Warum FPÖ-Chef Strache keinen Orden verdient
Wieso eigentlich beginnen gewisse Debatten über die NS-Zeit und ihre Beurteilung immer und immer wieder bei null, als wäre nichts geschehen? Warum muss das Selbstverständliche bis zum Erbrechen wiederholt werden, ohne dass bei gewissen Leuten ein Erkenntnisprozess einsetzt?
Diesmal war's die "Reichskristallnacht", wie Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels die blutige Hatz auf die Juden im NS-Reich harmlos nannte. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fand es angemessen, die Demonstrationen gegen den Ball der Korporierten vor der Hofburg mit eben jenem Pogrom zu vergleichen.
Zur Erinnerung: Die Reichskristallnacht war keine Demonstration gegen Ballbesucher, die auf den Schutz der Polizei zählen konnten. Am 9. November 1938 stürmte vielmehr ein vom Propagandaminister angestachelter Mob jüdische Gotteshäuser und setzte sie in Brand. Die Auslagen jüdischer Geschäfte gingen in Trümmer, die Eigentümer wurden gedemütigt oder verschleppt. Das Datum markiert den Beginn der systematischen Enteignung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden in Österreich und Europa.
Heinz Christian Strache weiß das alles natürlich. Wenn er diesen Tag mit der zarten Unbill seiner Mannen am Eingang zur Hofburg am vergangenen Freitag vergleicht, gilt die Unschuldsvermutung für ihn nicht. Er verharmlost wissentlich ein Jahrhundertverbrechen, weil er in seiner Polemik kein Maß kennt. Das disqualifiziert ihn für seinen Beruf.
Strache blieb auch gestern dem Prinzip der Umkehrung der Wirklichkeit treu: "Ein Armutszeugnis und Sittenbild unserer Zeit und deren Ungeist" sei, wie da von ihm berichtet werde, schreibt er auf Facebook. Es liegt nahe, den Satz auf ihn zu beziehen, aber der Gedanke streift ihn nicht.
Bundespräsident Heinz Fischer hat gestern das Wenige getan, was er als Bundespräsident tun kann. Er hat dem Mandatar, der sich für den besseren Bundeskanzler dieser Republik hält, den von der Regierung beantragten Orden verweigert. Das ist immerhin ein Signal, dass in Österreich nicht alles folgenlos bleibt.
Der Zwischenfall wird Strache trotzdem nicht aus der Politik zwingen, dazu fehlt ihm die Einsicht. Er wird aber den Wahlkampf vergiften. Statt über die Zukunft unseres Landes mit Argumenten, Fakten und Zahlen zu streiten, werden wohlfeile Ideologiedebatten das Publikum ermüden. Heinz-Christian Strache darf damit rechnen, dass ihm das nicht schadet. So ist das bei uns.