Der vorliegende Bericht analysiert die neue Strategie der Guerilla in der Region Cauca (Südwesten Kolumbiens), die sich in den letzten Jahren zum neuen Epizentrum des bewaffneten Kampfes entwickelt hat und dadurch mittlerweile stark in den Mittelpunkt der Medien gerückt ist.
In den Medien war in den letzten Monaten viel über die Intensität des bewaffneten Konfliktes in Cauca und anderen angrenzenden Regionen zu lesen. In den Massenmedien wird weiterhin berichtet, dass durch das Aufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen die Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werde. Wahr ist, der Konflikt hat sich in den zurückliegenden Monaten in der Region zugespitzt, die Ursachen sind jedoch hauptsächlich in der zunehmenden Militarisierung der Region zu sehen. Der Wandel der Strategie der Aufständischen bezog zwar die Bevölkerung mit ein, dies hat jedoch mit der weitreichenden Unterstützung zu tun und betraf selten negative Aspekte wie der in den Medien dargestellte Terror gegen die Zivilbevölkerung.
Der Tod des Oberkommandierenden Alfonso Cano rückte die Region in den Mittelpunkt der medialen Berichterstattung. Von der Region Tolima aus nach Cauca getrieben wurde er hier über mehrere Monate eingekesselt, die Schlinge durch Armeepräsenz, Kontrollpunkte, Infiltration und Überwachung immer enger gezogen und somit Druck auf Gueriller@s und Bauern ausgeübt. Hier zwischen den Kordilleren, dem Pazifik und nahe zum Zentrum des Landes hatten die FARC-EP ihre militärische und aufgrund der Geschichte mit der Landbevölkerung ihre soziale Basis. Waren es in den 90er Jahren vorrangig die Gebiete im Osten Kolumbiens, so gab es in den letzten zwei, drei Jahren einen Wechsel, der die örtlichen Gegebenheiten der Region Cauca ausnutzen sollte. Mit dem Scheitern der großflächigen Militäroperationen unter dem ehemaligen Militärchef Mono Jojoy sollte auch das Überleben der Aufständischen durch eine neue alte Strategie gesichert werden.
Die bergigen Gegenden von Corinto, Miranda, Caloto, Caldono, Toribío in Cauca, Pradera und Florida in Valle de Cauca sowie Planadas, Chaparral und Rioblanco in Tolima sind aktuell das Epizentrum der militärischen Aktivitäten. Entgegen den Medien war Alfonso Cano nicht der dogmatische und militärisch unwissende Anführer der größten aktiven Guerilla. Als glänzender Stratege und Oberkommandierender konzipierte der die aufständische Strategie der Guerilla neu und überarbeitete das politisch-militärische Schema. Nach den Rückschlägen hauchte er den FARC-EP ab 2008 wieder neues Leben ein und übernahm die Initiative im Zentrum und im Süden des Landes.
Die militärische Strategie war einfach aber wirkungsvoll. Er verwandelte die Höhen der Kordilleren in strategische Rückzugsräume der Guerilla, da in dieser Höhe, durch die Winde und die Vegetation die Luftwaffe der Armee nur sehr schwer einsetzbar ist. In einer Höhe von 3000 bis 4000 Metern kann sich die Guerilla sicher bewegen, Angriffe oder Überwachung sind hier kaum möglich. Unter kleinen Bäumen und Büschen, in den Felsen oder in Canons gibt es genug Unterschlupf. Außerdem kann aus dieser Höhe die Infanterie der Armee in den Tälern und auf den kurvenreichen Straßen leicht attackiert werden. Generell erhält die Armee in den Regionen wie Cauca oder Tolima nur sehr wenig Unterstützung und sie muss sich neben den geografischen Nachteilen auch mit den ausbleibenden Hilfeleistungen der Bevölkerung arrangieren.
Die Gueriller@s der FARC-EP bewegen sich in kleinen Gruppen und sind somit sehr mobil und effektiv zugleich. Für strategische Operation oder schnelle Rückzüge werden verstärkt kleine Tunnelsysteme genutzt, die aufgrund von Geografie und Flora in den Bergen leicht getarnt oder verschlossen werden können. In der Landbevölkerung haben sie seit Jahrzehnten eine soziale Basis, die sie aktiv oder passiv unterstützen. Die Guerilla kann sich hier wie ein Fisch im Wasser bewegen, da die Zone schon immer sehr ländlich und bäuerlich geprägt war und in Opposition zur Zentralmacht stand. Häufig werden von der Guerilla Heckenschützen in Stellung gebracht, die von Armee und Polizei nur schwer zu orten und zu bekämpfen sind. Die genannten Begebenheiten erzeugen ein Klima, in der sich die FARC-EP mit Sabotage, Angriffen und Kämpfen niederer Intensität eine militärisch günstige Position erarbeitet haben und die Bevölkerung, anders als die Darstellungen in den regierungsnahen Medien, nicht aktiv betroffen ist. Leider nutzen Armee und Polizei häufig wiederrechtlich den Schutz der Bevölkerung, in dem sie Basen und Stützpunkte in die Ortschaften verlegen und Transporte mit Zivilfahrzeugen abwickeln. Weitestgehend versucht sich die Bevölkerung der Instrumentalisierung zu entziehen, die aufgrund der Verhaltensweisen und dem Zwang des Kooperierens in den staatlichen Streitkräften eher eine Besatzungsarmee sehen. Die Programmatik, soziale Initiativen und die staatliche Repression führen zu einer Akzeptanz der Guerilla in der Region.
Diese Strategie ist ein weitreichender Wandel der Guerilla. Von den großen militärischen Blöcken hin zu kleineren Aktionsgruppen unter der Bevölkerung. Das Ausnutzen der Vegetationszone in den Bergen als militärischer Rückzugs- und operativer Angriffsort ist momentan einzigartig in Kolumbien. Das Ausbreiten der subversiven Kräfte in jener Region gleicht der Präsenz einer regulären Armee.
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