Verwaltungsgericht rüffelt Polizei

Erstveröffentlicht: 
17.03.2012

Rechtswidriger Einsatz gegen einen unbeteiligten Passanten, der eine Anti-Nazi-Demo beobachtete.

 

Wenn Bürger einem Polizeieinsatz zuschauen, darf die Polizei nicht einfach die Personalien dieser Passanten aufnehmen. Das hat das Verwaltungsgericht Freiburg jetzt festgestellt. Geklagt hatte ein Betriebswirt aus dem Umland, der eine Demo beobachtet hatte.

Im November 2010 fand in Freiburg eine linke Kundgebung gegen Nazis statt. Weil viele Demonstranten vermummt waren, kesselte die Polizei den Demozug am Nachmittag bei Oberlinden ein. In einer sechsstündigen Prozedur wurden die Personalien von knapp 400 Demo-Teilnehmern festgestellt.

Der Betriebswirt wollte weder demonstrieren noch war er eingekesselt. Er stand nur am Straßenrand und beobachtete mit Ausdauer das Geschehen. Zu seiner großen Überraschung wurde er plötzlich selbst zum Objekt von Polizeimaßnahmen. Nach Darstellung des Gerichts traten gegen 19.20 Uhr drei Polizisten an den Mann heran, fragten nach seinem Ausweis und ließen ihn dann von einem Dokumentationstrupp filmen. Außerdem erhielt der Mann einen Platzverweis, er dürfe für zwölf Stunden die Freiburger Innenstadt nicht mehr betreten. Wenn er in einer Viertelstunde immer noch da sei, werde er sogar inhaftiert.

 

Der empörte Bürger ließ sich das nicht gefallen und klagte schließlich als einziger gegen den Polizeieinsatz. Die Polizei merkte bald, dass sie zu weit gegangen war und räumte ein, dass Videoaufnahme, Platzverweis und auch die Drohung mit dem Gewahrsam rechtswidrig waren. Nur die Feststellung der Personalien sei zulässig gewesen. Der Mann habe die Polizei in der "Bearbeitungszone" gestört, weitere Störungen seien zu befürchten gewesen. In der mündlichen Verhandlung nahm die Polizei auch diesen Vorwurf zurück und gab zu, dass schon die Personalienfeststellung rechtswidrig war.

Das Verwaltungsgericht hatte daher nicht mehr viel Arbeit und verfasste ein so genanntes Anerkenntnisurteil. Darin stellte es fest, dass der Polizeieinsatz gegenüber dem Passanten in Gänze rechtswidrig war. Der Staat muss auch die Anwaltskosten des Mannes zahlen. Udo Kauß, Anwalt des Klägers und Landesvorsitzender des Bürgerrechtsverbands Humanistische Union, begrüßte das Urteil: "Polizeiliches Handeln muss öffentlich kontrollierbar bleiben." Die Freiburger Polizei wollte das Urteil und die Akten erst auswerten.

Der Betriebswirt hatte auch den Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet. Dieser konnte ihm bestätigen, dass die im November 2009 von ihm erhobenen Daten inzwischen gelöscht worden sind.

Seitens der Staatsanwaltschaft waren gegen die Demonstranten 259 Verfahren eingeleitet worden. Am Ende wurden 32 Strafbefehle wegen strafbarer Vermummung verschickt, wobei die Verfahren später überwiegend gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurden. Ein Demo-Teilnehmer, der mit Flaschen und Böllern geworfen hatte, wurde zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.