1. Franziska im Knast - Widerstand gegen den Castor 2008
Unsere Aktionsgefährtin und Freundin Franziska sitzt derzeit für 75 Tage im Frankfurter Frauenknast! Am 12.11.2008 kettete sich Franziska zusammen mit zwei weiteren herrschaftskritischen Anti-Atom-Aktivist_innen aus unserer Aktionsgruppe an die Gleise und blockierte so für 13 Stunden den Castortransport. Dies war eine der längsten Einzelblockaden durch Kleingruppen in der Geschichte des Castorwiderstandes.
In
einem skandalösen Gerichtsprozess wurde Franziska (wie auch ein
weiterer Aktionsgefährte) zu 80 Tagessätzen verurteilt.
Teilweise wurden wichtige Anträge von Franziska mit der
Erklärung es handle sich um einen „Missbrauch prozessualer
Rechte“ unterbunden. Zudem wurde bewusst versucht, die Psyche der
Angeklagten zu brechen. Beispielsweise wurde ein Verhandlungstag in
die Nacht hinein fortgesetzt, trotz Erschöpfung der Angeklagten.
Während die anderen Verurteilten ihre Tagessätze abbezahlten, entschied sich Franziska dagegen und muss deshalb 75 Tage im Knast absitzen. Das kostet den Staat täglich 100 - 150 Euro. Gut so!
Franziska sieht es nicht ein, die Tagessätze, für die sie die deutsche Justiz verdonnert hat, an eben jenen Staat zu zahlen, der damit Atomkraft, Repression und vieles mehr was uns derzeit den Tag verdirbt - und anderen das Leben - erst finanziert und möglich macht.
Franziska sitzt seit dem 14.10 in Frankfurt im Knast und wurde dort an diesem Tag von einem bunten Anti-Atom-Demonstrationszug mit Jonglage und Seifenblasen zur JVA begleitet und verabschiedet.
Franziska sitzt Tagessätze ab und keine Haftstrafe. Und ja, es wäre ihr - oder uns als Aktionsgruppe - möglich gewesen, dass benötigte Geld zu organisieren und diese Tagessätze zu bezahlen, wie andere von uns das auch gemacht haben. Solidarität hätte es dafür ausreichend gegeben.
Und dennoch: Franziska sitzt nicht freiwillig im Knast! Natürlich nicht, niemand tut das. Aus ihrer konsequenten Haltung gab es für sie tatsächlich keine andere Möglichkeit. Geld an diesen Staat zu zahlen war für Franziska keine Alternative.
Also bleibt es dabei: Sie haben unsere Freundin weggeknastet! Aber weder trauern wir, noch sind wir empört!
Wir trauern nicht, weil wir keinen Anlass für ein passives Verhalten sehen und das auch nicht im Sinne Franziskas wäre. Empört sind wir nicht - wie das allzuviele dieser Tage sind - weil wir den Laden durchschaut haben und deshalb gar nichts anderes von ihm erwarten als eben diese Handlungsweise: Profite über Menschen zu stellen, und Menschen, die Profite gefährden - wie in diesem Fall die der Atomlobby - mit Knast zu sanktionieren.
Es lässt uns aber bei weitem auch nicht kalt, dass Franziska weggeknastet wurde. Im Gegenteil: Wir sind wütend! Wütend statt empört, weil wir seit vielen Jahren wissen, dass es Knäste gibt, und es nicht erst eine gute Freundin braucht, die es trifft, um zu wissen dass die soziale Isolation in Knästen tödlich ist und dass das Strafsystem vorrangig besteht, um Besitzende vor den Nicht-Besitzenden zu schützen, während eigentlich gerade Eigentum Diebstahl ist. Wir sind wütend, weil wir wissen, dass wir mit dem Freiheitsentzug alle gemeint sind. Wir wollen die Freiheit, das tun zu können, was wir für richtig und notwendig halten. Und gegen das zu agieren, was wir für falsch und mörderisch halten - in diesem Fall gegen den Atomstaat.
Die Wut, die die Repression gegen Franziska - und gegen uns alle - in uns auslöst, werden wir sorgfältig in unseren Rucksack packen, den wir mitnehmen, wenn wir zum diesjährigen Castorwiderstand ins Wendland trampen. Oder vielleicht auch nach Wörth zur Südblockade nahe der Stelle an der wir uns vor drei Jahren festgekettet haben. Ob ihr Franziska kennt oder nicht, wir empfehlen euch, ebenfalls etwas von dieser Wut zum Castor mit einzupacken. Gepaart mit einer Scheibe von Franziskas Konsequenz ist das der beste Schutz gegen kalten Novemberregen, Pfefferspray, Castorenstrahlung und Gewahrsamsnächte.
2. Atomkraft, Repression und Herrschaft
Sowohl durch unsere Blockade als auch durch unseren Gerichtsprozess, wollten wir stets nicht nur auf die Gefahren durch die Atomkraft hinweisen, sondern auch die Herrschaftsstrukturen durchleuchten, durch die der Betrieb von Technologien wie der Atomkraft erst möglich wird. So ist schon der Abbau des Urans in jedem Fall für die Arbeiter_innen tödlich und macht sie krank. Wer würde das in einer befreiten Gesellschaft tun? Wer bräuchte in einer befreiten Gesellschaft Atomstrom um Panzer und Überwachungstechnologie herzustellen? Und wer bräuchte massenhaft all die Produkte - mit Atomstrom produziert - für die heute erst aufwendige Werbekampagnen gestartet werden müssen um den Menschen ihren dringenden Bedarf an diesen Produkten zu klar zu machen.
Dass Franziska nun im Knast sitzt, ist die bildliche Verknüpfung von Atomstaat und Repression: Klar, jeder Saat, der eine Technologie gegen den Willen Vieler durchsetzten will - wie grundsätzlich JEDER Staat - benötigt Mittel der Durchsetzung. Der Knast als Mittel der Abschreckung ist nicht nur schlimm für die, die die inhaftiert werden, sondern konditioniert die ganze Gesellschaft und legt sie lahm, indem sie die Freiheit, sich zum richtigen Handeln zu entscheiden, beschneidet.
Die Technologie Atomkraft benötigt nicht nur für ihre Durchsetzung gegen den Willen großer Teile der Gesellschaft einen Polizeistaat, sondern auch aufgrund ihrer Gefährlichkeit wird ein Überwachungssystem notwendig. (während eines Prozesstages lasen wir deshalb einen Text von Otto Ulrich vor, der diese Verknüpfung näher ausführt)
3. Auf zum Castor!
So wie wir Franziska kennen, gehen wir davon aus, dass es die beste Unterstützung für sie ist, wenn der diesjährige Castorwiderstand sehr kraftvoll ausfällt und sie weiß, dass sie nicht alleine kämpft.
Denkt also bei eurem Widerstand gegen den Castor daran, dass ihr nicht alle seid. Es fehlen die Gefangenen. Dass jemensch für sie mitblockieren muss.
Mit unserer Aktion wollten wir auch Strategiedebatten anregen. Franziskas Entscheidung, die Tagessätze abzusitzen, sehen wir – und glauben sie auch – im Zusammenhang mit Politikkonzepten, die auf weitestgehende Selbstermächtigung und Selbstorganisierung bauen. Während unserer Castorblockade unterstrichen wir dies, indem wir zeigten, welche Wirkung mensch mit einer gut ausgetüftelten Kleingruppenaktion erreichen kann. Franziskas Knastaufenthalt steht auch in diesem Kontext als offensiver Umgang mit Repression. So hoffen wir, dass dieser nicht bloß Mitleid auslöst, sondern, dass diese Vorlage für Debatten auch aufgenommen wird. Deshalb hier nochmal einige Positionen zusammengefasst:
Wir sind nicht gegen ein buntes Konzept vieler Organisierungs- und Aktionsformen nebeneinander, wie es im Wendland auftritt – im Gegenteil. Dennoch wollen wir nicht alle Formen gleichgültig nebeneinander stehen lassen. Denn wir halten es für eine Notwendigkeit emanzipatorischer Politik, dass im und durch den Widerstand möglichst weitgehende Selbstorganisierung gelernt wird. Aktiv sein, sehen wir als das Suchen nach Entfaltungsmöglichkeiten, die im Bestehenden bloß als Reibung mit diesem stattfinden kann. Reine Konsumangebote geben diese Möglichkeit nicht.
Unsere Kritik richtet sich also nicht gegen diese oder jene Aktionsform, sondern gegen ein bestimmtes Politikkonzept. Auch Massenaktionen können sehr hilfreich sein, wenn das erlernen von Fähigkeiten der Teilnehmenden im Vordergrund steht, und nicht die Menschen als bloße Masse begriffen werden, die notwendig wird zum Gelingen einer vorgeplanten Aktion. Bei diesen Politikkonzepten schleicht sich all zu schnell vieles ein, was uns verhasst ist: Management statt Selbstorganisation, zwanghaftes Schönreden anstatt offener, ehrlicher Auswertung.
Auch das wollen wir nicht dieser oder jenen Kampagne vorwerfen, sondern fordern dazu auf, die Augen offen zu halten und sich zu sensibilisieren für solche Mechanismen.
In Bezug auf die Effizienz von Widerstand, ist dieser umso wirkungsmächtiger, je mehr Menschen selber Strategien und Taktiken aushecken, denn desto unberechenbarer wird er. Auch in der Außenvermittlung kann viel mehr rübergebracht werden, wenn sich die einzelnen Aktionsgruppen auch um die Vermittlung kümmern, anstatt dass einigen wenigen zu überlassen, die der gesamten Vielfalt des Widerstands nicht gerecht werden und sie vereinheitlichen.
Zu guter Letzt halten wir es für wichtig den Widerstand örtlich, zeitlich und thematisch in die Breite zu ziehen. Aktionen sind nicht nur im Wendland, nicht nur zum Wendland-Castor und nicht nur zur Atomkraft notwendig. Es gibt in einer herrschaftsförmigen Energieversorgung noch viele andere Angriffspunkte. Erwähnt sei beispielsweise, dass die Kohleverstromung, die von der herrschenden Politik offen als die Alternative zur Atomkraft gepriesen wird, wie die Atomkraft unseres Widerstandes bedarf.
4. Unterstützt Franzi!
Auch wenn ihr Franziska am besten mit eigenen direkten Aktionen unterstützt, könnt ihr auch auf andere Weise dazu beitragen, ihr direkte Solidarität zukommen zu lassen. Ihr könnt Aktionen machen, in denen ihr Franzis Knastaufenthalt thematisiert – zum Beispiel könnt ihr auch bei einer Castoraktion auf Transparenten darauf hinweisen. Ihr könnt die Information streuen. Ihr könnt Franzi Briefe in den Knast schreiben:
Franziska Wittig
JVA Frankfurt
III
Obere Kreuzäckerstr. 4
60435 Frankfurt
Auch freuen wir uns weiterhin auf Spenden, denn es sind noch nicht alle Ausgaben unserer Aktionsgruppe gedeckt:
Konto
„Förderverein Spenden und Aktionen“
Betreff
„Gleisblockade“
KtoNr 92881806
Volksbank Mittelhessen
BLZ
51390000
Aktionsgruppe BloXberg, 24.11.2011
P.S: Zum Schluss noch eine Grußbotschaft von Franziska von gestern an die Aktiven des diesjährigen Castorwiderstandes:
Hallo, hier schreibt Franziska. Ich habe heute meinen zweiten „richtigen“ Haft-Ausgang. Leider reicht er nicht um zur Castor-Strecke zu fahren. Deshalb nutze ich die Gelegenheit euch allen da draußen viel Erfolg in den nächsten Tagen zu wünschen. Gerade jetzt, wo uns eine Weiterlaufgarantie für mehrere Jahre bzgl. der meisten Kraftwerke als Ausstieg und ein Festhalten an Gorleben als neutrale Endlagersuche verkauft werden sollen, ist euer Protest um so wichtiger! Ich bin in Gedanken bei euch! Macht’s gut und seid kreativ.