Kriminalfall. Die sächsische Polizei bestätigt in Zwickau nicht, dass die nach der Explosion eines Hauses gefundenen Schusswaffen im Zusammenhang mit dem Mord an der Heilbronner Polizistin stehen. Die überlebende Verdächtige schweigt. Von Harald Lachmann
Was Mittwochvormittag für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bereits klar schien, zerbröselte am Nachmittag, nachdem sich sächsische Ermittler in Zwickau erstmals offiziell vor der Presse geäußert hatten. Weder gab es die angekündigten Einzelheiten zur Festnahme der 36-jährigen Beate Z., die als einzige Überlebende des mutmaßlichen Jenaer Tätertrios viel zur Erhellung des Heilbronner Polizistenmordes beitragen könnte. Noch bestätigten der Leitende Zwickauer Oberstaatsanwaltschaft Uwe Wiegner sowie der Präsident der Polizeidirektion Südwestsachsen, Jürgen Georgie, dass die in der zerstörten Doppelhaushälfte gefundene Pistole definitiv die Tatwaffe von Heilbronn war. Vorerst suchen die Kriminaltechniker noch nach Spuren oder Beweisen, wonach die arbeitslose Gärtnerin am Mord an der Polizistin vor viereinhalb Jahren beteiligt war.
Unter den sieben gefundenen Schusswaffen des Trios befanden sich zwar auch die beiden Heckler & Koch P2000, die den überfallenen Polizisten in Heilbronn gehört hatten, doch DNA-Spuren der Bankräuber, die in einem Wohnmobil im thüringischen Eisenach tot aufgefunden worden waren, seien darauf nicht auszumachen, sagte Georgie. Von einem dringenden Tatverdacht gegen die Frau bei dem Mord an der Polizistin geht die sächsische Staatsanwaltschaft deshalb bislang nicht aus. Der gegen Beate Z. am Mittwoch erlassene Haftbefehl bezieht sich zunächst nur auf Brandstiftung. Man habe Brandbeschleuniger gefunden, überdies hätten Zeugen die 36-Jährige unmittelbar vor dem weitgehend zerstörten Haus gesehen. Damit bestehe zumindest hier ein schwerer Tatverdacht gegen sie.
Die Frau, die sich am Dienstagabend zusammen mit ihrem Anwalt im thüringischen Jena selbst gestellt hatte, verweigert jede Aussage. Sie war Mittwochvormittag ins sächsische Chemnitz überstellt worden. Als sie den Polizeiwagen verließ, hatte sie sich eine Decke über den Kopf gezogen. Wie sich die Festnahme abgespielt hatte, wollten die sächsischen Ermittler nicht sagen. Das sei Sache der Thüringer Kollegen, man kenne dies nur vom Hörensagen, sagte Georgie.
Die sächsische Polizei startete indes eine aufwendige Durchforstung der Gegenstände, die man in der zerstörten Zwickauer Wohnung trotz Brand- und anschließenden Löschwasserschäden hatte bergen können. Zum Trocknen ausgebreitet, machten diese Gegenstände eine Fläche von 150 Quadratmetern aus. Die Sichtung könne Tage oder Wochen dauern.
Dennoch erhofft man sich in Sachsen, die entscheidenden Beweisstücke zu finden, die zu einer lückenlosen Aufklärung des Heilbronner Mordes führen. Im Zwickauer Brandschutt hatte man beispielsweise auch eine Handfessel und ein Reizstoffsprühgerät gefunden. Da diese polizeilichen Ausrüstungsgegenstände Individualnummern tragen, seien sie eindeutig der erschossenen Heilbronner Polizistin zuzuordnen gewesen, so Georgie.
Die jetzt in Verdacht geratene Frau und die beiden Männer waren der sächsischen Polizei bisher „überhaupt nicht bekannt”, sagte Staatsanwalt Wiegner. Alle drei hätten unter falschen Namen operiert. Anfang 2008 hatten sich Uwe M., Uwe B. und Beate Z. im Zwickauer Ortsteil Weißenborn in der 120 Quadratmeter großen Wohnung in der Frühlingsstraße 26 einquartiert und seither immer pünktlich Miete gezahlt - 500 Euro plus 240 Euro Nebenkosten. Angemietet hatte sie indes ein Mann mit anderem Namen. Ob es sich hierbei um einen vierten Mann handelt oder ob dahinter der tote Uwe M. steckt, scheint noch nicht völlig klar. Denn Z. hatte sich in der ruhigen, überschaubaren Wohngegend, in der das Trio unauffällig und unbehelligt lebte, den gleichen Nachnamen wie der Mieter gegeben. Sie galt als freundlich, aber etwas verschlossen. Auffällig bei den beiden jungen Männern waren nach Beobachtung von Anwohnern nur deren weiße Mountainbikes.
Für die sächsische Polizei scheint das Gangstertrio weniger wegen des Heilbronner Mordes als mehr wegen eigener ungeklärter Banküberfälle von Interesse. Seit dem Jahre 2000, also teils lange vor dem Polizistenmord, habe es rund ein Dutzend solcher Verbrechen gegeben, die erkennbar dieselbe Handschrift trugen, ohne dass man aber auf eine heiße Spur gestoßen sei, sagte Georgie. So erhofft er sich von der Sichtung der Spuren im Zwickauer Brandhaus vor allem hier zahlreiche Aufschlüsse.
Rechtsextremes Material sei hingegen bei der Sichtung noch nicht entdeckt worden, sagte der Polizeipräsident. Allerdings könne sich dies „sekündlich ändern”. Zuvor war bereits in Thüringen der neonazistische Hintergrund des Trios bestätigt worden. Allerdings geschah dies über eine Art Dementi seitens des Verfassungsschutzes in Erfurt. Die Behörde habe die toten Bankräuber von Eisenach nicht als V-Leute geführt, hieß es. Weder lägen Anhaltspunkte für eine „nachrichtendienstliche Zusammenarbeit” mit den Männern vor noch hätten „staatliche Stellen” den mutmaßlichen Bankräubern bei der Flucht geholfen, steht auf der Internetseite der Behörde.
Hinter diesen Beteuerungen steht auch der mittlerweile bekannt gewordene Fakt, dass die rechtsextreme Gruppe Thüringer Heimatschutz, dem das Trio vor seinem Abtauchen im Januar 1998 angehört hatte, von einem V-Mann des Verfassungsschutzes geführt wurde. Aufgeflogen war die Organisation, nachdem 1997 vor dem Theaterhaus Jena eine Bombenattrappe mit einem aufgemalten Hakenkreuz entdeckt worden war. In der Folge konnte man die Bombenbauerwerkstatt ausheben, die die damals 20, 23 und 24 Jahre alten Verdächtigen in einer Garage betrieben hatten. Seither galt das Trio wie vom Erdboden verschluckt. Dem Landeskriminalamt gelang es nie, die abgetauchten Neonazis aufzuspüren. 2003 stellte die Staatsanwaltschaft Gera ihre Ermittlungen wegen Verjährung ein.