Wann & Wo
17.03. Wagenplatz Karl Helga (Leipzig)
Einlass: 20 Uhr
Beginn: 20.30 Uhr
BANDS
Haudrauf (KRACHPUNK)
Drown in Concrete (GRINDCORE)
Karl Heinz Feuermelder und die durchgeknallten Brandstifter_innen (ACOUSTIC PUNK)
DJS
Unfug im 4/4 (MINIMAL TECHNO)
Luka Basso & DJ Juvio (MINIMAL TECHNO)
8 Stunden sterben (DEUTSCHPUNK KLASSIKER AUS DER DOSE)
+ COCKTAILBAR
Text, mit dem wir den Inhalt des Solis verdeutlichen wollen:
Solidarity against §129 / §278
Paragraph 129 – Was hat es damit auf sich?
Der § 129 des Strafgesetzbuches (StGB) „Bildung kriminelle Vereinigung“ umfasst die Gründung, Mitgliedschaft, das Unterstützen und das Werben für eine Vereinigung, deren Zweck es ist, Straftaten zu begehen. Im § 129a StGB „Bildung terroristische Vereinigung“, hinzugefügt auf dem Höhepunkt der staatlichen Repression gegen die radikale Linke im „Deutschen Herbst“ 1976, werden die bezweckten Straftaten eingeschränkt: (Völker-)Mord, Totschlag, Kriegsverbrechen, Geiselnahme, das Herbeiführen einer Kernexplosion, schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Gefährliche Eingriffe in den Verkehr, die Störung öffentlicher Betriebe... Die Aufzählung zeigt, wie weit der Begriff „Terrorismus“ gefasst wird. Der § 129b StGB „Kriminelle und terroristische Vereinigung im Ausland“ bezieht auch die Unterstützung, beispielsweise durch Spendensammeln und „Sympathiewerbung“, von im Ausland agierenden, als kriminell oder terroristisch eingeordneten, Organisationen mit ein.
Dank dieser Paragraphen ist kein individueller Tatnachweis nötig – es reicht die Zuordnung zu einer Gruppe, die dementsprechend eingestuft wurde. Darüber hinaus eröffnet der „Spitzelparagraph“ die Möglichkeit von scharfen Ermittlungsinstrumenten: Großflächige Telefonüberwachung, Großrazzien in Wohnblocks, Errichtung von Kontrollstellen im Straßenverkehr und auf öffentlichen Plätzen mit Möglichkeit zu Identitätsfeststellung und Durchsuchung auch bei Unverdächtigen, Anordnung von „Schleppnetzfahndung“ mit Möglichkeit zu Massenspeicherung von Daten und zur Rasterfahndung... Bei dringendem Tatverdacht in Bezug auf §129a darf eine Untersuchungshaft verhängt werden, ohne dass ein Haftgrund, wie etwa Fluchtgefahr, vorliegt. Und es liegen Sonderbedingungen bei der Untersuchungs- und Strafhaft, wie die richterliche Kontrolle der Verteidigerpost oder die Isolationshaft, vor. Die Tatsache, dass die Verurteilungen von Menschen, gegen die aufgrund des § 129a ermittelt wird, im einstelligen Prozentbereich liegen, aber immer Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungen durchgeführt werden, unterstreicht die Funktion dieses Paragraphen. Der Rechtsanwalt und Bürgerrechtsaktivist Rolf Gössner bringt es auf den Punkt:
„Für die Ermittler ist es [...] weniger entscheidend, ob das jeweilige Verfahren überhaupt gerichtlich eröffnet wird und dann auch mit einer Verurteilung endet; von wesentlich größerer Bedeutung ist für sie das Ermitteln selbst. Mit dem über § 129a als Kristallisationskern aktivierten, komplexen Sonderrechtssystem verfügen sie über ein praktikableres Instrumentarium, um in die anvisierten, schwer erfassbaren Szenen einzubrechen, über den Einzelfall hinaus Kommunikationsstrukturen knacken, Daten erheben und Soziogramme des Widerstands erstellen zu können, die nicht nur repressiv, sondern vor allem präventiv und operativ genutzt werden können. Verunsicherung der Szene, Entsolidarisierung und Abschreckung sind zwangsläufige Folgeerscheinungen der Kriminalisierungsstrategie...“
Hinzukommt der erzwungende Fokus von politischen Gruppen auf Antirepressionsarbeit und die mediengestütze Diffamierung von Aktivist_innen als „Terroristen“. Auf diese Weise wird politische Arbeit be- oder gar verhindert.
Ähnliche „Organisationsparagraphen“ gibt es inzwischen fast weltweit. Wir haben uns zwei aktuelle Fälle der Repression herausgesucht, deren Opfer mit der heutigen Soliveranstaltung finanziell unterstützt werden sollen.
Sachsens Demokratie
Im Jahr 2009 gründete sich aus Antifagruppen, Parteien und Zivilgesellschaft das bundesweite Bündnis „Dresden Nazifrei“, um den jährlich im Februar in Dresden stattfindenden größten Neonaziaufmarsch Europas zu blockieren. Um das bei Polizei und Behörden unbeliebte Bündnis zu kriminalisieren und zu überwachen, wurde ein Verfahren im Sinne des §129 „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ eingeleitet. Die Sammlung von legalen und illegalen Aktionen in Sachsen und die Konstruierung einer Gruppe, die diese begangen hätte und sich noch dazu im Umfeld von Dresden Nazifrei befände, ermöglichte die Einleitung von Überwachungsmaßnahmen und die Durchleuchtung der linken Szene.
Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Maßnahmen mit den Razzien im Februar („Haus der Begegnung“ in Dresden), April (Wohnungen und Geschäftsräume in ganz Sachsen und Brandenburg) und Mai (Wohnprojekt „Praxis“ in Dresden) 2011, begleitet von einer Medienkampagne gegen „linke Gewalttäter“.
Derzeit sind 21 Personen im 129-Verfahren beschuldigt, die Ausmaße der Überwachung noch nicht abzusehen.
Österreichs Kampf gegen „Tierrechtsextremismus“
Die Erfolge der sehr aktiven Tierrechtsszene in Österreich waren für Staat und Tierausbeutungsindustrie nicht mehr hinnehmbar. 2007 gründete sich die Sonderkommision der österreichischen Polizei „Soko Pelztier“, welche damit begann, u.a. durch Kontakt zu deutschen Behörden und der Extremismus-Abteilung von Europol, die Struktur der Szene auszuforschen. Nach mehr als einem Jahr Observierung (Telefonüberwachung, Mitlesen von Emails...) und der Einschleusung von verdeckten Ermittler_innen wurde am 21. Mai 2008 zugeschlagen: Insgesamt 24 Wohnungen und Büros wurden durchsucht, 14 Personen verhaftet.
Im März 2010 kam es dann zur Anklage gegen 13 Aktivist_innen. Vorwurf: Die Bildung einer kriminellen Organisation auf Grundlage des § 278a, österreichisches Pendant zum §129 in Deutschland. Dazu wurde auch hier eine Organisation konstruiert, die für legale und illegale Aktionen mit Tierrechtsbezug seit den 1980er Jahren in Österreich verantwortlich gemacht wird. Der Gerichtsprozess war geprägt von Skandalen. Der Einsatz einer für 16 Monate eingeschleusten Ermittlerin wurde vertuscht, leitende Soko-Beamt_innen machten Falschaussagen.
Die auf 14 Monate ausgedehnten Verhandlungen stellten eine unheimliche finanzielle und psychische Belastung für die Betroffenen dar. Mit dem vollumfänglichen (noch nicht rechtskräftigen) Freispruch aller Angeklagten am 02.05.2011 ist es noch lange nicht vorbei. Die Freigesprochenen stehen am Rande ihrer Existenz: Die Verschuldung reicht teilweise bis zu mehreren 100.000 € pro Person. Die Höhe der Entschädigungsangebote des Staates sind angesichts dessen ein schlechter Scherz. Die erfolgte Beförderung vom Leiter der Soko und dem zuständigen Staatsanwalt sind an Hohn nicht zu überbieten.
Gemeinsam gegen Repression!
Die Anwendung von Organisationsparagraphen nimmt in vielen Ländern zu. Immer mehr politische Initiativen sind betroffen, politisches Engagement wird zusehends eingeschränkt. Dem gilt es entschlossen entgegenzuwirken. Dabei sollte der Horizont der eigenen Bewegung überschritten und die Verknüpfung von unterschiedlichen Herrschaftsverhältnissen erkannt werden.
Human Emancipation – Animal Liberation
§129ff / §278ff abschaffen!
alfred* [Leipzig] zum Soli-Konzert am 17.03.2012
Mehr Infos:
Broschüre der Roten Hilfe:
„Der Hunger des Staates nach Feinden. Die Geschichte der Paragrafen §129, 129a und 129b und ihre Anwendung gegen die radikale Linke“
§129 (Sachsen)
http://sachsens-demokratie.net/
http://www.129-ev.tk/
§278a (Österreich)
http://antirep2008.tk/
http://antirep278a.blogsport.de/ (Soli-Gruppe aus Deutschland)
"Der Prozess" - Ein (Kino-)Film zur §278a-Thematik von Igor G. Hauzenberger
§278a - Gemeint sind wir alle - Der Prozess gegen die Tierbefreiungs-Bewegung und seine Hintergründe“ - Buch zum Verfahren von Birgit Pack / Christof Mackinger
ORF-Bericht - Die Folgen einer Polizei- und Justizgroteske (14min)
Blog der veranstaltenden Gruppe: