Jalloh-Demonstration: Stahlknecht greift durch

Erstveröffentlicht: 
09.01.2012

VON Alexander SChierholz, 09.01.12, 11:36h, aktualisiert 09.01.12, 23:29h

Magdeburg/Dessau/MZ. Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz mit zwei Verletzten am Samstag bei einer Demonstration in Dessau hat Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Konsequenzen gezogen: Er löste den Leiter des Dezernates Recht der Polizeidirektion Ost, Georg Findeisen, von seinem Posten ab und versetzte ihn. Der Jurist, so der Minister, habe den Polizeipräsidenten Kurt Schnieber nicht professionell beraten.

 

Bei der Demonstration hatten 250 Teilnehmer an den vor sieben Jahren unter ungeklärten Umständen in einer Dessauer Polizeizelle gestorbenen Asylbewerber Oury Jalloh erinnert. Sie trugen Transparente mit dem Slogan „Oury Jalloh, das war Mord“. Schnieber wertete das als Straftat und ließ seine Beamten die Transparente beschlagnahmen. Dabei wurden zwei Demo-Teilnehmer schwer verletzt, darunter Mouctar Bah, der als Initiator des jährlichen Gedenkens gilt.

Laut Stahlknecht riet Findeisen Schnieber zu dieser Linie. Schnieber selbst sagte der MZ, Findeisen sei für die rechtliche Bewertung verantwortlich gewesen. Zugleich berief sich Schnieber allerdings auf das Landgericht Dessau, das nach der Beschlagnahme eines ähnliches Transparents 2007 den Slogan als nicht mehr gedeckt von der Meinungsfreiheit angesehen habe - im Gegensatz zu einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg von 2006. Dieses kenne er nicht, sagte Schnieber. Im Ministerium ist man alles andere als glücklich über Schniebers Vorgehen. Stahlknecht sagte, er teile dessen Rechtsauffassung, wonach der fragliche Spruch ein Straftatbestand sei, nicht: „Anstelle von Herrn Schnieber hätte ich anders entschieden.“ Der Polizeipräsident zog nach einem Gespräch mit dem Innenminister am Montag zwar den Strafantrag zurück, auf dessen Grundlage die Transparente am Samstag beschlagnahmt worden waren - „um nicht weiter Öl ins Feuer zu schütten“, so Schnieber. Doch an seiner rechtlichen Bewertung hielt er fest. Er habe die Entscheidung, gegen die Verwendung des Slogans vorzugehen, ohne Absprache mit dem Innenministerium getroffen. Innenstaatssekretär Ulf Gundlach (CDU) hat Schniebers Vorgehen nach MZ-Informationen intern als „Alleingang eines Unerfahrenen“ bezeichnet.

Unterdessen stieß Stahlknechts Entscheidung, Findeisen abzulösen, auf Kritik: „So etwas macht man erst, wenn die Dinge komplett aufgeklärt sind“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rüdiger Erben. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sprach von einem „Bauernopfer“.