beziehen sich auf die Ungleichheit im Land und die systematisch angewendete Gewalt der Regierung. In Kolumbien besitzen 1% der Menschen, gehörend zur Oligarchie von Politik und Wirtschaft, immer noch rund 80% der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Auf der anderen Seite gibt es im Land mehr als vier Millionen vom Land Vertriebene. Kolumbien ist eines jener Länder, in der die Ungleichheit zwischen Armen und Reichen am größten ist, dabei ist das Land reich an natürlichen Ressourcen und gesegnet mit einer fantastischen Natur.

Seit dem letzten Jahrhundert, als mit den beiden großen Parteien (Liberale und Konservative Partei)  ein faktisches Zweiparteiensystem etabliert wurde, strebt die Elite des Landes dazu, die politische und wirtschaftliche Macht unter sich aufzuteilen. Dazu wurden auf dem Rücken der Bevölkerung Kriege geführt und von Anfang an der Widerstand der Menschen unterdrückt. Auch wenn es das „Zweiparteiensystem“ heute nicht mehr gibt, die Politiker, Konzerne und Großgrundbesitzer teilen das Land weiterhin unter sich auf, sozialer Protest wird kriminalisiert oder vernichtet. Ein Beispiel hierfür ist die von FARC, Kommunistischer Partei und Gewerkschaften gegründete „Unión Patríotica“, eine linke Partei aus den 1980er Jahren, die seit ihrer Gründung der Vernichtung preisgegeben worden ist. In weniger als 10 Jahren tötete der Staat und Paramilitärs 5000 Mitglieder und Sympathisanten, darunter gewählte Bürgermeister, Senatoren und Präsidentschaftskandidaten. Aber auch heute noch werden alle diejenigen bekämpft und ermordet, die gegen den „Status Quo“ in Kolumbien sind, darunter nicht nur die KämpferInnen in revolutionären Organisationen wie den FARC-EP, sondern auch Gewerkschafter, Indígenas, Führungspersonen aus den sozialen Bewegungen, Menschenrechtsaktivisten, Bauern, Journalisten, Priester, Anwälte und Mitglieder linker Gruppen und Parteien. Der Widerstand gegen das kolumbianische Regime und das Entstehen der Guerilla kommt nicht von ungefähr, sie sind die Ursache der Verhältnisse im Land, in der das Greifen zur Waffe oftmals die einzige Möglichkeit ist, um überleben zu können und sich zur Wehr setzen zu können.

 

Aktuelle Politik

 

Der Präsident Santos ist nicht für den Frieden, sondern für den Krieg. Wer dachte, mit der unilateralen Freilassung der Kriegsgefangenen durch die FARC-EP beginne Zeit des politischen Frühlings, sah sich angesichts der Bombardierungen auf Camps der Guerilla und den letzten Äußerungen des Präsidenten enttäuscht. Schon im letzten Jahr zeigte Santos eindeutig, was er von einer Politik der Entspannung hielt, als er Alfonso Cano töten ließ, der mehrmals die Notwendigkeit eines Friedensprozesses betonte. Stattdessen wächst der Paramilitarismus im ganzen Land an und die Regierung tut wenig, um dieses Problem zu beseitigen. Dafür versucht der Präsident durch mediale Shows Gesetze als Allheilmittel einzuführen, die jedoch an der Realität vorbei gehen. Das Gesetz zur Rückgabe des Landes (Ley de restitución de tierras) betrifft nur weniger als ein Drittel des eigentlich gestohlenen Bodens durch Paramilitärs, zu dem versuchen durch falsche Aussagen, Bedrohungen und Verträge Paramilitärs, den gestohlenen Boden nun durch dieses Gesetz zu ihrem legalen Eigentum zu machen. Im Gesetz der Opfer (Ley de víctimas) sollen Paramilitärs bestraft und Opfer entschädigt werden, das Gesetz umfasst jedoch nur einen kleinen Teil der begangenen Taten und gefassten Täter. Verbrechen, die zum Beispiel nach der falschen Demobilisierung im Jahr 2005 geschehen sind, spielen im Gesetz kaum eine Rolle. Hingegen präsentiert Santos Kolumbien immer als ein Land, welches Opfer der Verbrechen gegen die Bevölkerung ist, anstatt verantwortlichen Akteurs, der die Täter schützt und unterstützt. Santos, als ehemaliger Verteidigungsminister kennt sich aus in der Kriegsführung. So treibt er die Militarisierung des Landes voran mit der Hoffnung, den Konflikt militärisch zu lösen. Dafür werden Millionen und aber Millionen investiert, während ein Großteil der Bevölkerung hungern und die mit der Militarisierung negativen Folgen am eigenen Leib erfahren muss. In den europäischen Medien hat man noch eine kritischere Auseinandersetzung als in den kolumbianischen. Kritik wird hier mit subversiven Tätigkeiten und Hochverrat gleichgesetzt.

 

Alltägliche Berichterstattung

 

Die Praxis aller Medien, ob Radio, TV oder Print, ist das Geschäft, so dass es letztlich darum geht, Geld zu machen. Und so unterstützen sie oftmals im medialen Diskurs eine Linie, die sich dem Ziel des Geldmachens und dem Streben nach Profit unterordnet. Die Themen und Zielstellungen laufen hierbei auf eine neoliberale und konservative Linie hinaus. Es passt zur Logik, dass linke Reporter und Medien eine Seltenheit sind, während die große Mehrheit der Agenturen und Reporter neoliberal geprägt sind.

Wenn wir in Kolumbien vom Krieg reden, dann geschieht es immer aus der Perspektive der Regierung. Die größten Zeitungen, Radio- und Fernsehkanäle befinden sich unter ihrem Einfluss oder gehören ihr personell an. Für die Regierung ist der Krieg ein Geschäft, Firmen und Konzerne, ob in der Rüstung, der Technologiebranche, in der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen oder in der Telekommunikation profitieren davon. Gute Propaganda bedeutet eben, ein Klima für Investitionen zu schaffen und die Bevölkerung sowie die ganze Welt davon zu überzeugen. Wen interessiert da schon die andere Sichtweise?

 

Natürlich ist es schwierig, in einer komplexen Welt ein klares Bild zu bekommen. Der Mensch ist häufig mit sich selbst beschäftigt, er kümmert sich um seine elementaren Dinge des Lebens. Es ist verständlich, dass der Mensch oft nur wenig Zeit hat, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die in anderen Ecken der Welt passieren. Als Zugang dafür nutzt er oft die unkonventionellen und einfachen Mittel. Das Besorgniserregende ist jedoch, dass die Informationswelt, die ein Großteil der Menschen erreicht, politisch sehr verkürzt dargestellt wird und sich nach neoliberalen Aspekten orientiert, wo wir wieder bei dem Punkt sind, dass Themen und Zielvorstellungen von der kapitalistischen Linie diktiert werden.

So ist es nicht verwunderlich, dass die zwei großen Presseagenturen der Welt, „Reuters“ aus Großbritannien und „Associated Press“ aus den USA, einen sehr großen Einfluss auf die Berichterstattung in der Welt haben. Andere Agenturen greifen auf ihre Informationen zurück, was uns schließlich erreicht, kann getrost als „Einheitsbrei“ bezeichnet werden. So ist der Kapitalismus immer ein Synonym für Freiheit, Santos und Uribe sind immer die Guten, während sozialistische Ideen per se verteufelt werden und Chávez oder die Guerilla die Bösen sind.

 

Alternativen?

 

Ja, es gibt Alternativen. Es gibt kleine Stadtteilzeitungen und Freie Radios, aber das Internet scheint eine der besten Möglichkeiten zu sein, um einfach und global an verschiedene Informationen kommen zu können. Die Welt ist voll von Ereignissen und Herausforderungen, die erzählt und beschrieben werden müssen. In Deutschland, in Europa und einigen anderen Ländern gibt es eine gute Auswahl an alternativen und kritischen Medien, die alle Sparten umfassen. Von Zeitungen und Zeitschriften über Freie Radios und politische Veranstaltungen bis hin zu diversen Internetprojekten scheinen der Gegeninformation keine Grenzen gesetzt. In Kolumbien hingegen leben alternative Medienprojekte und kritische Journalisten gefährlich. Eine kritische und antistaatliche Meinung bedeutet in ständiger Gefahr zu leben. Zu meist werden sie in die Nähe des Terrorismus gestellt. KolumbienInfo bietet wie andere Medien auch die Möglichkeit, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und bildet eine Gegeninformation zum „Einheitsbrei“. Und ja, KolumbienInfo zeigt sich auch solidarisch mit den Aufständischen der FARC-EP. Dass die FARC-EP in den Medien eine besondere Rolle haben, ist hinlängst bekannt. Kurz noch zur Aufklärung, neun (9) Soldaten wurden bei Kämpfen mit den Aufständischen getötet, nicht sieben und auch nicht sechs (siehe folgendes Beispiel).

Im Folgenden dokumentieren wir ein aktuelles Beispiel im bewaffneten Konflikt aus Kolumbien, aufgeschlüsselt von Jimy Ríos, Mitglied der Klandestinen Kommunistischen Partei Kolumbiens.

Quelle: http://resistencia-colombia.org/index.php?option=com_content&view=article&id=1263:jimy-rios&catid=20&Itemid=61

 

Beispiel

 

Den Fehlinformationen in Kolumbien scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein und zur Probe zeigen wir ein Beispiel. Am Samstag, den 7. April, passierte so ein Fall, der nicht überraschend sein sollte und der eigentlich keines Kommentares Bedarfs was hier im Land passiert und welche Widersprüche er in Bezug auf die Wahrheit im bewaffneten Konflikt aufzeigt.

 

Vieles, wenn auch nicht genug, haben wir über die Rolle der Medien in Kolumbien versucht zu schreiben, vor allem im Krieg. Viele Tausende Male haben wir investiert, um die Verfälschung der Realität, die Übernahme der Lügen und das Verschweigen von Fakten aufzuzeigen. Es ist die Manipulation der Oligarchie und ihrer falschen Träume.

 

In den Medien werden getötete Zivilisten als Guerilleros dargestellt und nie wird aber die falsche Demobilisierung der Paramilitärs erwähnt, die mit der Armee Hand in Hand arbeiten bei der Ermordung von Zivilisten und politisch Aktive. Sie haben sich auch nie die Mühe gemacht, die Zahlen des Kriegsministeriums zu überprüfen oder in Frage zu stellen. Die Aussagen der Armee und der Regierung werden einfach übernommen und dienen als staatliche Propaganda.

 

Außerdem haben wir über die aktive Teilnahme von Journalisten am Konflikt aufmerksam gemacht, wie Gustavo Gómez von Radio Caracol, der sich hämisch freut über den Tod von Guerilleros.

 

Vier unterschiedliche Medien, die auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene arbeiten, berichteten zu einem selben Ereignis, aber mit verschiedenen Informationen und Anzahl zum Tod von Soldaten bei einer Aktion der FARC-EP.

 

Betrachten wir zunächst die unterschiedlichen Zahlenangaben: „Mindestens neun (9) Soldaten bei einem Angriff der FARC gegen ein Bataillon in Quibdó, Chocó“ (Radio Caracol, 7. April 2012). „Attacke der FARC in Chocó hinterlässt sieben (7) Tote Soldaten. Drei Guerilleros wurden umgebracht“ (Elespectador.com, 7. April 2012). Sechs (6) Soldaten bei Kämpfen mit der FARC getötet“ (Elcolombiano.com, 7. April 2012). „Kämpfe in Chocó verursachen sechs (6) tote Militärs und zwei tote Guerilleros“ (Eltiempo.com, 7. April 2012). Ari Mauricio Piñeres Salazar, Innenminister der Region, sagte dazu, dass offiziell sechs (6) Soldaten und ein (1) Offizier getötet wurden. Und gemäß dem Geheimdienst wurden mindestens 3 Guerilleros getötet und zwei weitere verletzt, so General Giraldo.

Auch über den Ort und die Art der Aktion gibt es nicht viel Klarheit. Radio Caracol vermutet die Aktion „gegen das Bataillon in Quibdó, Chocó… Das Bataillon Manosalva ist stationiert zwischen dem Flughafen und dem Zentrum von Quibdó.“  Elespectador.com hingegen verlegt die Aktion „nahe der Ortschaft Carmen de Atrato, an der Straße die Quibdó mit Medellín verbindet.“ Außerdem verlautbaren sie, „die Guerilleros hätten den Vorteil von Erdrutschen auf der dadurch geschlossenen Straße ausgenutzt, um die Zivilbevölkerung zu attackieren, weil sie wussten, wie schwierig es für das Militär sein würde, sich hier bewegen zu können.“

In Elespectador.com beschreibt der General Giraldo, Kommandeur der 7. Armee-Division, „dass die FARC geplant hatten, Strommasten in der Region Chocó anzugreifen und dies der Grund gewesen ist, weshalb die Kämpfe begannen.“

 

Anderweitig wird in Elcolombiano.com behauptet, der Angriff fand auf der Straße zwischen Quibdó und Medellín statt, als die Soldaten die Guerilleros dabei überraschten, als sie Sprengfallen im Ort  El Veinte legen wollten. Und Eltiempo.com sagt dazu: „Der Vorfall ereignete sich am Mittag bei Kilometer 18 auf der Straße, die Quibdó und Medellín verbindet, und wo die Armee einen Kontrollpunkt eingerichtet hat. Nach Aussagen von General Giraldo ist die Situation bereits unter Kontrolle und der Verkehr läuft am Ort des Geschehens.“

 

Noch einmal: Eltiempo schreibt also, dass der Verkehr wieder laufe, während Elespectador meint, die Straße sei durch Erdrutsche blockiert. Radio Caracol erklärt, es passierte in Quibdó und Elespectador in der Nähe der Ortschaft Carmen de Atrato. Eltiempo schreibt, es war ein Angriff auf ein Kontrollposten der Armee und ein General erzählt, es sollten Strommasten angegriffen werden. Elespectador schwadroniert von einem Angriff auf die Zivilbevölkerung, Radio Caracol berichtet von einem Angriff auf ein Bataillon, während Elcolombiano meint, die Guerilleros seien von Soldaten überrascht worden.

 

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